Stift Göttweig: Europa-Forum Wachau im Zeichen der Migrationspolitik

Kamen im Stift Göttweig zum Europa-Forum Wachau zusammen (v.l.): Der Philosoph Peter Sloterdijk, der Göttweiger Abt Patrick Schöder, der Premierminister von Moldau Dorin Recean, Bundeskanzler Christian Stocker, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, der Premierminister von Bulgarien Rossen Jeliazkov, der Präsident des Europa-Forums Michael Linhart, der ehemalige deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel sowie Andreas Schaal von der OECD. (c) NLK Khittl
Die Veranstaltung stand heuer unter dem Motto „Facing Challenges – Embracing Visions“ und auch unter dem Eindruck des Amoklaufs in Graz, des Krieges in der Ukraine und der Eskalation zwischen Israel und dem Iran, wie das Land Niederösterreich in einer Aussendung berichtete.
Stift Göttweig als „Stätte des Dialogs“
Patrick Schöder, Abt des Stiftes Göttweig, sprach in seinen Begrüßungsworten von „herausfordernden Veränderungen“, das Stift Göttweig sei dabei „Stätte des Dialogs“ und ein „Ort der Begegnung“. Dies sei von großer Bedeutung in einer Zeit, „in der die Spannungen wieder steigen“. Er wünsche „den Mut, den wir brauchen, um die Herausforderungen anzunehmen und für Visionen offen zu sein“.
„Europa muss in der Migrationsfrage endlich handlungsfähig werden“, mahnte NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Sie sprach sich dafür aus, „die Europäische Menschenrechtskonvention weiterzuentwickeln“. Die Welt habe sich „radikal verändert“, und daher müsse man „endlich dazu in der Lage sein, Migranten abzuschieben – vor allem jene, die schwere Straftaten begehen“.
Im Blick auf den Angriff Russlands auf die Ukraine betonte die Landeshauptfrau: „Europas Platz ist an der Seite der Ukraine.“ Europa müsse aber „militärische und ökonomische Stärke zeigen“, denn „wenn wir Putin heute nicht standhalten, zahlen wir morgen einen noch höheren Preis, nicht in Euro, sondern mit unserer Sicherheit“.
Europa-Forum unter schwierigen Umständen
Das Europa-Forum Wachau finde heuer unter schwierigen Umständen statt, sprach Bundeskanzler Christian Stocker u. a. die tragischen Ereignisse in Graz an und bedankte sich für „die Solidarität und das Mitgefühl aus ganz Europa“. Das Europa-Forum sei „ein wichtiger Ort des europäischen Dialogs“ und die EU für Österreich „von enormer Bedeutung“, zeigte er sich überzeugt.
Gerade in einer Zeit, in der sich die Welt dramatisch verändere, werde die Bedeutung der EU besonders deutlich, sagte Stocker. Aber Europa stehe vor großen Herausforderungen, nannte er die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, die Lösung der Migrationsfrage sowie den Einsatz für Frieden in Europa und der Welt.
„Werte, Prinzipien und Regeln akzeptieren“
In der Migrationsfrage sprach er sich dafür aus, „auch neue Diskussionen anzustoßen“, es gehe nicht darum, die Menschenrechte infrage zu stellen, sondern darum, die Auslegung der Konvention weiterzuentwickeln und „an die Erfordernisse unserer Zeit anzupassen“. Stocker: „Wer hier leben will, muss unsere Werte, Prinzipien und Regeln akzeptieren. Das ist eine Grundvoraussetzung für ein friedliches Zusammenleben.“
Der bulgarische Premierminister Rossen Jeliazkov brachte angesichts der tragischen Ereignisse in Graz seine Solidarität zum Ausdruck. Europa sei „ein Platz in der Welt, wo die Tugenden der Humanität und die Werte der Menschheit jahrhundertelang geschmiedet wurden“, hielt er fest. Bulgarien und Österreich „teilen Werte miteinander“, und „das Herzstück unserer Werte ist die Demokratie, sind Rechtsstaatlichkeit und Zusammenarbeit.“ Im Blick nach vorn sei es wichtig, „Einheit im Geiste der Solidarität zu demonstrieren“, etwa auch wenn es darum geht „unsere Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten, ohne unsere soziale Vision zu zerstören“.
Mehr Ressourcen für Forschung gefordert
Für mehr Ressourcen etwa für die Forschung sprach sich Dorin Recean, Premierminister der Republik Moldau, aus. Die Republik Moldau teile die Vision der Europäischen Union und das Ziel, für den Frieden des Kontinents zu sorgen. Auch „auf der operativen Ebene“ teile man „die Besorgnisse, was Unternehmertum, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit betrifft“. Hier gehe es auch darum, mithilfe von Innovationen und Digitalisierung „eine smarte Bürokratie aufzubauen“.
Sigmar Gabriel, der ehemalige Vizekanzler Deutschlands, sprach von einer „Zeitenwende“, die Welt habe sich vollständig verändert, die Nachkriegsordnung sei verschwunden. Europa stehe quer zu den Vorstellungen der jetzigen amerikanischen Administration; für die „Institution Europa“ werde es „eine schwierige Zeit“ werden, meinte er. Europa müsse „wesentlich pragmatischer sein im Umgang mit Handelsabkommen mit anderen Teilen der Welt“, forderte er.
Folgerungen aus Geschichte ziehen
Der Philosoph und Kulturwissenschaftler Peter Sloterdijk blickte zurück in die Geschichte: Auch früher schon habe es „Großkollektive“ gegeben, verwies er etwa auf das Römische Reich und auf Parallelen aus der Historie bis hin zur Aeneis von Vergil. „Wir sind frei, aus der Geschichte unsere Folgerungen zu ziehen“, hielt er fest.
Der neue Präsident des Europa-Forums, Michael Linhart, zeigte sich überzeugt davon, dass „die Schönheit des Stiftes einen großen Beitrag leistet zum Erfolg unserer Begegnungen hier“. In den letzten beiden Tagen habe man sich auf die Sicherheitspolitik konzentriert, heute gehe es vor allem auch um die geopolitische Rolle Europas. Es gebe große Herausforderungen und auf diese müsse man die richtigen Antworten finden.
Quelle: kathpress