Bibliotheks-Schädlinge: Experte sieht Österreichs Stifte gewappnet

Von massivem Brotkäferbefall betroffen: Die Bibliothek der Erzabtei Pannonhalma © Pasztilla aka Attila Terbócs, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Die Benediktinerabtei Pannonhalma hatte Anfang Juni ihre Bibliothek geschlossen, nachdem bei einer Reinigung ein weit fortgeschrittener Schädlingsbefall festgestellt worden war. Die betroffenen Bände – rund ein Viertel des insgesamt 400.000 Bücher umfassenden Bestands – werden seither in einer aufwendigen Stickstoffbehandlung desinfiziert. Die Restaurierung, bei der alle Bücher anschließend einzeln begutachtet werden müssen, dürfte bis zum Jahresende andauern.
Häufiger Kulturschädling
Querner, der unter anderem Monitoringprojekte in Stiften wie Melk und Klosterneuburg betreut, hält den Vorfall für gravierend, aber nicht für völlig ungewöhnlich. Der Brotkäfer sei ein in Mitteleuropa häufiger Kulturgutschädling, der durch in alten Buchbindungen enthaltene Klebstoffe aus Stärke oder Gelatine angelockt wird. „Solche Fälle gibt es immer wieder – auch in Österreich oder Deutschland“, befindet der Experte. In Augsburg etwa habe es vor einigen Jahren einen großflächigen Befall in einem Archiv gegeben, der ebenfalls mit Stickstoff behandelt werden musste.
In Pannonhalma dürfte der Befall schon weit fortgeschritten gewesen sein. „Das ist oft ein Problem in Bibliotheken, die primär als Schauraum dienen und wo Bücher nicht regelmäßig genutzt oder kontrolliert werden“, sagte Querner. Je länger ein Befall unentdeckt bleibe, desto aufwendiger werde die Sanierung. Besonders gefährdet seien Standorte ohne eigenes restauratorisches Personal oder systematische Überwachung. Der Vorfall in dem ungarischen Kloster sei angesichts des historischen Werts der betroffenen Bücher bedauerlich und eine „Warnung“ auch für andere Bibliotheken.
Monitoring in Stiftsbibliotheken zumeist Standard
In Österreich hingegen sei das Bewusstsein für präventiven Schutz in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – durch gute Vernetzung der für Kulturgüter Zuständigen, aber auch durch öffentlich aufgearbeitete Fälle wie jenen im Stift Admont. „Heute ist das Monitoring mit Insektenfallen Standard in vielen größeren Stiftsbibliotheken“, so Querner. Entscheidend seien regelmäßige Sichtkontrollen, einfache Reinigungsmaßnahmen und das Offenhalten der Räume. Selbst kleine Sammlungen könnten mit überschaubarem Aufwand Kontrollsysteme etablieren, wobei es auch Feuchtigkeit und Schimmel zu verhindern gilt.

Gefräßige Bibliotheksbesucher: Brotkäfer werden vor allem durch durch die in alten Buchbindungen enthaltenen Klebstoffe aus Stärke oder Gelatine angelockt. © Dat doris, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Ist es einmal zu einem Befall durch Papier- und Holzschädlinge gekommen, so gilt die Stickstoffbehandlung, wie sie aktuell in Pannonhalma durchgeführt wird, als schonendes Verfahren zur Bekämpfung. Dabei werden die Bücher luftdicht verpackt und in eine sauerstoffarme Atmosphäre versetzt, die den Insekten den Lebensraum entzieht. Alternativ kommen in bestimmten Fällen auch Raumbehandlungen mit Schwefelhexafluorid zum Einsatz, früher griff man dabei auch zu Cyanwasserstoff (Blausäure).
Klimawandel als Verstärker
Der Brotkäfer sei zwar kein „neuer“ Klimaschädling, seine Entwicklung könne sich jedoch durch höhere Temperaturen beschleunigen, meint Querner. In aktuellen Forschungsprojekten untersucht er die Auswirkungen des Klimawandels auf Museums- und Bibliotheksschädlinge. Neben dem Brotkäfer nannte er auch das Papierfischchen – eine eingeschleppte Art, die sich europaweit verbreitet – sowie klassische Mottenarten als wachsendes Risiko.
Die Benediktinerabtei Pannonhalma wurde im Jahr 996 gegründet und gehört seit 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ihre Büchersammlung zählt zu den ältesten historischen Bibliotheken Ungarns. Die ältesten und wertvollsten Stücke der Sammlung – darunter eine Bibelausgabe aus dem 13. Jahrhundert – befinden sich laut Angaben der leitenden Restauratorin Zsófia Edit Hajdu nicht unter den aktuell von Schädlingen befallenen Werken. Sie waren bereits zuvor unter gesonderten Schutzbedingungen gelagert worden.
Quelle: kathpress