Mahnende Worte anlässlich des zweiten Todestags von Armenpriester Pucher

Ein Leben für die Armen: Pfarrer Wolfgang Pucher, der Gründer der VinziWerke, starb am 19. Juli 2023 überraschend im Alter von 85 Jahren. ©VinziWerke
„Einerseits ist die Armut tatsächlich jetzt schon in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und das heißt, wir haben immer mehr Gäste, immer mehr Hilfesuchende, die auf die VinziWerke zukommen. Auf der anderen Seite spüren wir auch schon die Sparmomente auf Bundes- und auf Landesebene. Das heißt, die Zeiten sind sehr herausfordernd“, befand Schröck im Interview mit ORF-Steiermark am Samstag.
Gefragt, wo aktuell die größten Herausforderungen bei der Betreuung von Hilfesuchenden lägen, sagte Schröck: „Unsere Arbeit ist insgesamt wesentlich breiter geworden. Das heißt, das Gesicht der Armut hat sich sehr stark verändert.“ Das könne man auch beim Vinzimarkt sehen, wo seit der Pandemie etwa 30 Prozent mehr Kundinnen und Kunden verzeichnet werden. Viele seien von der Teuerung betroffen. „Wir sprechen hier von Working poor, wir sprechen von Menschen mit Behinderung, von Pensionistinnen, Pensionisten. Das Aufgabengebiet ist einfach insgesamt gewachsen, und die Herausforderungen sind nach wie vor groß.“
„Sozialer Friede kostet Geld“
Auf die Schwerpunkte der nächsten Zeit angesprochen, nannte Schröck vor allem den Umbau des Vinzinests und Frauenprojekte. Gegen die Ausgrenzung von armutsgefährdeten und armen Menschen in der Gesellschaft anzukämpfen, sei sehr wichtig, betonte Schröck, wie auch „ein starkes öffentliches Bekenntnis dazu zu formulieren – das heißt, einen guten Teil des öffentlichen Geldes auch wirklich in dieses soziale Netz zu investieren. Soziale Sicherheit, sozialer Friede kostet Geld. Und das wird erst augenscheinlich, wenn etwas wegfällt.“
„Meine größte Vision ist, dass wir irgendwann zusperren können, weil es uns nicht mehr braucht. Das ist auch die Richtung, in die wir arbeiten. Aber im Großen und Ganzen hänge ich der Vision von Wolfgang Pucher an, nämlich schnell, unbürokratisch, individuell, unkompliziert zu helfen, dort, wo sie gebraucht wird“, unterstrich Schröck.
Ex-Vizebürgermeisterin an der Spitze der VinziWerke
Martina Schröck, 1977 in Bruck an der Mur geboren, steht seit Mai als erste Frau an der Spitze der VinziWerke. An der Karl-Franzens-Universität in Graz studierte sie Soziologie und erlangte 2004 ihren Doktortitel. Ihre ersten beruflichen Erfahrungen sammelte Schröck in der Volkshilfe, danach schlug sie eine politische Laufbahn ein. 2005 wurde sie für die SPÖ in den Landtag gewählt, 2010 wechselte sie als Parteivorsitzende der Stadtfraktion in die Grazer Stadtregierung und war bis 2013 Stadträtin für Soziales und Frauen. 2013 wurde sie zur Vizebürgermeisterin der Stadt Graz gewählt. 2016 zog sie sich aus der Politik zurück.

Martina Schröck: „Ich hänge der Vision von Wolfgang Pucher an, nämlich schnell, unbürokratisch, individuell, unkompliziert zu helfen, dort, wo sie gebraucht wird.“ © Robert Sommer
Gedenken an Pater Pucher
Das Interview fand anlässlich des zweiten Todestages des Grazer Armenpfarrers und Gründers der VinziWerke, des Lazaristenpaters Wolfgang Pucher, statt. Am 20. Juli wurde in der Grazer Vinzenzkirche die Sonntagsmesse im Gedenken an Pfarrer Pucher gefeiert.
Der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene, 1963 zum Priester geweihte Pucher engagierte sich ab 1973 als Pfarrer in Graz St. Vinzenz für bedürftige Menschen. Der Gründer der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg erhielt u.a. den Ehrentitel „Grazer Armenpfarrer“. Die von Pfarrer Pucher gegründeten VinziWerke unterstützen seit den 1990er-Jahren Menschen, „die aus der Bahn geraten sind und deshalb in Armut leben“, wie er selbst in mehreren Interviews erklärte. Zielgruppe waren und sind u.a. Drogen- und Alkoholabhängige, Obdachlose, Haftentlassene, Bettler. In den 40 Institutionen der VinziWerke in der Steiermark, Wien und Salzburg finden täglich bis zu 450 Personen Unterkunft und 1.700 Personen werden mit Essen und Lebensmitteln versorgt. Im VinziDorf finden etwa ehemals obdachlose und alkoholkranke Personen eine Unterkunft. Abgedeckt werden alle primären Bedürfnisse wie Kleidung, Hygieneartikel und eine warme Mahlzeit am Tag.
Mit über einer Million Mitgliedern sind die Vinzenzgemeinschaften heute die größte Laienorganisation der Welt. Es handelt sich dabei um Gruppen, die selbständig und unabhängig voneinander auf Basis der Ehrenamtlichkeit bemüht sind, Armen das Leben zu erleichtern und sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Grundgelegt wurden sie 1833 in Frankreich von einem Studenten, der sich auf den heiligen Vinzenz von Paul als Namensgeber berief.
Auf Spenden angewiesen
Um die Arbeit von Pfarrer Wolfgang Pucher fortsetzen zu können, sind die VinziWerke auf Spenden angewiesen – jeder Betrag ist willkommen: AT34 2081 5022 0040 6888 (Hinweis: Spenden an die VinziWerke Österreich sind steuerlich absetzbar).
Quelle: kathpress