Mission - Botschaft der Vielfalt
Mission und Ethnologie haben eine teils gemeinsame Geschichte. Arnold Janssen, dem Gründer der Steyler Missionare, war von Anfang an wichtig, dass Missionare ihre Erfahrungen auch für die Wissenschaft zur Verfügung stellten - und für die Volksbildung in Europa: Das Kennenlernen fremde Kulturen diente dem Ziel, die Wertschätzung für Menschen aus anderen Erdteilen zu wecken. EthnologInnen und MissionarInnen verband auch, dass sie noch im 20. Jahrhundert ihre eigene Kultur(en) als höher entwickelt sahen. „Tief im Inneren der Menschen haben wir diese Einstellung auch im 21. Jahrhundert noch nicht überwunden“, bedauert Museumsdirektor Christian Schicklgruber vom Weltmuseum Wien und erzählt Beispiele aus seiner Tätigkeit als Reiseleiter, wie sich in gut gemeinten Kommentaren von Reisenden ihr implizit überlegenes Selbstbild der Gastgeberkultur gegenüber offenbarte.
Ziel der Mission ist nicht die Taufe
Kulturanthropologie als auch Missionsgeschichte haben in den letzten Jahrzehnten einen starken Wandel im Zugang zu den Menschen gebracht. Die Konstante der Missionsgeschichte ist: Der Missionar, die Missionarin will etwas verändern in dieser Welt. Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil herrschte die katholische Überzeugung, dass Menschen nur durch das Evangelium erlöst werden könnten. Die Taufe galt als Rettung vor der Hölle. Es war also ein Einsatz der Nächstenliebe, wenn Missionare alle Gefahren des Reisens auf sich nahmen, um „Unerlöste“ zu erlösen und ihnen das ewige Heil zu bringen. „Auch heute wollen Missionare die Welt verändern“, erklärt Pater Franz Helm, selbst Missionswissenschaftler. „Wir wollen mithelfen, dass das Leben glückt und sehen uns als Mitarbeiter unter anderen, die sich dafür einsetzen, dass das Leben in dieser Welt gerechter, würdevoller und friedlicher wird. Dass Beziehungen heilen. Dass Menschen einen Sinn finden, ihr Leben heiler wird, man könnte dazu auch sagen: heiliger.“ Wenn er einen Menschen anderen Glaubens treffe, so P. Helm, gehe es nicht darum, ihn oder sie zu bekehren, sondern ins Gespräch zu kommen: Was ist dir heilig? Was ist mir heilig? „Altbischof Erwin Kräutler aus Brasilien sagt, dass er noch nie einen Indianer getauft hat und es auch nicht tun wird. Das Ziel der Mission sind nicht mehr Kirchenmitglieder.“ Die Motivation zur Mission ist der Einsatz für eine bessere Welt, theologisch ausgedrückt der Einsatz für das „Reich Gottes“. Quelle des Engagements ist das Evangelium, die Bibel.
Steyler Missionare in der Ethnologie
Sich gesellschaftlich-politisch einzumischen, habe lange Tradition bei den Steyler Missionaren, blickt der Kulturanthropologe und „Wiener Schule“-Spezialist Reinhard Blumauer vom Weltmuseum Wien in die Geschichte. Pater Martin Gusinde hatte sich zum Beispiel im frühen 20. Jahrhundert vehement dagegen eingesetzt, dass eingewanderte Schafzüchter auf den südamerikanischen Feuerland-Inseln Ureinwohner töteten. „Die SVD (Societas Verbi Divini, offizieller Name der Steyler Missionare, Anm.) hat von Anfang an einen frischen, mutigen Weg eingeschlagen, der später sicher auch das Missionsdekret „Ad gentes“ des Zweiten Vatikanischen Konzils beeinflusst hat“, so die Einschätzung des Experten. Reinhard Blumauer hat sich intensiv mit den vier Steyler Missionaren befasst, die im 20. Jahrhundert die sogenannte „Wiener Schule“ der Ethnologie gegründet hatten. Es waren P. Wilhelm Schmidt (1868-1954), P. Wilhelm Koppers (1886-1961), P. Martin Gusinde (1886-1969) und P. Paul Schebesta (1887-1967). Der Spezialist spart auch nicht mit Kritik an der Wiener Schule. „Wilhelm Schmidt wollte durch Beobachtungen in Feuerland und Afrika beweisen, dass Monotheismus (Eingottglaube) und Monogamie (Ehe) zur Urkultur des Menschen gehören. Wenn die Beobachtungen seiner Mitbrüder dem nicht entsprochen haben, hat er sie einfach ignoriert.“ Dennoch hat die Wiener Schule zur Entwicklung der Ethnologie Bedeutendes beigetragen. Im Weltmuseum Wien ist ihr ein eigener Raum gewidmet. Hunderte Exponate stammen von den missionarischen Pionieren.
Botschaft der Vielfalt in dieser Welt
Die Sammlungen des Weltmuseums Wien umfassen insgesamt gigantische 250.000 ethnografische Objekte, über 140.000 Fotografien und 146.000 Druckwerke aus fast allen Teilen der Welt. Nur ein Teil davon ist in den 14 Ausstellungssälen des im Oktober 2017 wiedereröffneten Weltmuseums ausgestellt. Der Anspruch, ganze Kulturen zu präsentieren, wird vom Museum nicht mehr erhoben, wie das noch beim früheren Völkerkundemuseum der Fall war. Die vierzehn Räume sind daher nicht nach Ländern oder Kontinenten geordnet, sondern nach Themen, erläutert Museumsdirektor Christian Schicklgruber. „In den Besucherinnen und Besuchern soll ein Eindruck entstehen von der Vielfalt der Kulturen in dieser Welt und die Wertschätzung dafür wachsen.“ Wolle man das Weltmuseum gründlich durchgehen, würde das zwei Wochen dauern, so die Einschätzung Schicklgrubers. Was das Weltmuseum bzw. die kulturanthropologische Arbeit heute wohl mit den Steyler Missionaren verbindet, sei abgesehen von ihrer Geschichte das Interesse an den Menschen in allen Erdteilen und Gegenden dieser Welt. „Ethnologen und Missionare verbindet, dass sie stundenlang mit Menschen an der Feuerstelle oder wo auch immer zusammensitzen und ihnen zuhören.“
[rsonnleitner]