Friede beginnt im Inneren – Sumaya Farhat-Naser beim Kärntner Ordenstag

Sumaya Farhat-Naser: „Friede ist kein Zustand, der von außen verordnet werden kann, sondern eine Haltung, die aus Einsicht, Demut und der Fähigkeit zu Vergebung entsteht.“ © P. Siegfried Stattmann OSB
Als Hauptrednerin des Ordenstags war die palästinensische Friedenspädagogin Sumaya Farhat-Naser zu Gast – eine Frau, deren Lebensweg und Überzeugungen eindrucksvoll belegen, dass selbst unter schwierigsten Umständen Hoffnung und Mitgefühl möglich bleiben. Ihre Teilnahme war bis zuletzt ungewiss, da die politische Lage in Palästina ihre Ausreise erschwerte. Umso bewegender war der Moment, als sie schließlich vor den versammelten Ordensleuten und ihren Gästen stand und ihre Gedanken über inneren und äußeren Frieden teilte.
Die Botschaft des Friedens
In ihrem Vortrag sprach Farhat-Naser über den Frieden als einen Prozess, der im Inneren des Menschen beginnt. Sie beschrieb diesen Weg mit einem „Drei-Schritte-Programm“: Jeder Mensch wird gleich geboren, jeder Mensch ist anders, und in jedem Menschen liegt ein einzigartiger Kern – ein „Diamant“, wie sie es nannte –, der durch Achtsamkeit und Selbstreflexion zum Leuchten gebracht werden kann.
Friede, so betonte sie, sei kein Zustand, der von außen verordnet werden könne, sondern eine Haltung, die aus Einsicht, Demut und der Fähigkeit zu Vergebung entsteht. „Vergessen und Vergeben sind Gnaden“, sagte sie, „denn nur wer loslässt, kann in sich selbst frei werden.“
Religionen als bunte Märkte des Lebens
Ein besonderes Bild prägte sich den Zuhörenden ein: Religionen, erklärte Farhat-Naser, seien wie bunte orientalische Märkte – Orte voller Vielfalt, an denen man Gutes finden könne, aber auch Herausforderndes. Entscheidend sei, mit welcher Haltung man diesen Markt betritt. Toleranz, Respekt und die Bereitschaft zuzuhören seien Grundvoraussetzungen für ein friedliches Miteinander der Religionen.
Zum Abschluss ihres Vortrags sprach sie ein Friedensgebet von Schalom Ben Chorim. Darin verbinden sich die Tugenden des Zuhörens, der Geduld, des Glaubens und der Verantwortung – all jene Haltungen, die Farhat-Naser auch in ihrem eigenen Leben verkörpert:
„Wer Frieden sucht, wird den anderen suchen, wird zuhören lernen, wird das Vergeben üben, wird vorgefertigte Meinungen zurücklassen, wird das Wagnis eingehen, wird an die Änderung des Menschen glauben, wird Hoffnung wecken, wird den anderen entgegenkommen, wird zu seiner eigenen Schuld stehen, wird geduldig dranbleiben, wird selber vom Frieden Gottes leben. Suchen wir den Frieden?“

Offizieller Auftakt: Zu Beginn richtete Bischofsvikar Engelbert Guggenberger Grußworte an die Teilnehmenden des Ordenstags und hieß alle herzlich willkommen. © P. Siegfried Stattmann OSB
Von der Wissenschaft zur Friedensarbeit
Sumaya Farhat-Naser wurde 1948, im Jahr der Gründung des Staates Israel, in Birzeit nahe Ramallah geboren. Aufgewachsen in einer christlichen Familie, besuchte sie die deutsche Internatsschule Talitha Kumi bei Bethlehem und studierte später in Hamburg Biologie, Geografie und Erziehungswissenschaft. Dort promovierte sie in angewandter Botanik – ein Fach, das die Grundlage für ihre spätere Lehrtätigkeit an der Universität Birzeit bildete.
Doch schon bald rückte ihr Interesse an Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und des interkulturellen Dialogs in den Vordergrund. Von 1997 bis 2001 leitete sie das Jerusalem Center for Women, eine Organisation, die sich für die Verständigung zwischen israelischen und palästinensischen Frauen einsetzt. Sie ist bis heute in internationalen Netzwerken für Friedensarbeit aktiv und hält weltweit Vorträge über Wege der Versöhnung in Konfliktregionen.
Literatur und Auszeichnungen
In ihren zahlreichen Büchern hat Farhat-Naser ihre Erfahrungen und Gedanken festgehalten. Werke wie „Thymian und Steine“, „Disteln im Weinberg“, „Verwurzelt im Land der Olivenbäume“ und „Ein Leben für den Frieden“ verbinden autobiographische Erzählungen mit eindringlichen Reflexionen über Hoffnung, Glaube und die Suche nach Verständigung im Alltag einer zerrissenen Region.
Das Engagement von Sumaya Farhat-Naser blieb international nicht unbeachtet. Die Friedenspädagogin erhielt unter anderem den Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte, den Friedenspreis der Stadt Augsburg, die Hermann-Kesten-Medaille des PEN-Zentrums Deutschland sowie den AMOS-Preis für Zivilcourage. Universitäten in Europa und den USA ehrten sie mit Gastprofessuren und Ehrendoktorwürden.

Tief berührt: Die Schilderungen von Sumaya Farhat-Naser gingen allen Teilnehmenden unter die Haut, machten betroffen und regten zum Nachdenken an. © P. Siegfried Stattmann OSB
Hoffnung trotz allem
Die Teilnehmenden des Kärntner Ordenstags waren tief beeindruckt von den Schilderungen der palästinensischen Friedenspädagogin. Stellvertretend für sie alle brachte es Gastgeberin Sr. Pallotti Findenig vom Kloster Wernberg auf den Punkt: „Wir wissen und wussten viel über die Lage von Palästinensern in der Westbank und im Gaza-Streifen, aber das persönlich Erlebte sprengt alle Berichte und hinterließ bei Ordensangehörigen, den Interessenten und den Rittern vom Heiligen Grab in Jerusalem tiefe Betroffenheit.“
Quellen: Sr. Pallotti Findenig/Diözese Gurk