Krankenhäuser der Barmherzigen Brüder: Gebärdensprachekurse sorgen für Selbstbestimmung
Mit Ärztin oder Arzt in der eigenen Muttersprache kommunizieren zu können, ist für viele Menschen selbstverständlich. Nicht aber für gehörlose Menschen, denn in den wenigsten Fällen beherrscht ihr Gegegenüber die Gebärdensprache, eine vollwertige und anerkannte Kommunikationsmöglichkeit bestehend aus einem manuell-gestischen Code mit eigener Grammatik. Oft wurde bei solcher Gelegenheit eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher hinzugezogen. Darunter litt jedoch häufig sowohl die Informationsweitergabe als auch die Privatsphäre.
Um gehörlosen Menschen die bestmögliche, ärztliche, pflegerische, soziale und psychologische Betreuung zu garantieren, wurden beginnend mit dem Jahr 1999 in vier Krankenhäusern der Barmherzigen Brüder Ambulanzen eingerichtet, in denen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Gebärdensprache beherrschen.
Das direkte Gespräch in der eigenen Muttersprache bedeutet für gehörlose Menschen eine neue Qualität der gesundheitlichen Versorgung: So ist eine vollständige Anamnese möglich und die Patientinnen und Patienten können durch eine bessere Verständlichkeit vorliegender Erkrankungen und Therapiemöglichkeiten aktiv und selbstbestimmt an ihrem Heilungsprozess mitwirken.

Das direkte Gespräch bedeutet für gehörlose Menschen eine neue Qualität der gesundheitlichen Versorgung. (c) Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien / A. Pawloff
Barmherzige Brüder: Gebärdensprachkurse für MitarbeiterInnen
Seit der Einrichtung der Gehörlosenambulanz im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien beispielsweise werden für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gebärdensprachkurse angeboten. Jedes Jahr nutzen zwischen zwölf und sechzehn Personen das Angebot, während der Dienstzeit die Gebärdensprache zu erlernen. Unterrichtet wird, wie auch in anderen Sprachen häufig bevorzugt, von Native Speakern. Der Vorarlberger Werner Mayer ist ausgebildeter Sozialarbeiter und langjähriger Gebärdensprachkursleiter. Romeo Seifert, ebenfalls diplomierter Sozialarbeiter, erfüllte sich bei den Barmherzigen Brüdern gleich zwei Jugendträume: Er gibt nicht nur seine Muttersprache weiter, sondern kann auch in seinem Berufsleben, in der Ambulanz für Gehörlose, in seiner Muttersprache kommunizieren.
Das Feedback der Absolventinnen und Absolventen ist durchwegs positiv. Eine neue Sprache zu erlernen ist für viele eine schöne Herausforderung, die sie in diesem Fall zusätzlich befähigt eine oft ausgeschlossene Gruppe zu inkludieren. Eine Horizont-erweiterung, die durch den direkten Kontakt zu Gehörlosen ermöglicht, die Welt aus einer neuen Perspektive betrachten.
Nichts verstehen bzw. selbst nicht verstanden werden: Wer schon einmal in ein Land gereist ist, dessen Sprache man nicht spricht, kennt dieses bedrückende Gefühl der Hilflosigkeit. Doch so geht es tausenden gehörlosen Menschen täglich - und das nicht einmal in der Fremde, sondern im eigenen Heimatland. Denn ihre "Muttersprache" ist nicht Deutsch, sondern die österreichische Gebärdensprache – und die wird nur von wenigen beherrscht.