„Gerechtigkeit beginnt mit der Anerkennung der ökologischen Schulden“

In einem aktuellen Papier fordert der Vatikan, den ärmsten Ländern ihre Auslandsschulden zu erlassen. (c) Pixabay/Destinolas Bwenge
P. Charles Chilufya SJ, der Direktor von JENA, dem jesuitischen Afrika-Netzwerk für Gerechtigkeit und Ökologie, ist klar in seiner Ansage: „Zu lange wurden die finanziellen und ökologischen Lasten, die dem globalen Süden aufgebürdet wurden, nicht angegangen“. JENA war eine von drei Organisationen, die wesentliche Vorarbeit für das Schreiben des römischen Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung zu „ökologischer Schuld“ (23. Juni 2025) geleistet haben. Dieses Schreiben steht im Kontext des „Heiligen Jahres“, das – und das mag manchmal in Vergessenheit geraten sein – nicht nur verschiedene Feierlichkeiten und spirituelle Erneuerung umfasst, sondern in dessen Rahmen Papst Franziskus auch einen Schuldenerlass für die vom Schuldendienst geplagten Länder des globalen Südens gefordert hatte.
Wenn von Verschuldung die Rede ist, dann kommen meist zuerst und ausschließlich die finanziellen Schulden in den Blick, in deren Strudel die armen (oder „arm gemachten“? – Kardinal Ambongo, Kongo) Länder geraten sind. Oft übersteigt der Schuldendienst – Rückzahlung der Schulden plus Zinsrückzahlung – die Ausgaben für Gesundheit und Bildung. Ein Teufelskreis. Vergessen wird dabei: die reichen Länder des globalen Nordens stehen genauso in der Schuld. Historisch gesehen sind sie für fast 80 Prozent der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich, und ihr Reichtum verdankt sich nicht unwesentlich der Ausbeutung anderer Länder.
Große Last für Länder des globalen Südens
Diese müssen aber die weitaus größte Last von Umweltschäden tragen, die aus Klimaerwärmung und Raubbau kommen: extreme Wetterphänomene, Luftverschmutzung, Bodenerosion, Verlust der Biodiversität. Die finanziellen Ressourcen, um größere Resilienz dagegen aufzubauen und Zerstörtes wieder herzustellen, fehlen ihnen. Eine nicht unwesentliche Rolle in der eher noch anwachsenden Ungerechtigkeit spielen die so genannten „kritischen Rohstoffe“ für die Energiewende und die digitale Transformation. Damit diese in den Industrieländern gelingt, werden andere Länder als Ressourcenlager betrachtet und ausgebeutet, ihre oft schwachen Umweltgesetze ausgenutzt.

Sr. Anneliese Herzig, Bereichsleiterin „Mission und Soziales“, teilt ihre Gedanken zum vom Dikasterium für die Förderung der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung veröffentlichten Papier. (c) ÖOK/emw
Der Vatikan meint nun: diese Schulden müssten gegenverrechnet werden. Die zwei miteinander verwobenen Typen von Schuld – finanziell und ökologisch – sollten endlich als die beiden Seiten einer einzigen Medaille anerkannt werden. Nicht nur einmal, sondern es braucht insgesamt ein neues System, um die Abhängigkeiten der Länder der südlichen Hemisphäre zu reduzieren. „Eine Reform des multilateralen Finanzsystems ist notwendig, um zur Auslöschung der Armut und dem Schutz der Schöpfung beizutragen“. Dabei geht es nicht um eine großzügige solidarische Geste, sondern um Übernahme von Verantwortung und Gerechtigkeit, wie es Papst Franziskus schon in der Botschaft zum Weltfriedenstag 2025 gefordert hatte. Auch Papst Leo XIV. spricht sich in derselben Weise aus und sieht dies als wichtigen Schritt. Sonst sehen sich nämlich „verschiedene Völker, die bereits durch internationale Schulden belastet sind, … gezwungen, auch die Last der ökologischen Schulden der weiter entwickelten Länder zu tragen“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 2025). Eine untragbare doppelte Belastung!
Grundursachen der Ungerechtigkeit beseitigen
Im Schreiben Spes non confundit zur Eröffnung des Heiligen Jahres heißt es: „Wie die Heilige Schrift lehrt, gehört die Erde Gott und wir alle wohnen auf ihr als ‚Fremde und Beisassen‘ (Lev 25,23). Wenn wir wirklich den Weg für den Frieden in der Welt ebnen wollen, sollten wir uns dafür einsetzen, die Grundursachen der Ungerechtigkeit zu beseitigen, ungerechte und nicht zurückzahlbare Schulden erlassen und die Hungernden sättigen.“
Als – oft international verbreitete – Ordensgemeinschaften sind wir aufgefordert, dafür ein Bewusstsein zu schaffen, der Verbundenheit mit den betroffenen Ländern ein Gesicht zu geben, uns prophetisch in der öffentlichen Debatte zu positionieren und uns – nicht zuletzt aus unserer Lebensform heraus – für einen mutigen Paradigmenwechsel einzusetzen (Schreiben vom 23.06.2025). So könnten wir dem Aufruf der beiden Päpste Franziskus und Leo XIV. Folge leisten.
Text: Sr. Anneliese Herzig MSsR, Bereichsleiterin „Mission und Soziales“