„Wir werden Corona überleben“: Sr. Barbara Flad im Interview
Sr. Barbara Flad im Skype-Interview: Zum Glück gehts allen erkrankten Schwestern gut! (c) Medienbüro
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Sr. Barbara, wie ist die Lage im Krankenhaus Zams zurzeit?
Zum Glück ist alles ruhig, wir haben uns gut in die neue Situation eingefunden. Gleich als die ersten Covid-19 Infektionen aus dem Paznaun kamen und es klar wurde, dass es uns als zentrales Krankenhaus für die Region treffen wird, haben wir in den Krisenmodus geschalten. Zweimal am Tag haben wir „Krisensitzung“, wo sich die Einsatzleiter zu einer Lagebesprechung treffen. Ich bin beeindruckt, wie gut die Zusammenarbeit und Kommunikation funktioniert. Es ist immer klar was zu tun ist.
Was genau ist Ihre Aufgabe im Krankenhaus?
Ich bin als Leiterin der Krankenhausseelsorge Teil des Krisenstabs und arbeite auch eng mit Psychiatrie und Psychologie zusammen. Vor Covid-19, das einfach viele Ressourcen im Krankenhaus bündelt, haben wir in der Seelsorge alle Stationen besucht, das fällt jetzt weg. Jetzt kümmern wir uns ausschließlich um die schwer erkrankten Patienten.
"Wir werden das schon überleben", Sr. Barbara Flad von den Barmherzigen Schwestern. (c) fk
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Angehörige dürfen aufgrund der strengen Covid-19 Verordnungen nicht mehr ins Krankenhaus, hilft hier die Technik?
Auf jeden Fall! Wir versuchen, so gut wie möglich, Kontakt zwischen Patienten und Angehöriger via Skype und WhatsApp herzustellen.
Ganz wichtig ist der Moment, wenn der Patient auf die Intensivstation verlegt wird und es ist nicht klar ist, ob die Familie jemals wieder miteinander sprechen werden können. Diese Gesprächssituationen versuchen wir zu begleiten.
Das muss für Angehörige sehr hart sein ...
Man kommt oft in Situationen, die einem fordern – gerade letztens hat ein Patient von uns einen Sterbesegen erhalten und der Sohn war digital dabei. Währenddessen ist der Vater verstorben. Der Sohn hat seinen Vater digital sterben sehen.
Dadurch, dass keine Angehörigen mehr ins Krankenhaus kommen steigt die Belastung des Personals enorm. Nicht wenige Mitarbeiter entwickeln das Gefühl, für den Angehörigen in der Betreuung einspringen zu müssen. Und das ist halt eine Überforderung. Es geht nicht, plötzlich für viele Patienten Angehöriger zu sein. Natürlich sind wir da und versuchen den Patienten bestmöglich zu betreuen, aber Angehörige ersetzt man nicht. Denken wir daran, wenn ein Patient im Sterben liegt und Angehörige stundenlang seine Hand halten, streicheln, sich verabschieden – das können wir so gar nicht auffangen. Und das ist hart, für uns, für Angehörige und auch Patienten.
Was wird gemacht, wenn ein Patient gestorben ist?
Bis vor kurzem durften noch zwei Personen zur Verabschiedung kommen, das ist jetzt nicht mehr möglich. Was wir jetzt anbieten ist, dass wir jeden Verstorbenen fotografieren und den Angehörigen das Foto, sofern sie dies möchten, schicken. So haben sie zumindest etwas. Und wir bieten auch ein Gespräch an, so versuchen wir, die Angehörigen begleiten.
Zur Zeit wohnen Sie im Krankenhaus, aber eigentlich leben Sie im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in Zams, wo letzte Woche 44 Schwestern an Covid-19 erkrankt sind. Wie geht es Ihren Mitschwestern heute?
Es geht zum Glück allen gut. Alle Schwestern haben einen milden Verlauf, obwohl der Altersschnitt bei 80 Jahren liegt. Eine Mitschwester hat sogar einen Lachanfall bekommen als sie die Nachricht von der Coronadiagnose bekommen hat: Das kann nicht sein, ich bin topfit! Das ist ein Fehler!
44 Schwestern isolieren, wie sind Sie da vorgegangen?
Am 22. März kam die erste Nachricht, dass eine Schwester Covid-positiv war. Wir haben sofort eine Zimmerisolation verordnet. Für die Schwestern, die nur kleine Zimmer mit zehn Quadratmeter ohne TV, Laptop und Smartphone haben, ist das hart. Dann wuchs die Zahl der Infizierten, und ich habe das Klösterle Kronburg vorbereiten lassen. Ich dachte mir: Dann gibt’s eine klare Trennung, im Klösterle sind die Kranken und in Zams die gesunden Schwestern. Aber auch das Klösterle war bald zu klein. Jetzt gibt es zwei Isolierstationen und einen kleinen Bereich, wo die Covid-negativen Schwestern rumwuseln.
Das Krankenhaus St. Vinzenz in Zams, das von den Barmherzigen Schwestern betrieben wird, ist aktueller Wohnort für Sr. Barbara. (c) fk
Wie lebt es sich in Gemeinschaft, wenn es zwei Isolierstationen gibt?
Sie leben jetzt in unseren Corona-WGs mehr in Gemeinschaft als davor. Alle Infizierten dürfen sich begegnen, und es hat sich ein neuer Tagesablauf eingependelt, damit genug Zeit zum Gesundwerden bleibt.
Denkt man schon an die Osterfeierlichkeiten?
Wir haben das Glück, dass die Quarantäne in der Osterwoche zu Ende geht, und wir haben auch einen Priester in Zams, der dann, sofern er wieder fit ist, die Osterliturgien mit uns feiern kann.
Der leichte Krankheitsverlauf widerspricht den medialen Darstellungen, dass vor allem ältere Personen schwerer an Corona erkranken. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Das was medial kolportiert wird, können wir in der Praxis nicht bestätigen. Wir merken auf der Intensivstation, dass dort hauptsächlich Jüngere, zwischen 40-60 Jahren, ohne Vorerkrankungen liegen. Also, eine schlimme Vorerkrankungen heißt nicht automatisch auch schlimmer Verlauf. Warum es den Schwestern gut geht: Wird’s den Herrgott halt doch geben!
Hat es mal eine Zeit gegeben, an dem die Angst überhandnahm? Hat das amtliche „Ich bin positiv“ Auswirkung auf die Psyche?
Viel ist psychisch! Du fängst auf eine ganz andere Art an, in dich hineinzuhören: Ah, die Brust tut weh, hab ich Husten? Im Darm grummelt‘s, krieg ich Durchfall? Auch die, die Corona haben, machen sich viele Gedanken. Zum Glück gab es viele, denen es von vorneherein gut gegangen ist, und das gab den anderen viel Hoffnung! Und: Was bei uns Schwestern noch dazukommt, ist die Gelassenheit: Wir wissen ja, selbst wenn wir jetzt sterben, kommt noch etwas echt Schönes.
Medial haben Sie letzte Woche viel Aufmerksamkeit bekommen, wie war das?
Letzte Woche war schlimm, jeder Tag brachte neue Hiobsbotschaften. Aber was ich als so schön erlebte, war diese riesige Welle an Solidarität. Ganz viele haben nachgefragt, wie es uns geht und ob sie helfen können. Auch viele Ordensgemeinschaften haben gesagt, wir beten für euch, wir sind für euch da. Ich bin auf einer Welle der Solidarität geschwommen, die mich und sicher auch die Schwestern durch die Zeit durchgetragen haben.
Mitten am Gang: Täglich spielt Sr. Fald für die Patienten auf dem Klavier. Das gibt Hoffnung. (c) privat
Wir sammeln zurzeit Mutbotschaften. Haben Sie etwas, dass Sie uns mitgeben können?
Das Beste, das wir füreinander tun können, ist, füreinander da zu sein, zueinanderstehen. Ich bin sicher, gemeinsam schaffen wir das. Wenn wir diesen Gedanken in die Zukunft tragen können, wäre das wunderbar.
Was wichtig ist, gut aufeinander zu schauen, auf die Gesunden wie auf die Kranken. Und dass wir merken, dass es noch etwas anderes gibt als Corona. Meine erste Aktion im Krankenhaus war, dass ich das Klavier, das auf Rollen in der Kirche steht, in den Krankenhausgang geschoben habe. Jetzt spiele ich täglich darauf, und es klingt durch mehrere Stockwerke. Die Menschen sollen spüren, es gibt ein Leben nach, vor, mit und um Corona herum. Wir werden das überleben und auch schaffen und hoffentlich was draus lernen.
[elisabeth mayr]