Pioniere des Wandels
»Xavier-Network« ist der Zusammenschluss der internationalen Entwicklungs- bzw. Hilfsorganisationen der Jesuiten auf europäischer Ebene. Das Netzwerk ist in vier Arbeitsgruppen unterteilt; eine fokussiert sich auf den Themenkomplex der »Internationalen Freiwilligendienste« in Osteuropa und Übersee.
Mitleben führt zu Solidarität
„Auch wenn es ein wenig abgedroschen klingt: Wir wollen tatsächlich einen Beitrag zu einer gerechteren Welt leisten“, sagt Carolin Auner von »Jesuit Volunteers« Deutschland. „Natürlich geht es auch darum, eine Arbeitsleistung zum jeweiligen Projekt beizutragen. Aber in erster Linie wollen wir, dass die Freiwilligen vor Ort mitleben. Wir wollen mehr Kenntnis von anderen Kulturen vermitteln und so zu mehr Solidarität hinführen.“ Die Einsätze dauern jeweils ein Jahr lang – nur so können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Programms die jeweiligen Lebensweisen wirklich kennen lernen. „Die Leute erleben während ihres Aufenthaltes viel Armut, Mangel und Not in den Einsatzgebieten“, erzählt Auner. „Wenn sie dann zurückkommen, und nichts passiert mit ihnen, dann haben wir alle etwas falsch gemacht. Da könnten wir auch gleich ein Wellnessangebot daraus machen. Wir hoffen, dass unsere Freiwilligen zu Pionieren des Wandels werden - weil es Menschen braucht, die sich dafür einsetzen, dass es auf dieser Welt mehr gibt als nur Konsum.“

Von 3. bis 6. Juni tagte »Xavier Network« in Wien. Gastgeber war »Jesuit Volunteers«, die Kooperation der drei deutschsprachigen Jesuitenmissionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
(c) Ordensgemeinschaften Österreich/Manu Nitsch
Insgesamt beteiligen sich an der Arbeitsgruppe der »Internationalen Freiwilligendienste« acht Organisationen, die in ihren Ländern unterschiedliche Freiwilligenprogramme betreuen. Die Verantwortlichen treffen sich jährlich zu einer gemeinsamen Konferenz. Heuer sind es rund 20 Frauen und Männer aus ganz Europa, die in Wien gemeinsam an der permanenten Weiterentwicklung der Programme arbeiten. Die laufende Hinterfragung von (Qualitäts-)Standards, Voraussetzungen und Zielen geht Hand in Hand mit steter Fortbildung, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten.
Keine Missionsarbeit
Eine dieser Organisationen ist das Freiwilligenprogramm »Jesuit Volunteers«, die Kooperation der drei deutschsprachigen Jesuitenmissionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Wir haben jährlich rund 100 Bewerbungen; letztendlich nehmen wir ungefähr 30 Freiwillige in unser Programm auf“, erzählt Mag. Katrin Morales von »Jesuit Volunteers« Österreich. „Diese Zahl ist bewusst klein gehalten, weil wir die Leute auf dem Weg zu ihrem Einsatz optimal begleiten möchten.“ Die intensive Ausbildung dauert insgesamt neun Monate und beinhaltet neben Informationen zu Land und Leuten und eine Einführung in die jeweilige Landessprache auch das Vermitteln der ignatianischen Spiritualität, „weil sie sehr lebensnahe und praktisch ist und sehr hilfreich sein kann. Aber wir haben einen sehr offenen Ansatz“, betont Katrin Morales. „Es geht nicht darum, dass jemand streng katholisch ist. Wir wollen niemanden missionieren!“
Von 18 bis 65
Die Freiwilligen arbeiten für ein Jahr in einem Sozialprojekt der Jesuiten mit und passen sich den dortigen Lebens- und Arbeitsgewohnheiten an. „Unsere Freiwilligen sind zwischen 18 und 65 Jahre alt, es gibt bewusst keine Altersbeschränkung. Auch das ist eine Besonderheit von uns“, sagt Katrin Morales. Immer wieder nehmen Menschen ein Jahr Auszeit nach der Matura oder Studium oder erfüllen sich nach der aktiven Berufsphase den Traum eines Auslandsjahres. Die Einsatzfelder sind vielfältig: Die Freiwilligen arbeiten mit Kindern und Jugendlichen, Menschen mit Behinderungen, alten und kranken Menschen, Obdachlosen oder Flüchtlingen – aber auch für Ingenieure oder im IT-Bereich gibt es Einsatzmöglichkeiten bei den Projektpartnern.
Der Blick aus anderer Perspektive
Eine Bereicherung fürs ganze Leben? „Ja, und ich würde es jederzeit wieder machen“, antwortet Paula Grzesiek ohne zu zögern. Die Lehramtsstudentin aus Nürnberg verbrachte nach dem Abitur ein Jahr in einem indischen Internat, einer „englischen Schule der Jesuiten an der Grenze zu Bangladesch. Das war natürlich kein Internat für Jugendliche aus gutem Haus, sondern für Kinder, die Minderheiten angehören und keine andere Möglichkeit hatten, eine gute Schulbildung zu erhalten. Wir waren zwei Freiwillige, und unsere Aufgabe bestand darin, die Jugendlichen beim Lernen zu unterstützen, aber auch im Garten und im Haushalt zu helfen.“ Das Motiv war für Paula Grzesiek, „etwas anderes kennenzulernen, die Perspektive zu wechseln.“ Immerhin, rund 80 Prozent ihrer Internatszöglinge waren Hindus; die Begegnung mit einer anderen Religion empfand Grzesiek als sehr bereichernd.

Paula Grzesiek betreute für »Jesuit Volunteers« ein Jahr lang Jugendliche in einem Internat in Indien, Irene Krüger arbeitete in Bosnien in einem Kindergarten für Flüchtlingskinder.
(c) Ordensgemeinschaften Österreich/Manu Nitsch
Andere Lebenssituation
So sieht es auch Irene Krüger, die ihren Freiwilligeneinsatz in Tuzla im Nordosten Bosniens erbrachte. Die Musikstudentin aus Nürnberg betreute ein Jahr lang Kinder von muslimischen Flüchtlingen, die im Bosnienkrieg vertrieben worden waren. „Ich hab die Erzieherinnen im Kindergarten unterstützt“, erzählt Krüger. „Ich wollte einfach über den Tellerrand blicken; ich wollte sehen, wie es ist, in einer komplett anderen Lebenssituation zu sein.“ Um mit den Menschen besser ins Gespräch zu kommen, lernte sie die bosnische Sprache. „Ich wusste bis dahin nicht so viel über den Islam. Das war für mich ein spannender Teil zu erkennen, dass auch eine andere Religion schön ist.“
Beiden gemeinsam ist, dass sie bei »Jesuit Volunteers« weiterarbeiten und das Freiwilligenprogramm auch weiterhin unterstützen werden. Die Jesuitenmission bietet dazu auch eine Vielzahl an Workshops und Seminaren an.
[rs]
Vom 3. bis 6. Juni 2015 fand im Kardinal-König-Haus in Wien ein Treffen des »Xavier Network« statt, dem europaweiten Netzwerk der Internationalen Freiwilligendienste und Hilfswerke der Jesuitenmission. Gastgeber war heuer »Jesuit Volunteers«, die Kooperation der drei deutschsprachigen Jesuitenmissionen Deutschland, Österreich und Schweiz.