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02. August 2017

5vor12 Talk zum Thema #FremdesBereichert: Das Wertvollste ist die persönliche Begegnung

Ein Bahnhof ist geradezu ein Synonym für Fremdes und Bewegung, stellte Manuela Ertl von der Flüchtlingshilfeorganisation Train of Hope fest. Und genau das war der Grund, warum der dritte „5vor12“-Videotalk der Ordensgemeinschaften Österreich am 1. August 2017 am Bahnsteig 8 des Hauptbahnhofs Wien stattfand. Gemeinsam mit Human Resources Manager Josef Buttinger, der Generaloberin Schulschwestern Sr. Maria Irina Teiner und Männerorden-Vorsitzenden Abtpräses Christain Haidinger stellte man sich gemeinsam der Frage, wann und warum #FremdesBereichert. 

Während am Bahnsteig 8 des Wiener Hauptbahnhofs rege Betriebsamkeit herrschte, Züge ankamen oder abfuhren und hunderte Fahrgäste ihrem Ziel näherbrachten, wurde im Wartehäuschen heiß diskutiert - und das ausgerechnet am heißesten Tag des Jahres punktgenau „5vor12“.

Warum gelingt es so schwer, dem Fremden Platz zu geben, um es als Bereicherung zu erleben – mit seiner einleitenden Frage brachte Moderator Ferdinand Kaineder, Leiter des Medienbüros der Ordensgemeinschaften Österreich, das Gespräch gleich auf Schiene.

Messaging schürt Urängste

Für Manuela Ertl von der Flüchtlingshilfeorganisation „Train of Hope“ liegt das Problem darin, dass „unsere Politiker, Medienleute, Kirchenoberhäupter vom Messaging her genau das verinnerlichen: Fremdes ist schlecht, Fremdes braucht man nicht, Fremdes wird nicht zugelassen.“ Das schüre die Urängste, die in jedem Menschen bis zu einem gewissen Grad schlummern. „Was wir nicht kennen, macht uns bis zu einem gewissen Grad Angst. Wenn das auch noch befeuert wird durch das Messaging, durch Leute, die wir als wichtige Persönlichkeit und als Vorbilder sehen, dann wird das als Stimmungsbild eine Katastrophe.“ Unterstützt wird diese Missstimmung auch durch eine negative Berichterstattung in gewissen Medien.

Buttinger, Ertl, Haidinger, Teiner, Kaineder (vlnr)

Ähnlich sieht es auch Josef Buttinger, Human Resources Manager bei Pedersen und Partner: „Wenn ich mit dem Fremden nicht in Berührung komme, dann habe ich das Bild, das ich in den Medien und von meinem Umfeld erfahre.“ Und weiter: „Das erinnert mich stark an die Ostöffnung. Da war ein großer Aufschrei in den Medien: Um Gottes Willen, jetzt kommen zehntausende Arbeitskräfte, die nehmen uns die Jobs weg.“ Letztendlich hätte es nur marginale Veränderungen am Arbeitsmarkt gegeben, aber bis dahin „waren es diese Bilder, die jeder in der Öffentlichkeit mitbekommen hat.“

Die Gemeinschaft von Sr. Maria Irina Teiner, Generaloberin der Schulschwestern vom 3. Orden des hl. Franziskus, hat Standorte in Österreich, Argentinien und in Texas. Das sei natürlich eine sprachliche und kulturelle Herausforderung. Ihr Credo: „Ich glaube, es ist ganz wichtig, das Unbekannte vertraut zu machen. Das merke ich vor allem in Gemeinschaften, wo es Sprachbarrieren gibt. Doch wenn ich die Sprache sprechen kann, kann ich mich mehr einbringen und miteinander in Kontakt kommen.“ Das Wertvollste sei daher die persönliche Begegnung zwischen zwei Menschen. „Gegenseitige Besuche erleben wir als sehr, sehr bereichernd. Ich habe alle Regionen bereits bereist und dabei festgestellt: Nur in der persönlichen Begegnung kann es gelingen, dass die Situation des anderen wirklich wahrgenommen wird, um so Probleme zu lösen.“ Voraussetzung sei es allerdings, diese Begegnung mit dem Unbekannten gut vorzubereiten.

Internationale Gemeinschaften ausbauen

Seine erste Begegnung mit dem Fremden hatte Abtpräses Christian Haidinger, erster Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Orden Österreichs, als Kind auf dem Bauernhof seiner Eltern. „1952 hat mein Vater auf unserem Bauernhof eine Familie aufgenommen, die aus dem ehemaligen Jugoslawien geflüchtet ist. Wir waren eigentlich nicht sehr begeistert, dass da Fremde in unsere Familie, auf unseren Hof kommen. Einige Jahre haben wir miteinander dort gelebt.“ Doch Rückblickend sei er sehr dankbar für diese Erfahrung mit dem Fremden, die er später als Student am internationalen Kolleg der Benediktiner in Rom noch einmal intensiv erlebte: „Ich bin 1966 gegen meinen Willen von meinem Abt nach Rom geschickt worden. Ich durfte dort vier Jahre lang mit Studenten aus aller Welt zusammen leben und arbeiten. Es war für mich als junger Ordensmann sehr, sehr bereichernd, fremde Kulturen kennenzulernen und zu akzeptieren.“ Diese positive Erfahrung findet auch heute noch seinen Widerhall: „ Es gibt in den Ordensgemeinschaften das klare Bemühen, internationale Gemeinschaften zu werden. Wir möchten dieses Zusammenleben fördern und ausbauen.“

Gleichzeitig machte Manuela Ertl darauf aufmerksam, dass das Christentum in der jetzigen Situation politisch vereinnahmt werde, um Grenzen und Abschottungstendenzen zu rechtfertigen. „Wir reden immer von christlichen Werten. Was im Hintergrund immer mitschwingt: Unsere Werte sind besser. Wir stehen höher in unseren Werten.“ Allerdings versuche sich auch eine muslimische Gesellschaft von christlichen Werten abzugrenzen. „In beiden Richtungen ist es missbräuchlich“, betonte Ertl, „weil weder im Koran noch in der Bibel diese Abgrenzungen da sind. Jeder Mensch ist gleich viel wert. Das wäre eigentlich, was wir aus der Religion herausziehen könnten. Das ist aber nicht das, was wir tun.“

Mehr Öffnung

Die Train of Hope-Vertreterin forderte auch eine Öffnung des Arbeitsmarktes für Flüchtlinge. „Die Leute wollen etwas tun, da geht es auch um Motivation. Sie wollen nicht zwei Jahre in einem Camp sitzen und darauf warten, dass sie ihren Bescheid erhalten. Und je früher die Integration startet, desto besser ist es für die Gesellschaft.“ Einige große Firmen würden hier vereinzelt Initiativen setzen und Volontariate anbieten, doch in Summe sei das zu wenig. „Es gibt einzelne Unternehmen, die in diese Richtung agieren“, wusste Josef Buttinger aus der Arbeitspraxis zu berichten. „Oftmals wird auch die Gesetzessituation zum Hindernis. Daher bleibt es oft bei einzelnen Initiativen.“

Dass die Forderung, die Grenzen radikal dicht zu machen, derzeit in der Bevölkerung breiten Zuspruch findet, stößt bei allen vier Talk-TeilnehmerInnen auf Unverständnis. „Abschotten ist nie eine Lösung“, betonte Sr. Maria Irina Teiner. „Wir müssen neue Wege finden, aufeinander zuzugehen und Begegnungen voll Respekt finden. Grenzen schließen, das ist der Tod.“

„Ich bin innerlich schon wütend über dieses Thema, das wir jetzt dauernd im Wahlkampf gehört haben und das wahnsinnig viel blockiert hat“, zeigte sich auch Männerorden-Vorsitzender Christian Haidinger betroffen. Wie sehr Fremdes bereichern kann, hat er erst kürzlich in seinem eigenen privaten Umfeld erfahren: „Ich habe mein Patenkind besucht, zweieinhalb Jahre alt. Die Eltern sind beide berufstätig und haben letztendlich ein Kindermädchen aus Kroatien gefunden. Die Mutter erzählte mir jetzt, sie sei überglücklich und dankbar, dass das Kind zweisprachig aufwachsen kann.“

Das Highlight-Video (8 min) und das Full-Video (51 min) zum Thema #FremdesBereichert sowie Pressefotos zum Download.

[rs]

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