Wie kann und soll ein Leben in der Gemeinschaft ablaufen? Sr. Gudrun Schellner von den Franziskanerinnen der Schmerzhaften Mutter vergleicht den Wunsch nach mehr Austausch von 1968 mit heute.
Wie lebt es sich in Gemeinschaft? (c) Schauer
2/1968: Sr. Dr. Irmgardis Strausz, SDR (ausgetreten 1969)„Es ist etwas verdächtig, dass in vielen Erbauungsbüchern das gemeinschaftliche Leben im Kloster als das größte Opfer hingestellt wird. Ja freilich, wer immer wortlos am anderen vorüberzugehen hat, einen Gruß höchstens andeutend, der muss zum Dialog unfähig werden. Wann sprechen wir eigentlich zu recht miteinander? Wann geben uns die Konstitutionen die Erlaubnis zum Gedankenaustausch? In der „Rekreation“= Wir müssen uns nicht erzählen, wie es damit steht. Den einen lässt die Arbeitsordnung kaum Zeit, an ihr teilzunehmen, für die anderen ist die genormte Erholung eher eine Last. Das Gespräch lebt vom Kairos, vom rechten Augenblick, es lässt sich nicht organisieren oder institutionalisieren: weder das schwesterliche Gespräch noch die Aussprache mit den Oberen. Strenges Festhalten an der Rangordnung und fixe Sitzplätze sind der Begegnung im Wort auch nicht sehr dienlich. Denn es ist nicht ausgemacht, dass sich das Vertrauen unbedingt nach der Altersstufe verteilt. Aber da ist doch die Gefahr der „Partikularfreundschaft“! Die muss man rechtzeitig verhindern! Wieso? Gäbe es doch mehr echte Freundschaft in unseren Klöstern! Hätte jeder einen Menschen, mit dem er sich aussprechen kann, es gäbe weniger Einsamkeit. Aus ihr kommen Mißgunst und Eifersucht und alle die unguten Erscheinungen untergeordneten Zusammenseins.“
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2020: Sr. Gudrun Schellner SSM, Franziskanische Schwester von der Schmerzhaften Mutter
Das erste, das mir spontan zu dem 1968-iger Text einfällt, ist ein Zitat aus „Der Kleine Prinz“, konkret eine Gesprächsszene zwischen dem Fuchs und dem kleinen Prinzen. „Es wäre besser gewesen, du wärst zur selben Stunde wiedergekommen“, sagte der Fuchs. „Wenn du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein. Je mehr die Zeit vergeht, umso glücklicher werde ich mich fühlen. Um vier Uhr werde ich mich schon aufregen und beunruhigen; ich werde erfahren, wie teuer das Glück ist. Wenn du aber irgendwann kommst, kann ich nie wissen, wann mein Herz da sein soll ... es muss feste Bräuche geben.“
Gemeinsam miteinander sein
Für mich gibt es einen großen Unterschied zwischen konkret festgesetzten gemeinsamen Zeiten – ohne die eine Gemeinschaft nicht existieren und funktionieren kann – und der konkreten Gestaltung dieser Zeit.
Eine Gemeinschaft lebt von der Vielfalt der einzelnen Mitglieder. Dass jede Bereicherung auch immer wieder eine Herausforderung ist, erleben wir in den verschiedensten Situationen und Umständen unseres Lebens. Aber es sind genau diese Herausforderungen, die uns wachsen lassen. An der anderen Person und durch sie kann ich immer mehr ich werden. Es braucht echte Freundschaften, die in einem gesunden Miteinander offen sind für die ganze Welt – im Kleinen und im Großen. Denn das ist unser Auftrag als Ordenschristen!
Sr. Gudrun Schellner SSM
Zum Weiterlesen: Unsere Weltfrauentags-Serie
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Weltfrauentags-Serie Tag 4: Gelebte Spiritualität von Sr. Ruth Pucher |
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Weltfrauentags-Serie Tag 3: Rolle und Aufgaben einer Oberin von Sr. Margartha Tschische |
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Weltfrauentags-Serie Tag 2: Reflexion einer Achtundsechzigerin von Sr. Beatrix Mayrhofer |
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Weltfrauentags-Serie Tag 1: Aufruf zum Dialog von Erzabt Korbinian Birnbacher |
[elisabeth mayr]