Ordenstag 2025: Abtprimas Schröder über Zukunft der Orden: Fragil, aber hoffnungsvoll

Abtprimas Jeremias Schröder hielt einen Impuls zum Thema „Was Ordensleben ausmacht, immer noch“. (c) ÖOK/emw
Ordensgemeinschaften stünden vielfach unter Druck, doch Resignation sei keine Option: „Ordensleben ist immer noch möglich – fragil, aber getragen von Hoffnung“, erklärte der Benediktiner. Hoffnung sei dabei nicht mit Optimismus zu verwechseln; sie speise sich aus dem gesamten österlichen Prozess „von Karfreitag über die Leere des Karsamstags bis zur Auferstehung als unverfügbarer Neuanfang“.
Ins Zentrum seiner Ausführungen stellte Schröder das von der Ordenskonferenz im Titel der Ordenstagungen gewählte Motto „Immer noch“. Der Begriff zeige, wie sehr Ordensleben zwischen Fortdauer und Veränderungsdruck stehe. „Noch“ umfasse Bedeutungen von Resthaftigkeit über drohende Endpunkte – „die Geschichte des Mönchstums kennt viele Nahtoderfahrungen“ – bis hin zu unerwarteten Chancen. Stets gebe es einen Spannungsbogen zwischen Wunsch, Wahrscheinlichkeit und Realität, aus dem Orden eine geistliche Widerstandskraft bezögen, die Schröder als „Resilienz des monastischen Lebens“ beschrieb.
Gemeinschaft vor evangelischen Räten
Als entscheidenden Angelpunkt für die Zukunft nannte der Abtprimas die Qualität von Gemeinschaft. Ordensleben sei nicht zuerst über die evangelischen Räte zu erklären, sondern über Zugehörigkeit zu gemeinsamem Leben in tragfähiger Form. Menschen suchten Gemeinschaft, Orientierung und Einbindung in etwas Größeres, dies könne als Impuls durchaus Berufungen wecken, sei aber zugleich anfällig für Vereinnahmung und Missbrauch, gab Schröder zu bedenken. Aufgabe der Formation sei es daher, individuelle Reifung zu fördern, enthusiastische junge Menschen zu Gemeinschaftsfähigkeit mit Eigenverantwortung zu begleiten und missverständliche Begriffe wie „Ganzhingabe“ klar zu kontextualisieren.
Eine besondere Ressource für die Orden sah Schröder im Umgang mit Geschichte. Wer sich in einem Orden binde, werde „Teil einer Gemeinschaft, aber auch deren teils uralter Geschichte“, man tauche ein in eine „klösterliche Genealogie“. Viele junge Ordensmitglieder identifizierten sich bereits voll mit ihrem Kloster oder ihrer Gemeinschaft. Auch hier gelte es Vorsicht walten zu lassen: Die Weitergabe der lebendigen Tradition der Gemeinschaften stabilisiere und stifte Sinn, gleichzeitig müsse jeder Orden die eigene Vergangenheit immer auch kritisch statt einseitig-idealisierend betrachten.
„Goldstandard“ bei Missbrauchs-Aufarbeitung
Dazu gehöre ausdrücklich die konsequente Aufarbeitung von Missbrauch. Schröder verwies hier auf die österreichische Vorgehensweise mit der Einrichtung einer Opferschutzkommission, die in der Kirche weltweit als „Goldstandard“ bewertet werde. Die gefundene Lösung „scheint mir heute wirklich sehr gelungen“, auch von den Zuständigen in Rom höre man, Österreich habe damit „gezeigt, wie eine Landeskirche einen guten Weg beschreiten kann“.
Tradition könne aber auch zur Last werden, etwa wenn frühere Entscheidungen oder Strukturen heute nicht mehr tragfähig seien. Die Kunst bestehe darin, Geschichte als dynamischen Prozess zu verstehen, der Identität formt, aber Veränderung ermöglicht, so Schröder. Klösterliche Tradition sei keine Fluchtburg, sondern eine Antwort auf moderne „Unbehaustheit“, so der Benediktiner-Abtprimas. Sie müsse aber differenziert gelebt werden, um nicht in vereinfachende Identitätsmodelle abzurutschen.
Schröder illustrierte diese Haltung an Erfahrungen des Pilgerns: Reduktion, Loslassen und die Bereitschaft, Wege neu zu bestimmen, seien geistliche Grundvollzüge. Der von ihm als Administrator begleitete Umzug der Tiroler Abtei St. Georgenberg vom barocken Talstift in Fiecht in das mittelalterliche Bergkloster habe schmerzliche, aber befreiende Wirkung gehabt, führte er als Beispiel dafür an, wie „Überflüssiges abgestreift“ und Neubeginn ermöglicht werde. Die Begleitung von Pilgern zeige zudem, dass Ordensleben stets mit Unverfügbarkeit verbunden sei: Man wirke, ohne Kontrolle über die Früchte zu haben.

Podiumsdiskussion mit (v.l.) Sr. Teresa Schlackl, Verena Osanna, P. Helmut Schumacher und den Ordenstags-Referent:innen Veronika Prüller-Jagenteufel, Martin Dürnberger und Abtprimas Jeremias Schröder, moderiert von Gabi Eder-Cakl. (c) ÖOK/emw
Hoffnung auch durch Abschließen
Im Anschluss an die Rede des Abtprimas führte ein Podiumsgespräch mit den Vortragenden des Tages die Inhalte weiter und zeigte durch die Beiträge der Tagungsteilnehmer Anschlusspunkte im Ordensleben sichtbar. Für viele Rückmeldungen sorgte das vom Theologen Martin Dürnberger eingebrachte Gesellschaftsbild einer abwärts gehenden „Rolltreppe“. Eine Ordensoberin berichtete, sie habe zehn Konvente schließen müssen und dennoch Hoffnung behalten, habe sie doch erfahren: „Wenn du abbaust, baust du Zukunft.“ Sie verwies auf das Bild vom Weizenkorn, das nur sterben könne, weil es Leben in sich trägt. Dürnberger nannte dies „Exnovation“: das würdige Abschließen von Entwicklungen.
Viele und mannigfaltige Beispiele fanden die Anwesenden zu „Hoffnungsorten“ aus der Ordenswelt. „Gesprächsinsel“-Leiterin Verena Osanna berichtete von der Erfahrung, dass Trost durch das gemeinsame Aushalten von Trauersituationen gespendet werden könne. P. Helmut Schumacher vom Kardinal-König-Haus hob die Bedeutung von Räumen des Humors hervor, in denen „übereinander Lachen“ möglich sei, besonders in einer Zeit wachsender gesellschaftlicher Spannungen. Sr. Teresa Schlackl sprach von der Möglichkeit eines „stellvertretenden Hoffens“, etwa im Krankenhausdienst, wo Ordensfrauen täglich Nähe schenken, wenn anderen die Kraft fehlt.
Mehrere Ordensfrauen kritisierten eine Fixierung auf Nachwuchs beim Reden von Hoffnung in ihrem Alltag. Eine 94-jährige Schwester, die anderen mit Gestricktem Freude macht, sagte: „Wichtig ist, dass man jeden Tag schaut, was man für andere tun kann.“ Eine junge Ordensfrau betonte, sie fühle sich nicht verantwortlich für das Überleben der Orden, Hoffnung entstehe für sie vielmehr durch viele kleine „Lichtpunkte“ im Land. Abtprimas Schröder sah das Hoffnungszeugnis der Orden auch in ihrem treuen Begleiten bis an die Grenzen des Lebens. Orte, an denen Gemeinschaft „als Ganze Erlöstheit ausstrahlt“, könnten auch künftig Hoffnung für Kirche und Gesellschaft sein.
Quelle: kathpress