In der Flüchtlingshilfe packen Ordensgemeinschaften und Ordensleute allerorts an

„Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind zwei Dimensionen einer einzigen Wirklichkeit. In den Sozialstaaten ist immer die Suche nach sozialer Gerechtigkeit als Ausgleichsgerechtigkeit im Vordergrund. Barmherzigkeit ist der Quellgrund sozialer Gerechtigkeit, die Grundlage, die Motivationsbasis.“ Die Direktorin der Katholischen Sozialakademie Magdalena Holztrattner hat in ihrem grundsätzlich gehaltenen Statement den versammelten Ordensoberinnen und –oberen der Erzdiözese Wien und der Diözese Burgenland die Begriffe Solidarität, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sozialpolitisch und spirituell verknüpft: „Solidarität heißt die Komfortzone verlassen, hinausgehen aus der Sakristei und anpacken. Wir wohnen in einem Haus, wie Papst Franziskus in Laudato si betont. Wir hängen zusammen und Solidarität bedeutet, die Mitverantwortung und Mitverpflichtung anzunehmen. Kirche und kirchliche Gemeinschaften sind daher gerufen, Barmherzigkeit als Solidarität und Gerechtigkeit in die Welt zu tragen.“ Holztrattner ermutigt: „Die Handlungsspielräume sind größer als wir oft denken.“

Dramatisch Situation erfordert entschlossenes Handeln

Holztrattner zur Flüchtlingssituation: „Die Situation ist in diesen Tagen dramatisch. Sie ist aber nicht vom Himmel gefallen und ist morgen auch nicht zu Ende, weil Aubeutungsmechanismen in den Fluchtherkunftsländern nicht aufhören. Ausbeutung, Landgrabbing, Billigproduktion, Menschen- und Waffenhandel, Drogenhandel bis hin zum Krieg finden weiter statt. In diesem Zusammhang werden leider Grenzen nicht dicht gemacht, sondern nur für Menschen. 1 % der Flüchtlinge weltweit kommt nach Europa und dieses Europa erweist sich als Nicht-Solidar-Union.“ Holztrattner trifft mit ihrem Aufruf auf offene Ohren und schon allerorts tätige Hände: „Unser Tun ist gefragt, heute mehr denn je.“

Viele Beispiele in Gemeinschaften und einzelner Ordenleute

In einem regen Austausch werden schon bestehende Flüchtlings-Projekte ausgetauscht, nach neuen Möglichkeiten gesucht und Knowhow verknüpft. Vielerorts wurden in Pfarren und Ordenshäusern in den letzten Tagen die benötigten Notquartiere von 30 – 70 Personen in größeren Räumen geschaffen. Über 1.500 Plätze haben so Redemptoristen, Steyler Missionare, Don Bosco, Kamilianer, Klosterneuburg und andere Gemeinschaften zur Verfügung gestellt. „Dort, wo Flüchtlinge aufgenommen werden, gesellen sich sofort Helferinnen und Helfer dazu, oft gar nicht kirchlich verbunden. So entstehen ganz neue Solidaritäten.“ Das wissen die derzeit akut helfenden Ordensleute. Auch die internationale Vernetzung können Orden gut einsetzen. Das geht soweit, dass Gemeinschaften Kirchenasyl denen geben, die von der Abschiebung bedroht sind. Auch die Säkularinstitute sind in diese soziale Herausforderung fest eingebunden. Weitere Themen der Konferenz waren Informationen rund um das Engagement zum Menschenhandel, das Jubiläum der Vereinigung der Frauenorden von 28. – 30 April 2016 in Innsbruck, das JAHR DER ORDEN und strukturelle Veränderungen in einzelnen Kongregationen und Gemeinschaften.

Erklärung der Ordenskonferenzen zur Flüchtlingssituation in Wien und Burgenland

Mit der nachstehenden Erklärung wenden sich die Ordensgemeinschaften der Erzdiözese Wien und der Diözese Eisenstadt an die Öffentlichkeit:

1. Wir danken allen Beteiligten und allen Institutionen, sowie den vielen tausend ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern für ihren Einsatz für die Flüchtlinge, die in unser Land kommen. Unser Boot ist nicht voll. Viele unserer Gemeinschaften handeln schon seit vielen Monaten konkret vor Ort.

2. Wir fordern eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union, welche auch eine „Solidaritätsunion“ sein sollte. Die Kirchen und Orden in der EU sind bereit zu helfen.

3. Weit über 1500 Notquartierplätze werden derzeit von den Ordensgemeinschaften und ihren Einrichtungen und Pfarrgemeinden in den beiden Diözesen zur Verfügung gestellt. Dieses Angebot ist steigend. Viele ehrenamtliche Helfer und Helferinnen helfen in der Versorgung mit. Mehrere kleinere Gemeinschaften haben allerdings aufgrund eigener räumlicher Grenzen nicht die Möglichkeit Notquartiere zur Verfügung zu stellen.

4. Zwei Drittel der Ordensgemeinschaften haben daneben bereits Wohnraum für Flüchtlinge organisiert bzw. planen für den nächsten Wochen und Monaten diese zu organisieren. Das ist oft auch mit Adaptierungsaufwand verbunden. Viele Orden helfen eher im Verborgenen und haben ihre Aktivitäten bisher nicht in die große Öffentlichkeit gebracht. Der Aufruf von Papst Franziskus in Bezug von Flüchtlingshilfe in Klöstern und Gemeinden nehmen wir voll inhaltlich als unseren Auftrag an und versuchen diesen umzusetzen.

5. Die Integration der Flüchtlinge und die Begleitung auf verschiedenen Ebenen bilden gerade jetzt einen aktuellen Schwerpunkt vieler Ordensgemeinschaften. Wir wollen die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen – insbesondere mit der Caritas – verstärken und intensivieren.

In der Erzdiözese Wien und der Diözese Eisenstadt leben und wirken knapp 850 Ordensmänner in über 50 Gemeinschaften und 1600 Ordensfrauen in knapp 70 Gemeinschaften.

(Sr. Maria Judith Tappeiner CS, Vorsitzende der Regionalkonferenz der Frauenorden Wien-Eisenstadt und Pater Lorenz Voith CSsR, Vorsitzender der Männerorden Wien-Eisenstadt)

[fk]