„Von der Handschrift zum Wissen“: Jahrestagung der kirchlichen Bibliotheken

Gute Stimmung herrschte beim Gruppenfoto nach der Bibliotheksführung. (c) OÖK/emw | Foto zum Download
Die Jahrestagung der Bibliotheken, die am 10. April im Quartier 114 des Stifts Klosterneuburg stattfand, stand ganz im Zeichen der Digitalisierung. Im Mittelpunkt stand die Plattform manuscripta.at, die seit 2003 online ist und mittlerweile in die Jahre gekommen ist. Ein Relaunch steht bevor, und die Tagung wurde genutzt, um diesen bestmöglich vorzubereiten. Veranstalter waren die Forschungsstelle für Kulturwissenschaftliche Studien im Stift Klosterneuburg, der Bereich Kultur und Dokumentation der Österreichischen Ordenskonferenz und die Abteilung Schrift- und Buchwesen des Mittelalters an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Was ist manuscripta.at?
Vorweg: manuscripta.at ist ein zentraler Online-Katalog für mittelalterliche Handschriften aus österreichischen Bibliotheken. Eine besondere Rolle spielen dabei die Klosterbibliotheken: Sie waren im Mittelalter bedeutende Zentren der Wissensvermittlung und beherbergen bis heute einen großen Teil der erhaltenen Handschriften – und sind damit für die Plattform von zentraler Bedeutung.
manuscripta.at stellt sowohl eine wissenschaftlich fundierte Erschließung als auch Digitalisate – hochauflösende digitale Abbildungen – der Handschriften bereit und bietet Forscher:innen, Studierenden und einer interessierten Öffentlichkeit einen ortsunabhängigen, kostenfreien Zugang zum schriftlichen Kulturerbe des Landes.
Irene Kubiska-Scharl, Referentin für Bibliotheken der ÖOK, eröffnete die Tagung. (c) ÖOK/emw
„Gemeinsam Brücken bauen“
In ihrer Eröffnung betonte Irene Kubiska-Scharl, Referentin für Bibliotheken der Österreichischen Ordenskonferenz, die Relevanz des Themas: „Der Relaunch von manuscripta.at ist eine große Chance – nicht nur technisch, sondern auch konzeptionell.“ Die Tagung dient dazu, den Status quo zu erheben, Wünsche und Anforderungen aus den Ordensbibliotheken zu sammeln und zu diskutieren, welche davon realistisch und umsetzbar sind – unter Berücksichtigung technischer, finanzieller, personeller und rechtlicher Rahmenbedingungen. „Ziel sei es“, so Kubiska-Scharl, „gemeinsam tragfähige Brücken in die Zukunft zu bauen“.
Propst Anton Höslinger stattete den Teilnehmenden der Tagung einen kurzen Besuch ab und wünschte gutes Gelingen. (c) ÖOK/emw
Erstes Stimmungsbild: Unterschiedliche Nutzung
Der erste Teil der Tagung stand im Zeichen eines Stimmungsbildes. Wie wird manuscripta.at derzeit genutzt und welche Erfahrungen haben die Bibliothekar:innen damit? Dabei wurde deutlich, wie unterschiedlich die Zugänge zur Plattform sind: Während manche Einrichtungen – etwa die Stifte Admont oder Melk – bereits intensiv mit manuscripta.at arbeiten, stehen andere erst am Beginn der digitalen Reise oder äußern Vorbehalte wie etwa Maximilian Alexander Trofaier aus dem Schottenstift. Er hat etwa die Sorge, dass sich das Personal in manchen Ordensbibliotheken durch die dauerhafte Zurverfügungstellung von Digitalisaten zu einem gewissen Grad überflüssig macht. Die Erfahrungen aus anderen Einrichtungen, wie etwa Klosterneuburg, zeigen: Sichtbarkeit und einfache Zugänglichkeit führen zu mehr Anfragen und begünstigen die Umsetzung weiterer Projekte.
Aktuelle Vorteile und Nachteile von manuscripta.at
Einigkeit bestand darüber, dass manuscripta.at große Vorteile bietet, vor allem durch die zentrale, benutzerfreundliche Erschließung mittelalterlicher Handschriften. Gleichzeitig gibt es für Bibliothekar:innen folgende Herausforderungen zu meistern:
- Sammlungsgrenzen: Manuscripa.at konzentriert sich auf mittelalterliche Handschriften, aber viele Ordensbibliotheken verwahren neben diesen auch neuzeitliche Handschriften, auch für Nutzer:innen bilden sie eine Einheit. Sonja Führer (Erzabtei St. Peter) warnte davor, diese durch zu enge Projektgrenzen künstlich zu zerschneiden.
- Vertragliche Rahmenbedingungen: Johannes Deibl (Melk) betonte die Notwendigkeit klarer Absprachen auf Augenhöhe. Bibliotheken sind mehr als eine Fußnote unter einem Digitalisat – sie sind gleichwertige Projektpartner.
- Anschlussfähigkeit: Nicht alle Häuser können zeitgleich digitalisieren. Daher braucht es flexible Modelle, die ein späteres Einsteigen ermöglichen – ohne Anschluss zu verlieren.
Maria Theisen von der ÖAW stellte sich als Projektverantwortliche den Fragen. (c) ÖOK/emw
„Viele Wünsche realisierbar“
Claudia Rapp, Direktorin des Instituts für Mittelalterforschung an der ÖAW, stellte die Entwicklung und das Anliegen von manuscripta.at vor. Die Projektverantwortliche, Maria Theisen, Leiterin der Abteilung Schrift- und Buchwesen an der ÖAW, stellte sich den Fragen. Sie begleitet die Weiterentwicklung der Plattform. Theisen betonte, dass viele technische Wünsche bereits realisierbar seien, dass es aber – wie vielerorts – oft an Finanzierung mangele. Die Weiterführung der Plattform ist ein klares Ziel der ÖAW, vorerst bleibt der Fokus auf mittelalterliche Handschriften.
Christina Jackel und Edith Kapeller, die Stiftsbibliothekarinnen, führten durch die Bibliothek des Stiftes Klosterneuburg und zeigten besondere Schätze.(c) ÖOK/emw
Ein lebendiger Nachmittag
Nach dem gemeinsamen Mittagessen luden die beiden Stiftsbibliothekarinnen Edith Kapeller und Christina Jackel zu einer Führung durch die Bibliothek des Stifts Klosterneuburg. Dabei zeigten sie ausgewählte Exponate aus der reichen Sammlung – ein anschaulicher Einblick in das kulturelle Erbe, um das es ging.
Am Nachmittag drehte sich alles um Diskussion und Austausch: Wohin soll die Reise von manuscripta.at gehen? (c) ÖOK/emw
Am Nachmittag wurde die Diskussion zu manuscripta.at vertieft: In einem World Café tauschten sich die Teilnehmenden an fünf thematischen Stationen intensiv aus – zu Nutzungsbedingungen, Sichtbarkeit, Zusammenarbeit, technischen Anforderungen und offenen Fragen. Die rotierenden Gesprächsrunden ermöglichten es, viele Perspektiven zu sammeln und neue Ideen zu entwickeln.
Abschließend wurden die wichtigsten Punkte in einer Fishbowl-Diskussion aufgegriffen, verdichtet und zur gemeinsamen Reflexion gestellt. Das Format bot allen Teilnehmenden die Möglichkeit, sowohl drängende als auch einfache Fragen an Maria Theisen und Katharina Kaska, Direktorin der Sammlung Handschriften und alte Drucke der Österreichischen Nationalbibliothek, zu stellen und in einen gemeinsamen Diskurs zu treten.
Gespannt auf die Ergebnisse des Tages: Karin Mayer, Leiterin des Bereichs Kultur und Dokumentation der ÖOK, mit Irene Kubiska-Scharl. (c) ÖOK/emw
Gemeinsames Projekt, das vom Dialog lebt
Die Tagung machte deutlich: manuscripta.at ist nicht nur ein digitales Projekt, sondern ein gemeinsames Anliegen. Die Plattform lebt vom Dialog – zwischen Ordensbibliotheken, der Forschung und der Akademie. Es braucht transparente Prozesse, realistische Zielsetzungen, partnerschaftliche Strukturen – und den Mut, Digitalisierung nicht als Bedrohung, sondern als Brücke zur Zukunft zu denken.
„Heute wurde deutlich, wie wichtig es ist, im Gespräch zu bleiben – mit Offenheit für unterschiedliche Perspektiven und Ausgangslagen, mit mehr Klarheit in der Zusammenarbeit und mit einem gemeinsamen Ziel: das Wissen und die Schätze unserer Ordensbibliotheken für Gegenwart und Zukunft zugänglich zu machen. manuscripta.at kann dabei ein wertvolles Werkzeug sein – wenn es in einem partnerschaftlichen Miteinander weiterentwickelt wird“, fasst Karin Mayer den Tag zusammen.
Zum Abschluss bündelte eine Fishbowl-Runde die Erkenntnisse und lud zur gemeinsamen Reflexion ein. (c) ÖOK/emw