
„Nicht Hure, sondern Freier ist das Schimpfwort.“
Ein Aufruf zum Umdenken – besonders für Männer
„Menschenhandel läuft oft nach dem gleichen Muster ab: Mit falschen Versprechen werden Menschen in ein Zielland gelockt und sind dann dort den Profiteuren und Kriminellen ausgeliefert.“ P. Hans Eidenberger weiß, wovon er spricht. Als Mitglied der oberösterreichischen Initiative gegen Menschenhandel begleitet er seit Jahren Opfer, die in Europa – auch in Österreich – in Zwangsprostitution geraten.
Ein Fall aus Oberösterreich zeigt die Realität: Eine Frau mit sichtbaren Spuren von Gewalt kommt ins Krankenhaus. Doch sie schweigt. „Ihr einziger Wunsch war, mit ihrer Familie in Rumänien zu telefonieren und zurückgebracht zu werden. Sie hatte große Angst, dass ihrer Familie etwas passieren könnte.“ Wo es aber keine Aussage gibt, bleiben die Täter unbestraft. Ein strukturelles Problem, sagt Eidenberger: „Es herrscht ein starkes juristisches Ungleichgewicht zwischen den kriminellen Akteuren und den Opfern.“
Österreich ist nicht nur Durchgangsstation, sondern auch Zielort für Menschenhandel. Besonders betroffen: Frauen und Mädchen aus Osteuropa, oft aus sozial schwachen Verhältnissen. „Es sind Menschen aus vulnerablen Gruppen – mit geringem Selbstwertgefühl, wenig Bildung und ohne Möglichkeit, sich gegen kriminelle Organisationen zu wehren.“ Diese geraten in vollständige Abhängigkeit – eine moderne Form der Sklaverei.
Emotionale Fesseln statt eiserner Ketten
Die Ursachen sind vielfältig: wirtschaftliche Not, patriarchale Gesellschaftsstrukturen, emotionale Manipulation. „Früher legte man den Menschen Metallketten um. Heute sind es emotionale Ketten, die den Frauen angelegt werden, um sie in der Abhängigkeit zu halten.“ Viele stammen aus zerrütteten Familien. Die Täter bauen auf emotionale Nähe – und nutzen sie aus.
Nach außen hin funktioniert das doppelte Leben, das die Frauen führen – doch innerlich zerbrechen viele daran. Die Familien zu Hause wissen oft nicht, dass ihre Tochter oder Ehefrau zur Prostitution gezwungen wird. „Sie telefoniert nur noch mit ihren Kindern, die von der Großmutter betreut werden. Zu Ostern und Weihnachten sollen Geschenke die unmenschliche Realität überdecken.“

P. Hans Eidenberger bei der Solwodi-Jubiläumsfeier 2023: „Es braucht Männer, die als Vorbilder wirken und öffentlich sagen: Echte Männer kaufen keine Frauen.“ © Martin Eder
„Prostitution ist keine Frauenfrage – es ist ein Männerproblem.“
Die Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – Aktiv für Menschenwürde“, gegründet 2014 von Sr. Maria Schlackl SDS, arbeitet unter dem Dach des Vereines SOLWODI Österreich (Solidarity with Women in Distress) – einer Initiative österreichischer Ordensfrauen. In einem Wiener Schutzhaus finden zehn Frauen und ihre Kinder Zuflucht – abseits von Gewalt, Ausbeutung und Zwang. „Diese Frauen lebten in einer anderen Welt, in der oft auch Drogen und Alkohol im Spiel waren. Der erste Schritt ist der allerschwierigste – heraus aus diesem Netzwerk der Überwachung und Einschüchterung.“
Doch Hilfe allein reicht nicht. Eidenberger fordert ein Umdenken in der Gesellschaft – und setzt sich für das sogenannte „Nordische Modell“ ein. Dieses beruht auf vier Säulen:
- Entkriminalisierung der Opfer – damit sie keine Angst vor Strafen haben müssen.
- Staatliche Ausstiegshilfen – durch finanzielle und berufliche Unterstützung.
- Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung – bereits in Schulen beginnend.
- Sexkaufverbot – „Nicht die Frau gehört bestraft, sondern der Mann, der kauft.“
„Prostitution ist keine Frauenfrage“, betont Eidenberger, „es ist ein Männerproblem.“
Ordensleute als Helfende an den Rändern
Dass Ordensgemeinschaften hier engagiert sind, hat Tradition. Schon der Ordensgründer der Marianisten, der selige Wilhelm Josef Chaminade, arbeitete um 1800 in einem Frauenhaus. Auch heute schaffen Schutzräume wie das Haus in Wien Übergänge: „Es braucht einen Ort, wo Menschen diesen Übergang schaffen können. Die ersten Monate dienen nur der Stabilisierung.“
Ein Appell an die Gesellschaft
„Nicht Hure sollte das Schimpfwort sein, sondern Freier“, stellt Eidenberger klar. Der Mann, der kauft und keine Verantwortung übernimmt, sei das eigentliche Problem. „Die Frau aber, die in ihrer Notsituation Geld verdienen wollte, ist zu achten und zu schätzen.“
Wer sich gegen Menschenhandel engagieren und den Opfern helfen möchte, kann das z.B. mit einer Spende zugunsten von SOLWODI tun. Das Schutzhaus finanziert sich ausschließlich durch Spenden. „Wir bekommen vom Staat nichts“, sagt Eidenberger.
Die IBAN für Spenden an den Verein SOLWODI Österreich lautet AT55 3200 0000 1162 4640.
„Orden on air“ – der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich
Das Medienbüro hat im März 2022 mit dem Podcast „Orden on air“ einen neuen Medienkanal der Ordensgemeinschaften Österreich ins Leben gerufen. Und der Name ist Programm: Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich holt Ordensfrauen und -männer vor den Vorhang und – im wahrsten Sinne des Wortes – vor das Mikrofon. Ziel ist es, interessante Persönlichkeiten und besondere Talente vorzustellen sowie das Engagement von Ordensleuten in den vielfältigen Bereichen des Lebens zu zeigen. Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich ist überall zu hören, wo es Podcasts gibt.
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Alle Folgen von „Orden on air“
Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – Aktiv für Menschenwürde in OÖ“
[markus lahner]