Katholische Volksschulen fordern besseres Krisenmanagement seitens der Bundesländer
Miriam Scharler und Petra Brunner vom Kriseninterventionsteam an Schulen Tirol. (c) ÖOK/emw
Die beiden Tiroler Krisenpsychologinnen Miriam Scharler und Petra Brunner waren im Rahmen des Symposiums als Expertinnen geladen. Gleich zu Beginn ihres Workshops stellten sie klar, was Krisen sind und was nicht, nämlich: „Krisen sind unvorhergesehene Ereignisse, bei der Menschen ihr seelischen Gleichgewicht verlieren und die sie im Augenblick nicht bewältigen können. Betroffene verspüren eine große Hilflosigkeit und Überforderung.“
Klassische Krisen seien etwa Tod eines Schülers, einer Lehrperson oder eines Elternteils. Auch eine schwere Erkrankung oder ein Unfall eines Kindes, Gewalt an der Schule, Katastrophenereignisse wie das Attentat in Wien und Missbrauch zählen dazu.
Warum ist eine Definition von Krise wichtig? „Nicht alles ist eine Krise“, so die Antwort der beiden. Aber man müsse wissen, wann welches Handeln erforderlich ist. Es sei unerlässlich, dass eine Schule auf Krisenereignisse vorbereitet ist und bei ihrem Eintreten nicht handlungsunfähig ist.
Tritt eine Krise an einer Schule auf, hilft das Kriseninterventionsteam Tirol schnell und unkompliziert - ein Vorbild für ganz Österreich. (c) ÖOK/emw
Krisenmanagement essenziell für Bewältigung einer Krise
Ein erster Schritt für aktives Krisenmanagement ist die Erstellung eines schulinternen Krisenteams. „Das sind vier bis fünf Personen, die bei einer Krise für das aktive Krisenmanagement zuständig sind.“
Doch Obacht, Krisenmanagement an Schulen sei nicht dafür da, um mit den Betroffenen zu arbeiten, sondern einzig und allein, um den Schulalltag für die Schüler:innen zu konstruieren, denn, so das Credo der beiden: „Ein aufrechter, geregelter Schulalltag bietet den Kindern einen Ort der Sicherheit und der Vertrautheit. “
Wichtig sei, dass das Krisenteam genau weiß, was es zu tun hat. „Die Aufgaben gehören im Vorfeld genau definiert und kommuniziert: Wer informiert wann wen? Wer kommuniziert nach draußen? Wer spricht mit den Schüler:innen, wer mit den Eltern?“ Wichtig ist, dass sämtliches Vorgehen an der Schule mit dem Krisenteam abgesprochen ist.
Was passieren kann, wenn das nicht der Fall ist, zeigte der Fall einer Teilnehmerin.
Zu Beginn des Vortrages wurde mit den Teilnehmenden definiert, welche Ereignisse Krisen sind. (c) ÖOK/emw
Krisen nur mit Betroffenen Schüler:innen behandeln
Diese berichtete, dass an der Schule ihrer Tochter ein Elternteil Suizid beging und eine Lehrerin das Thema ungefragt auch mit den Schüler:innen einer fremden Klasse besprach. Die Folge war, dass manche Kinder in der Klasse große Angstzustände erlitten, nicht mehr schlafen konnten und Panik bekamen, wenn ihre Eltern den Raum verließen – eine übliche Reaktion von Kindern, wenn sie mit Suizid von Elternteilen konfrontiert werden, versicherten Scharler und Brunner.
Kindern Wege aus der Hilflosigkeit zeigen
Die Antwort des Krisenteams auf dieses Vorgehen fiel deutlich aus: „Das war falsch. Wir sprechen über das Krisenereignis nur mit der betroffenen Klasse, das nennen wir ‚Klassenintervention‘ und auch für deren Ablauf gibt es klare Regeln und Bausteine. In allen anderen Klassen muss das Lehrpersonal genau hinhören, ob eine Intervention überhaupt notwendig ist, oft ist sie das nicht. Es geht nicht, so ein sensibles Thema, und Suizid ist nochmal ein besonders sensibles Thema, in eine fremde Klasse zu tragen.“
In dem Fall habe die Lehrkraft die Kinder nicht nur ungebeten informiert, sondern die Kinder auch in ihrer Hilfslosigkeit und Angst allein gelassen. „Wenn wir eine Krisenintervention in einer betroffenen Klasse haben, sagen wir den Kindern, dass es ganz normal ist, jetzt Angst um die Eltern zu haben und dass sie das den Eltern auf jeden Fall sagen müssen.“
Wichtig sei immer, egal ob in betroffenen Klassen oder in der Schule, den Schüler:innen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln und einen weitgehend normalen Schulalltag aufrechtzuerhalten. „Bitte geben Sie den Kindern nicht extra frei, aber verzichten sie ein, zwei Wochen lang auf Prüfungen oder Schularbeiten.“
Die Themen wurden von den Teilnehmenden in Einzelgruppen diskutiert. (c) ÖOK/emw
Krisenmanagement in den Bundesländern uneinheitlich
Rund um den Vortrag entspannte sich eine lebhafte Diskussion der Teilnehmenden, wie Krisenmanagement in den Bundesländern gelebt wird, nämlich uneinheitlich. Eine Teilnehmerin berichtete, dass in ihrem Bundesland zwar Krisenmanagement mit Konzepten – wie aktuell etwa zu einem möglichen Blackout – vorgeschrieben sind, es aber kaum Hilfestellungen dafür gebe. Sie sind auf sich allein gestellt. Manche Teilnehmenden mussten zuerst Google befragen, ob es in ihrem Bundesland eine Anlaufstelle für Krisenmanagement, wie jene in Tirol, gibt.
Vorbild Tirol
Der Tag zeigte auf, dass die Bildungsdirektion Tirol mit ihrem Krisenmanagement einen vorzeigbaren Sonderweg geht, der bundesweite Nachahmung empfiehlt: Krisen- und Notfallpsycholog:innen wie Petra Brunner und Miriam Scharler können im Bedarfsfall von allen Tiroler Schulen – von den Volksschulen über AHS bis zu den Berufsschulen – im Krisenfall angefordert werden, dann gibt es entweder eine umfassende telefonische Beratung oder die Intervention vor Ort, je nachdem, was die Schule braucht. Auch stellen sie viele Hilfsmittel für Schulen, wie Bausteine eines Elternbriefes, und Hintergrundwissen auf der Website bereit.
Forderung: Krisenmanagement bundesweit verankern
„Es wäre höchste Zeit, Krisenmanagement an Schulen bundesweit zum Thema zu machen, zu vereinheitlichen und Einrichtungen zu schaffen, die betroffenen Schulen schnell und unkompliziert nach dem Vorbild Tirols Hilfe zukommen lassen“, fasst Clemens Paulovics, Bereichsleiter für Ordenschulen der Österreichischen Ordenskonferenz, die Stimmung am Ende des Tages zusammen.
[elisabeth mayr-wimmer]