Die Schöpfung und die Zisterzienser
Jeden der fünf Fischteiche des Stiftes Wilhering haben sie abgelassen, erzählt Pater Otto Rothammer, der Schlamm wurde mit Baggern ausgeschaufelt. Nachdem die Landwirtschaft und insbesondere die Teichwirtschaft bereits jahrelang nicht mehr vom Stift betrieben worden waren, waren mehr und mehr Bereiche verwildert. Als Pater Otto und Pater Justin Molina Novack ins Stift Wilhering kamen, sahen sie genau darin ihre Aufgabe. Sie wollten nach alter Mönchstradition mit ihren Händen arbeiten und fanden in Wilhering jede Menge Betätigungsfelder. „Wir wollen dem Klostergarten seine Würde zurückgeben“, beschreibt P. Otto seine Motivation. Aus der Wildnis einen Garten Eden zu machen, das liegt den Zisterziensern seit jeher am Herzen. Die Kultivierung der Schöpfung hatte einerseits wirtschaftliche Gründe, andererseits auch die spirituelle Bedeutung des Mitwirkens am Schöpfungswerk. Während man im 21. Jahrhundert geneigt ist zu denken, dass Kultur im Großen und Ganzen das Gegenteil von Natur ist, ist den Zisterziensern (wie den anderen Klostertraditionen auch) das harmonische Zusammenwirken von beidem ein Anliegen.

Fünf historische Fischteiche haben die jüngeren Mönche von Wilhering wieder in Betrieb genommen. Der älteste davon war 600 Jahre alt. P. Otto Rothammer hat dessen bröckelnde Mauer drei Wochen lang eigenhändig nachgebessert.
Spannungsdreieck Natur – Kultur – Religion
„Für mich sind drei Schlüsselbegriffe immer wichtiger“, erklärt Abt Reinhold Dessl von Wilhering. „Das sind Natur und Kultur – beide werden vom Stift Wilhering seit langem und aktuell gepflegt. Und die Klammer um beide bildet die Religion.“ Ein Beispiel für den aktuellen Kulturbetrieb in Wilhering ist das „Wilheringer Theaterspektakel“, das unter der Leitung von Joachim Rathke seit 20 Jahren jeden Sommer Neuinszenierungen oder Uraufführungen auf die Bühne im alten Stadel des Stiftes bringt. Die „Kultivierung der Natur“ wiederum findet auch darin eine Fortsetzung, dass es 2015 gelungen ist, die große, wirtschaftlich geführte Stiftsgärtnerei und die ca. 160 Hektar Ackerflächen des Stiftes an die efko-Bauerngenossenschaft zu verpachten. Man entschied sich aber nicht für irgendeinen Pächter der Gärtnerei. Ein guter Umgang mit der Schöpfung, also mit den Böden, und ein menschlicher Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern waren Bedingungen bei der Auswahl des Partners. Durch die erreichte Kooperation mit der efko-Bauerngenossenschaft muss niemand gekündigt werden, alle Arbeitsplätze bleiben in der Region. „Öko-soziales Wirtschaften ist uns wichtig, wie es auch die Enzyklika ‚Laudato si‘ thematisiert“, betont Abt Reinhold. Die Stiftsgärtnerei wird die tragende Rolle spielen, wenn im Jahr 2021 die Oberösterreichische Landesgartenschau im Stift Wilhering zu sehen sein wird. Außerdem soll das Stift im Vorfeld der Landesgartenschau ein Kompetenzzentrum für Gesunde Ernährung werden. Dieses wird Ausstellungen und Fachvorträge anbieten, jedoch keine Fastenwochen.

Abt Reinhold Dessl kehrt in der Abendsonne zurück von einer Ausfahrt mit dem Rad in den Wald, der das Stift Wilhering umgibt.
Klosterpforte neu
Der verfallene Meierhof des Stiftes, der gemeinsam mit der Stiftskirche, dem Stiftsgymnasium und dem repräsentativen Trakt des Klosters den ersten und größten Stiftshof umgibt, wird als Anlaufstelle für durchreisende Gäste zu neuem Leben erweckt werden. Der ehemalige Stiftsgasthof, in einem anderen Teil des Stiftsareals, wird bereits für Gäste umgebaut: Ab 2016 wird er anerkannte Flüchtlinge in fünf Startwohnungen beherbergen.

Der ehemalige Stiftsmeierhof wird als Willkommensbereich für die Gäste revitalisiert.
Das Stift Wilhering ist bereits erfahrener Unterkunftgeber. In einem ehemaligen Jugend-Treffpunkt wohnen zehn Asylwerber in fünf Doppelzimmern. An der zukünftigen Klosterpforte soll ein Mönch die Ankommenden empfangen: Pater Justin. „Inmitten unserer Gärten und Kulturstätten finden die Menschen ein religiöses Zentrum, das sie willkommen heißt.“ Der Gedanke an das konkrete Zusammenspiel von Natur, Kultur und Religion gefällt Abt Reinhold Dessl. Das Kapitel hat sich für die Revitalisierung des Meierhofs ausgesprochen. Tatkräftig dabei sein werden P. Otto Rothammer und P. Justin Molina Novack. So wie die zugewachsenen Fischteiche wollen sie weitere Teile des Stiftes, die in Dornröschenschlaf versunken scheinen, wiedererwecken. Abt Reinhold Dessl nennt die anpackenden Mönche meist „unsere Jungen“. Gemeinsam mit dem Kandidaten Philipp haben sie noch viele Ideen. „Wir wollen einen Fischereiverein gründen und so Leute zusammenführen. Da sind auch pastorale Aufgaben damit verbunden“, erzählt Pater Otto. „Bereits jetzt kommen wir mit den Leuten ins Gespräch, wenn wir unsere Fische selbst am Adventmarkt im Stiftshof verkaufen. Da sind wir präsent. Und eine selbstgemachte Fischsuppe kann der Anfang von einem ganz persönlichen Gespräch sein.“

Der Blick für das Detail ist P. Otto Rothammer wichtig. Er hat gemeinsam mit Mitbrüdern in einem kleinen Teil des Klausurgartens begonnen, wieder eigenhändig Gemüse zu ziehen.
Text und Fotos: [ms]
Aus ON 5/2015. Das ganze Heft lesen Sie hier.
[ms]
Natur und Kultur müssen kein Widerspruch sein. In vielen Ordenstraditionen spielt das Gestalten der Schöpfung eine große Rolle. Die Zisterzienser von Stift Wilhering leben ihre Verantwortung an der Schnittstelle von Forst, Gärten und Kulturgut.