Berufen-Sein: Der 1977 in Bozen geborene Moritz Windegger erzählt in der neuen Berufungsg'schicht vom Quo vadis? von seinem Hinhören auf Gott. Er war Journalist und ist mit 36 Jahren in den Franziskanerorden eingetreten. "Manche", schreibt er, "hören weniger gut."
Br. Moritz Windegger fand seine Berufung über Umwege. (c) OSF
»Der Begriff „Spätberufener“ irritiert mich meistens: Obschon erst mit 36 Jahren eingetreten, fühlte ich mich damit nie richtig angesprochen. In Wirklichkeit begleitet mich die Frage nach dem Ordensleben seit meiner Zeit im Franziskanergymnasium Bozen. Oder besser: Seit ich in der Bozner Franziskanerkirche Ministrant geworden bin. Als Bub lernte ich die Mitbrüder „von der anderen Seite der Klostermauer“ kennen: Franziskaner – das wunderte mich damals ein bisschen – sind alles Mögliche: Es gibt Kluge und betont Einfache, Sympathische und Nervöse, solche, die hauptsächlich in Wissenschaft oder Schule tätig sind, und andere, für die ein Handwerk oder der soziale Dienst die hauptsächliche Lebensbeschäftigung darstellt. Im Grunde sind Franziskaner also wie alle Menschen. Ich fand das faszinierend.
Nach meiner Matura habe ich die Frage „vertagt“: Studieren in Padua, einige Jahre Lehrer, dann fast 10 Jahre Journalist bei den „Dolomiten“. Zwischen Karriere und Lebensabenteuer verrinnt die Zeit. Die Vorstellung, Franziskaner zu werden, blitzte zwar immer wieder einmal auf. Dass das ein „Ruf“ sein könnte, auf den ich auch „hinhören“ sollte, war nur eine theoretische Überlegung. Einige wenige Menschen wussten davon, dass ich ernsthaft um diese Frage ringe. Im Februar 2013 – das hat zunächst nichts mit Berufung zu tun – eilte ich über den Bozner Obstmarkt, als am Handy die Nachricht aufleuchtete „Benedikt XVI. zurückgetreten“. Für den Berichterstatter, den Journalisten war das eine fast alltägliche Herausforderung: Wie bereiten wir das für die Leserschaft auf? Wen werden wir dazu befragen? Vorerst. Nach einem langen Arbeitstag ergriff mich dann eine erschreckende Erkenntnis: Heute hast Du gespürt, wie „Geschichte passiert“, wie „die Zeit vergeht“.
Das Leben selbst in die Hand nehmen
Es war dies der Auftakt einer Serie ähnlicher Momente: Wenn ich will, dass mein Leben nicht dadurch gestaltet wird, dass „einfach die Zeit vergeht“, muss ich es selbst in die Hand nehmen. „Die Berufung ist heute. Eine Sendung gilt der Gegenwart“, nennt Papst Franziskus das.
Herausfordernd war das Herauslösen aus einem detailliert gestalteten Leben: Ich hatte einen Beruf, der mir Freude machte, und in dem ich auch Erfolg hatte; außerdem ein starkes soziales Umfeld aus Freunden und in Vereinen. Erneut fing ich an zu grübeln, dann wurde mir klar: Ein solcher „Schnitt“ muss rasch und eindeutig organisiert sein. Dass mir das gelungen ist, war auch der umsichtigen Art der Franziskanerprovinzials und der verständnisvollen Reaktion meines Chefredakteurs zu verdanken. Und so bin ich im September 2014 ins Postulat der Franziskaner gezogen.
Nur vier Wochen vorher hatte ich den Entschluss einem breiteren Umfeld kundgetan. Als ich in der Redaktion ankündigte, mein Leben anders zu gestalten und ins Kloster zu gehen, hat es einigen Kollegen die Sprache verschlagen. Journalisten eines Tagblattes sind gewohnt, alles Mögliche zu verarbeiten: Menschliche Abgründe, Tragödien, wunderbare Ereignisse, Siege oder Niederlagen. Aber dass ein Mensch ins Kloster geht, überfordert offenbar alle Routine. Spätestens da wurde mir klar, dass es für mich wirklich Zeit war. Es gibt wohl keine „Spätberufenen“, sondern allenfalls „Schwerhörige“. Die mit der Antwort auf den Ruf etwas länger brauchen.«
Moritz Windegger
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[elisabeth mayr]