Franziskaner: Wir brauchen Brückenbauer
Provinzialminister P. Fritz Wenigwieser: "Niemand im Franziskanerorden will oder kann die Meinungs- oder Gewissensfreiheit von Brüdern unterdrücken." (c) Franziskaner
Dialog mit Andersdenkenden suchen
Um den Schutz vulnerabler Menschen zu gewährleisten, müsse der Dialog mit Andersdenkenden gesucht werden; dazu brauche es aber Brückenbauer. "Die Auseinandersetzung macht nicht an unseren Türen halt", schreibt Provinzialminister P. Fritz Wenigwieser in der aktuellen Ausgabe des "antonius". Unter den mehr als 100 Mitbrüdern seien "wie in der Gesellschaft etwa zehn Prozent skeptisch oder ablehnend, was die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung betrifft." Das stelle einen Oberen vor Herausforderungen menschlicher aber auch organisatorischer Art. Ihn persönlich beschäftige die "Sorge um zerbrechende Beziehungen und das Miteinander" sehr und er habe, auch dank entsprechender Vorsichts- und Vorbeugemaßnahmen, "inzwischen weniger Angst vor dem Virus als davor, wirklich Menschen zu verlieren". Wichtig seien Vorkehrungen zum guten Zusammenleben, denn: "Niemand im Franziskanerorden will oder kann die Meinungs- oder Gewissensfreiheit von Brüdern unterdrücken", denn dies widerspräche klar dem heutigen Verständnis von Gehorsam.
Das Magazin "antonius. Franziskanisches Magazin für Evangelisierung und Leben" ist in allen Franziskanerkirchen in Österreich und Südtirol oder unter www.franziskaner.at erhältlich.
Schutz vulnerabler Menschen
Mit Impfskeptikern und Maßnahmenkritikern müsse weiter das Gespräch gesucht werden, betonte Wenigwieser, denn: "Menschen mit anderer Meinung sind keine Verlierer oder 'Loser'." Gleichzeitig sei er als Provinzialminister und seien alle Oberen dazu verpflichtet, auch auf die vulnerablen Menschen in einer Gemeinschaft zu achten und sie zu schützen. Vulnerabel sind jene Menschen, die vom Virus besonders gefährdet sind, genauso wie andere, die sich im
Zuge von Polemiken in eine schier unerreichbare Isolierung verstrickt haben. Dies sei eine große Herausforderung, doch: "Wir alle haben jetzt vor allem eine Aufgabe: Wir müssen Brücken bauen und Emotionen abbauen", betont P. Josef Höller, Guardian und Pfarrer in Graz. Eine andere Haltung entspräche auch nicht der Brüderlichkeit, zu der Ordensgründer Franziskus anmahnt hatte.
Fundamentaltheologe und Philosoph P. Dominikus Kraschl: "Zur Leitungsverantwortung gehört das Recht und bisweilen auch die Pflicht, praxisbezogene Regelungen zu erlassen." (c) Franziskaner
Acht Statements
In acht Statements setzen sich Brüder aus den verschiedensten Gemeinschaften mit den vielfältigen Aspekten von Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit auseinander. So stellt zum Beispiel der Fundamentaltheologe und Philosoph P. Dominikus Kraschl die Frage, wie weit das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Kirche reicht. Sein Fazit: "Zur Leitungsverantwortung gehört das Recht und bisweilen auch die Pflicht, praxisbezogene Regelungen zu erlassen und über ihre Einhaltung zu wachen", so der Salzburger Franziskaner. Und weiter: "Wenn er den Eindruck hat, dass die Verbreitung bestimmter Auffassungen, die als solche mit dem Glauben der Kirche vereinbar sein können oder jedenfalls nicht als Lehre der Kirche ausgegeben werden, die Einhaltung dieser Regelungen untergraben oder die Einheit im Bistum gefährden, kann er deren öffentliche Verbreitung gegebenenfalls untersagen." Da man allerdings nicht pauschal behaupten könne, Corona-skeptische Äußerungen stünden im Widerspruch zur Kirchenlehre, sei für jede Einschränkung das prinzipielle Recht auf freie Meinungsäußerung gewissenhaft zu prüfen und die Angemessenheit auch rechtzufertigen.
Das Magazin "antonius. Franziskanisches Magazin für Evangelisierung und Leben" ist in allen Franziskanerkirchen in Österreich und Südtirol oder unter www.franziskaner.at erhältlich.
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Quelle: kathpress; Franziskaner
[robert sonnleitner]