In den verborgenen Gärten der Mönche
Kunst, Kultur und Wunder
Schon Maria von Magdala hielt den auferstandenen Jesus für einen Gärtner: Die Bezüge zwischen Gärten und Spiritualität sind vielfältig. Sie sind Orte des Schweigens, des Innehaltens, des Wachstums, besungen im Hohelied der Liebe – Refugien der Sinne. Die heutige Führung durch Grazer Klostergärten ist gut besucht – beinahe zu gut: Denn das Sprechen zu mehr als 30 Besuchern fordert die stimmlichen Kapazitäten. Kurz überlegt Helga Zuser, Gäste ohne Zählkarten wieder nach Hause zu schicken. Doch die Barmherzigkeit siegt.

Karl Buresch in seinem Element: Die Natur hat er in der Pension wiederentdeckt. (c) Thomas Frühwirth
Unter einem knorrigen Baum inmitten des Kreuzganges: Fremdenführerin Zuser schildert die bewegte Geschichte des Minoritenordens, der sich bereits im 13. Jahrhundert in Graz angesiedelt hat. Neben Seelsorgeaufgaben gedeihen hier Musik, Literatur und bildende Kunst: Im Kulturzentrum unter Leitung von Johannes Rauchenberger herrscht reger Betrieb. Heute ist die Kirche ein beliebter Wallfahrtsort: Als Pietro de Pomis, der Maler des Altarbildes, erblindete, flehte er in seiner Not zu Maria – und das Heilungswunder geschah. Zum Dank arbeitete er an dem Gemälde für Gotteslohn.

Mit Fachwissen und köstlichen Anekdoten führt Helga Zuser durch die Grazer Gärten. (c) Thomas Frühwirth
Kirschen aus Nachbars Garten
Entlang der Toskanischen Säulen des Innenhofes führt der Weg erneut ins Grüne: Im Klostergarten lädt Helga Zuser zum Genießen ein: Rosen duften, rot glänzen Kirschen an den Bäumen. Der Gärtner habe ausdrücklich zum Probieren eingeladen. Hier reifen Äpfel, die nach dem Volksmund manchen Doktor ersetzen: Geschabt schmecken sie Kleinkindern, vergoren als Cidre den Erwachsenen. Der Birnbaum hingegen habe als heidnisch gegolten – ihn sucht man in manchem Klostergarten vergebens. Einbuchtungen im Erdreich zeugen von aufgelassenen Beeten.

Im Garten der Franziskaner gedeiht der Lavendel. Die duftende Pflanze ist auch ein beliebter Mottenschutz. (c) Thomas Frühwirth
Bereits Plinius der Ältere schrieb über Botanik, Gartenbau und Arzneien. Nach dem Ideal des Heiligen Benedikt soll das Kloster „so angelegt werden, dass sich alles Notwendige, nämlich Wasser, Mühle und Garten, innerhalb des Klosters“ befinden: So ist die Autarkie des Klosters gesichert und für die notwendige Klostermedizin gesorgt.

Im Hof des Franziskanerklosters erläutert Pater Josef Höller die Solaranlage. (c) Thomas Frühwirth
Gärtner aus Leidenschaft
An einen Stamm gelehnt überblickt Karl Buresch, 71, sein grünes Reich. Seit Anfang März hilft er aus, „die Rosen in Gang zu bringen“, wie er bescheiden sagt. Alles habe seinen Anfang mit dem Blütenbaum im Kreuzgang genommen: Der Mann mit dem charmanten Schnurrbart hat sich des morschen, von Schwämmen bewachsenen Holzes erbarmt und dem Pfarrer tatkräftige Hilfe angeboten: „Die schönste Mitarbeit, die man sich vorstellen kann“, strahlt er. Dabei habe sich die Hinwendung zur Natur erst mit der Pension vollzogen. Davor habe er als Bauingenieur gearbeitet. „Die Natur“, meint er, „ist der beste Arzt“. Daher ist ihm die Wiederentdeckung der Natur ein Herzensanliegen. „Wo dem Städter ein Balkon zur Verfügung steht, kann angesetzt werden, was Freude macht“, so Buresch.

Umringt von Blüten spricht der Pater Guardian über den Sonnengesang. (c) Thomas Frühwirth
Granatäpfel aus Persien
Martin Schnedlitz hat seinen Rat bereits umgesetzt: Auf dem WG-Balkon gedeihen Kräuter und Tomaten. Der 23-jährige Student der Technischen Physik nimmt an der Klosterführung teil, um neue Facetten seiner Wohnumgebung kennenzulernen.
Im Innenhof des Hospitals der Barmherzigen Brüder kommt Helga Zuser über den Granatapfel ins Schwärmen: Er sei selbst gesünder als grüner Tee und Rotwein. Boticelli hat ihn der Madonna in die Linke gelegt. Und: Er liegt nach wie vor im Trend. 613 Kerne habe man in ihm gezählt und damit einen Verweis auf die Zahl der Gebote im Alten Testament gefunden. Auch im Fruchtsalat machen sich die bedeutsamen Kerne gut.

Rosen im Klostergarten der Minoriten: Hier blühen auch Musik, Literatur und bildende Kunst. (c) Thomas Frühwirth
Alles ist säuberlich beschriftet und gepflegt: „Unser Garten ist die beste Apotheke“, ist auf einer Tafel inmitten der Pflanzen zu lesen. Der intensive Geruch der Weinraute halte Ameisen von Speiskammern fern. Gänzlich anders duftet der Lavendel – unverzichtbarer Bestandteil des Kölner Duftwassers, das unter dem Namen „4711“ eine breite Anhängerschaft gefunden hat. Seiner beruhigenden Wirkung habe sich auch Helga Zuser vor der heutigen Führung bedient, lächelt sie verschmitzt.
Der verschlossene Garten
Einige Straßen weiter, erinnert die Pforte des Franziskanerklosters ein wenig an die Rezeption eines Hotels: Hier kommt Helga Zuser schließlich auf Hildegard von Bingen zu sprechen, die in ihren Büchern viel Nützliches über Kräuter, Pflanzen und Rezepte hinterlassen habe. Doch der Franziskanische Garten bleibt vorerst verschlossen: Noch predigt der Pater Guardian in der Klosterkirche. Auf läutende Handys reagiert er hier freilich nicht. In der Zwischenzeit kann man die „Oase der Stille“ inmitten der Grazer Altstadt genießen. Bald steht ein Bruder in der Tür, um den Hausoberen anzukündigen: Flink führt Pater Josef Höller durch den Kreuzgang und öffnet die Pforte zu einem eingefassten Stückchen Erde. Hier beginnt er inmitten von Gewächsen mit gutem Humor über das Lob der Schöpfung zu referieren: Die 33 Verse im Sonnengesang des heiligen Franziskus böten eine Fülle von Bezügen zu Christus, obwohl sie ihn nicht ausdrücklich nennen. Das Wort der Schrift, das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden, ist den Franziskanern noch heute zentral. Auch die Solaranlagen am Klosterdach werden bewundert. Zum Abschluss der Reise durch die wundersamen Gärten wird pikantes Aufstrichgewürz verteilt.
[Thomas Frühwirth]
Am Zweiten Schöpfungstag schuf Gott alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen – so erzählt das Buch Genesis. Anlässlich der 10. Langen Nacht der Kirchen führte Helga Zuser abends durch die Klostergärten der Minoriten, Franziskaner und Barmherzigen Brüder. Ein Gastartikel von Thomas Frühwirth.