Maria Elena Sanabria de Cruz: Das Reich Gottes ist solidarische Liebe
El Salvador (spanisch „Der Erretter“) ist der kleinste Staat Zentralamerikas. 7,3 Mio. Einwohner leben auf rund 21.000 Quadratkilometer, was ungefähr einem Viertel der Fläche von Österreich entspricht. Von 1980 bis 1991 befand sich das Land im Bürgerkrieg, doch die sozialen Probleme sind nach wie vor groß, berichtet Maria Elena Sanabria de Cruz auf der Fachtagung. Die Wirtschaft liegt völlig am Boden, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Viele Familien sind „vaterlos“, weil diese in den USA arbeiten. Analphabetismus ist weit verbreitet, vor allem im ländlichen Raum. Die Armut ist allgegenwärtig.
Jugendbanden als Weg aus der Armut
Viele Jugendliche suchen dem Elend zu entfliehen, indem sie sich Jugendbanden anschließen. Sie stellen für viele junge Männer die einzige Möglichkeit dar, ihre Grundbedürfnisse zu decken und zu ein wenig Geld zu kommen. Diese Banden beherrschen ganze Stadtviertel und finanzieren sich durch Drogenhandel und (Kinder-)Prostitution. Doch das hat seinen Preis; weltweit weist El Salvador die zweithöchste Rate gewaltsamer Tötungen auf; durchschnittlich werden zwölf Menschen pro Tag getötet. Bei sieben Millionen Einwohnern seien 60.000 aktive Mitglieder einer Straßengang; geschätzte 500.000 Menschen sind in sonstiger Weise daran beteiligt, erzählte die Referentin.
Kritischen Geist bei Jugendlichen wecken
Maria Elena Sanabria de Cruz kann hier aus eigener Erfahrung berichten. Sie ist Koordinatorin des Bildungsprogrammes der Fundación Herman „Mercedes Ruiz“, einer Einrichtung, die die christliche Basisgemeinschaft in El Salvador begleitet. In der Pfarre, in der sie lebt, engagiert sie sich als Katechistin im Rahmen der Erstkommunions- und Firmvorbereitung, sowie als Leiterin eines Bildungsprogrammes und einer kleinen Gemeinschaft von Jugendlichen sowie als Animatorin der Gemeinde „Bischof Romero“.
Der 1980 ermordete Erzbischof ist auch der geistige Pate des Bildungsprogrammes, das auf den Eckpfeilern "Sehen-Urteilen-Handeln-Feiern" basiert. Das Ziel sei, den "kritischen Geist" jedes einzelnen Jugendlichen zu wecken, damit er entdecke, "welches Wort Gott in ihn niedergelegt hat, was seine Werte und sein Lebensprojekt sind und welchen Dienst an anderen er leisten kann". Die Antwort der Kirche müsse ganzheitlich sein: "Die Jugendlichen müssen erkennen, dass es im Leben neben Töten und Getötetwerden auch einen dritten Weg gibt, und dass sie einzigartig und unwiederholbar sind", sagte Sanabria de Cruz.
Sinnleere durch Neoliberalismus
Dazu brauche es aber eine Bildung, die eine Analyse der Gesellschaft und der eigenen Lebensrealität ermögliche; ansonsten würden Jugendliche zu "Zuseher statt Akteure und zu Objekte statt Subjekte des Wandels" degradiert. Die Gefahr ist, dass das Streben nach Konsum alles überdeckt und zum eigentlichen Lebensziel wird. Werte gehen verloren; Mode, Luxusgüter, schneller Sex etc. füllen die Leere eines inhaltlosen Lebens.
Verursacher sei das neoliberalistische Wirtschaftssystem, das eine "moderne Spielart von Unterdrückung" darstelle. Wer dies durchschaut, kann "viel schöpferische Kraft für mehr Gerechtigkeit, Wahrheit, Freiheit, solidarische Liebe und Lebendigkeit" aufbringen.
Das Königreich Gottes ist Gerechtigkeit
Doch das Reich Gottes erfordere auch Kampf: So seien die christlichen Basisgemeinschaften die ersten gewesen, die zum Beispiel Missstände wie drohende Hangrutsche durch eine geplante Autobahn oder Verletzungen der Menschenrechte durch Bergbaukonzerne aufzeigten. „Was ist das Königreich Gottes?“ fragte Sanabria de Cruz in ihrem Referat, und gab auch gleich die Antwort: „Das ist Gerechtigkeit. Also muss man für die Gerechtigkeit kämpfen. Jesus sagt, der höchste Wert ist das Trachten nach Gerechtigkeit. Das Reich Gottes ist der Kampf gegen Korruption. Das Reich Gottes ist der Kampf für ein besseres Leben. Wir kämpfen dafür, dass wie etwas zu essen haben, eine bessere medizinische Versorgung, eine bessere Bildung. Wir kämpfen dafür, dass das Reich Gottes hier und jetzt ist!“ Sanabria de Cruz weiter: „Das Reich Gottes ist solidarische Liebe!“
Die Jugendlichen in der Basisgemeinden haben ihren eigenen Weg gefunden zu kämpfen: So verzichteten sie zum Beispiel in der Fastenzeit auf Coca-Cola; das ersparte Geld übergab man dem Gesundheitsministerium für die Erforschung einer Niereninsuffizienz-Therapie. Eine andere Aktion sei die gemeinsame Ausarbeitung von 25 zentralen Werten für Jugendliche gewesen, die in Buchform veröffentlicht wurde. Maria Elena Sanabria de Cruz zum Schluss: „Junge Menschen sind eine echte Kraft. Manche sagen, sie sind die Zukunft der Kirche. Aber sie sind nicht ihre Zukunft, sondern bereits ihre Gegenwart.“
[rs]