Aufbruchsstimmung in Temeswar
Selbst seine beiden letzten Zähne haben schon bessere Zeiten gesehen. Braunschwarze Stummeln, die sich hinter faltigen dünnen Lippen zu verstecken scheinen, aber immerhin, der eine rechts unten, der andere links oben, erzeugen sie, wenn er lächelt, so etwas wie eine melancholische Symmetrie. Jetzt rappelt er sich aus der untersten Etage des dreistöckigen Metallbettes aus den Deckenschichten hervor. „P. Pisti, willkommen“, ruft er und lacht aus vollem Herzen. Der junge Salvatorianer P. Istvan Barazsuly, Spitzname Pisti („Steffl“), und der Obdachlose Gicu kennen sich schon seit geraumer Zeit. Vor mehr als 20 Jahren hatte die Ordensgemeinschaft das Nachtasyl in Temeswar gegründet; seit sieben Jahren ist Gicu hier ständiger Gast. Seit rund vier Jahren betreut P. Pisti freiwillig das Nachtasyl als Seelsorger, zuerst als Novize, später dann auch als geweihter Priester. „Er kennt jeden von uns beim Namen“, sagt Gicu, „ohne ihn wäre ich schon längst irgendwo auf der Straße erfroren.“ P. Pisti lächelt ob des Kompliments ein wenig verlegen. „Auch hier werden wir einiges verändern“, sagt er. „Das Nachtasyl soll nur Zwischen-, nicht Endstation sein. Was die Menschen brauchen, ist eine Perspektive. Deshalb haben wir mit der Caritas ein Konzept ausgearbeitet, wo wir den Menschen auch helfen, einen Arbeitsplatz zu finden.“ Einige Erfolge können schon vorgewiesen werden.
Der Obdachlose Gicu ist seit vielen Jahren ständiger Gast im Nachtasyl in Temeswar.
Frischer Wind
Für die Salvatorianer-Pfarre Elisabethstadt III in Temeswar war der Herbst bisher sehr ereignisreich. Ein junges Drei-Mann-Team übernahm die Verantwortung für die Pfarre. P. Istvan Barazsuly (32) wurde zum neuen Pfarrer bestellt, P. Marton Gal (31) zum Verantwortlichen für die Berufungs- und Jugendpastoral der Ordensgemeinschaft. Jüngstes Mitglied in diesem Team ist Br. Sorin Vránceanu (30), der erst im September 2017 seine ewige Profess ablegte. Ein frischer Wind weht durch die ehrwürdigen Gemäuer der Pfarre Elisabetin; es herrscht Aufbruchsstimmung. „Es war Zeit, den Jungen Verantwortung zu geben“, bringt es P. Josef Wonisch, Provinzial der Salvatorianer in Österreich und Rumänien, auf den Punkt. „Sie leisten schon lange ausgezeichnete Arbeit. Aber sie haben ihre eigenen Vorstellungen, und die sollen sie jetzt verwirklichen. Sie sollen ruhig zeigen, was sie können.“ Diesem Wunsch liegt auch zugrunde, dass seit heuer mit P. Marton das erste Mal ein „junger“ Salvatorianer in den Provinzrat berufen wurde. „Es warten genug Herausforderungen auf uns“, ist sich auch P. Pisti als neuer Pfarrer bewusst. Sowohl Kloster als auch Pfarre waren nach dem Sturz des Kommunistischen Systems im Jahr 1989 in einem desolaten Zustand übernommen worden. Seither ist unter der Federführung des kürzlich verstorbenen P. Berno Rupp, später unter P. Josef Wilfing viel Aufbau- und Renovierungsarbeit geleistet worden; ein Ende ist allerdings nicht in Sicht. Was aus dem riesigen Kloster werden soll, ob ein Teil zu einem Studentenheim oder zu einem Seminarzentrum ausgebaut werden soll, ist noch nicht entschieden. „Es liegen mehrere Konzepte vor“, sagt P. Pisti. „Für eines werden wir uns entscheiden. Stillstand wird es jedenfalls nicht geben.“ Erst vor einem Jahr war das Dach des Klosters unter erheblichen finanziellen Anstrengungen erneuert worden. Vor einigen Jahren schon hatte die Gemeinschaft die Idee, Sonnenkollektoren für das Kloster aufzustellen, um auf Dauer die Betriebskosten des Hauses so niedrig wie möglich zu halten. Im Vorjahr wurde der Vorgarten auf das notwendige Niveau gebracht und wurden die Kollektoren installiert. Die ganze Pfarrgemeinde hatte mitgeholfen.
P. Istvan Barazsuly, Spitzname Pisti, der neue Leiter der Salvatorianer-Pfarre Elisabethin in Temeswar.
Fotos: Manu Nitsch
„Dieses Gemeinschaftsgefühl möchte ich als neuer Pfarrer stärken“, sagt P. Pisti. Geplant ist, dass die Gemeinde mehr Mitspracherecht erhalten und mehr in die Aktivitäten der Pfarre eingebunden werden soll.“ Bei seiner Antrittsrede zitierte der junge Salvatorianerpater das markante Bild des Weiderutenstocks, der einzeln ohne Probleme zerbrochen werden kann; ein Bündel von Stöcken jedoch ist unzerbrechlich. „Wenn wir zusammenhalten, können wir vieles erreichen“, zeigt sich P. Pisti selbstbewusst. „Das heißt aber auch, wir müssen mehr mit den Menschen sprechen. Und das bedeutet, dass wir auch unsere Kommunikation verbessern werden.“ Im Moment fehlt sogar das Notwendigste. P. Pisti ist gerade daran, eine Internetseite der Salvatorianer für Rumänien aufzubauen; auch eine Zeitschrift namens „Salvatorianul“ ist nach österreichischem Vorbild geplant. Ein wöchentlicher geistlicher Impuls auf Facebook, ein Hausprospekt und Hinweisschilder auf Kloster und Kirche sollen die Basics ergänzen.
Ansprechpartner für die Jugend
„Wir möchten hier in Elisabethstadt vor allem Ansprechpartner für die Jugend sein“, sagt P. Marton Gal, verantwortlich für die Jugendpastoral. Das gelingt streckenweise bereits sehr gut; im Keller des Klosters wurde ein kleiner Jugendclub eingerichtet, der den Jugendlichen die Möglichkeit gibt, gemeinsam abzuhängen, zu quatschen oder die hausinterne digitale FIFA-Meisterschaft auszutragen. Mittendrin sind die jungen Patres. P. Pisti hält sogar unangefochtenen die Spitze der Champions League. Aber das ist nur der Anfang. Geplant ist, ab Sommer 2018 nach österreichischem Vorbild des „Freiwilligen Ordensjahres“ das Mitleben und Mitarbeiten im Kloster anzubieten. Zielgruppe sind junge Menschen aus der Diözese, die das Leben im Salvatorianerkloster in tätiger Weise erleben und die Ordensgemeinschaft unterstützen möchten. Ab dem Frühjahr 2018 sind Orientierungstage für Schulabgänger geplant. Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse (16- bis 17jährige), insbesondere vom bischöflichen und vom deutschen Gymnasium, sollen darin unterstützt werden, eine zur eigenen Persönlichkeit passende berufliche Perspektive zu finden; dabei soll durchaus auch das Interesse für kirchliche Berufe geweckt werden. „Uns geht es in unseren Bemühungen gar nicht so sehr darum, junge Männer für den Eintritt in den Salvatorianerorden zu gewinnen“, sagt P. Marton. „Wir wollen Männer und Frauen darin unterstützen, in ihren Lebensentwürfen nach Gottes Wirken zu fragen und ihre je eigene Lebensform und Aufgabe, zu der sie von Gott gerufen sind, zu entdecken – sei es in einer Ordensgemeinschaft oder auf ihrem eigenen gottgebenen Lebensweg.“
[rs]