Karriere nach unten – oder: Eine Schatzsuche
Heute arbeitet die Theologin in einer Wäscherei - nah an Menschen, die sie brauchen. (c) privat
"Als ich meine Gemeinschaft kennengelernt habe, war ich 33 Jahre alt. Ich war als Theologin im christlich-muslimischen Dialog engagiert und hatte eine spannende Arbeitsstelle in einem Dialog-Forum in Istanbul, einer Stadt, die ich sehr liebe. Ausgerechnet hier bin ich auf die Kleinen Schwestern Jesu gestoßen, eigentlich eher nebenbei, auf Anregung von einem lieben Freund. Ich wollte nur zum Abendessen zu Besuch kommen und zur gemeinsamen Anbetung … Doch bald kam ich regelmäßig, jeden Donnerstag, und stellte fest, dass da etwas war, das mich unwiderstehlich anzog. „Hier ist mein Platz!“, hörte ich eine Stimme in mir, die sehr sicher und fest klang.
Ich hatte nicht vor, Ordensfrau zu werden!
Ich war mir hingegen nicht so ganz sicher, was ich von ihr halten sollte. Zwar entdeckte ich nach und nach, wie viel vom Leben und von der Ausrichtung der Kleinen Schwestern das traf, was ich leben wollte: Aber ich hatte nicht wirklich vor, Ordensfrau zu werden! Die Kirche braucht Laientheologinnen, davon bin ich überzeugt, und mein Einsatz für den Dialog machte Sinn und begeisterte mich. Ich wusste mich auf meinem Weg gesendet, von Gott begleitet und geführt.
Eine leise Sehnsucht
„Jetzt etwas ganz anderes wagen?“, fragte ich mich. Doch, da war schon auch immer wieder das Gefühl in mir, dass ich bei aller Begeisterung für das, was ich lebte, noch nicht ganz an meinem Platz war. Eine leise Unruhe in allem, vielleicht grundgelegt in einem Erlebnis in Assisi, das mir erst jetzt wieder in den Sinn kam: Ich war 17 Jahre alt und stand in dem Haus, in dem die Heilige Klara mit ihren Gefährtinnen lebte. Da hörte ich in mir ganz plötzlich die Sehnsucht: „Das will ich auch leben!“ – das kam unerwartet.
Ich war damals frisch verliebt, ausgerichtet auf Matura, Führerschein, Studium … So verebbte diese Stimme wieder, wenn sie sich auch in verschiedenen Etappen meines Lebens immer wieder leise hörbar machte. Es war vielleicht so wie mit dem Schatz im Acker, von dem Jesus erzählt: „Eine Frau entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein“ (etwas frei übersetzt nach Mt 13,44).
Auf Gott vertrauen
Ich brauchte viel Zeit, um schließlich auf diesen Ruf Antwort geben zu können – und „Geburtshelfer“, wie den Freund, der mich zu den Kleinen Schwestern geschickt hat. Von ihm habe ich gelernt, meiner tiefsten und authentischsten Sehnsucht auf die Spur zu kommen und darauf zu vertrauen, dass sie von Gott in mich gelegt ist.
„In ihrer Freude verkaufte die Frau alles, was sie besaß, und kaufte den Acker.“ Manche taten sich schwer mit meiner Entscheidung, in einen Orden einzutreten, besonders auch, weil wir Kleinen Schwestern einfache, ungelernte Arbeiten ausüben, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen und den einfachen Leuten nahe zu sein. Wir orientieren uns dabei an Jesus, der so viele Jahre in Nazareth als Handwerker gelebt hat, mitten unter seinen Leuten.
Ein Bruch ist vorprogrammiert
„Wirfst du nicht deine Talente weg? Du hast so lange studiert, so viel in deine Ausbildung investiert. Und jetzt sortierst du Schmutzwäsche in einer Wäscherei?“ Diese „Karriere nach unten“ irritiert die einen, beeindruckt die anderen – und hat sich doch für mich ganz natürlich ergeben. Ja, da war ein Bruch mit dem, was ich vorher gelebt habe. (Vielleicht gehört das bei jedem Ordenseintritt dazu … ) Ein Bruch im Übrigen, der sich auf so vieles mehr bezogen hat als nur auf meinen Beruf. Es braucht z. B. Zeit, um nach Jahren des alleine Lebens hineinzuwachsen in den Rhythmus und die Dynamik einer Gemeinschaft. Aber nie dachte ich, ich würde etwas wegwerfen, das Gott als Talent in mich hineingelegt hat. Ich habe vielmehr das ganze Paket, das mich ausmacht, zurück in Seine Hände gelegt, „zur freien Verfügung“. Nicht mehr ich wähle nun aus, wem meine Talente zu Gute kommen.
Geleitet von der Freude
Und Gott ist sehr kreativ darin, die Fäden meines Lebens aufzugreifen und neu zu verknüpfen. Meine Sprachkenntnisse zum Beispiel brauche ich jetzt zwar nicht mehr für Dialogkonferenzen. Aber ich kann bei meiner Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedensten Ecken der Welt in ihrer Muttersprache plaudern – und das hilft sehr dabei, Freundschaften und Beziehungen zu knüpfen. Die Freude, die ich spüre, wenn ich an all die Menschen denke, mit denen ich den Arbeitsalltag teile, und das Leben in unserem Stadtviertel – die Freude darüber, zu ihnen zu gehören, eine von ihnen zu sein: Diese Freude sagt mir, dass ich an meinem Platz bin.“