Jesuitenschüler Heiner Geißler: Papst ist die stärkste Kirchenstimme gegen den Kapitalismus
Mit Ausnahme von Franziskus würden die Kirchen vergessen, "dass das Evangelium eine politische Dimension hat und sie mit ihren zwei Milliarden Anhängern eine globale Verantwortung für die Verwirklichung einer neuen, friedlichen, gerechten, humanen Weltordnung haben", sagte der 86-jährige Geißler der "Welt am Sonntag".
Nach Ansicht des ehemaligen CDU-Generalsekretärs und Jesuitenschülers brauchen die Kirchen in Deutschland einen neuen Reformator. "Wir brauchen einen neuen Luther, der heute die Kirchen fragen müsste, warum leistet ihr gegen die antichristlichen und unmoralischen Kräfte, die die Welt beherrschen, keinen Widerstand, wie ich ihn damals gegen Rom entwickelt habe", so Geißler in dem Interview. Die Kirchen sollten aufstehen gegen die Vorherrschaft der Kapitalinteressen und eine "Wirtschaft, die tötet", zitierte Geißler eine häufig gebrauchte Wendung des "Jesuiten"-Papsts Franziskus. Der Papst erhebe damit seine Stimme gegen die Ökonomisierung aller Lebensbereiche und die globale Armut, würdigte Geißler.
Die Jesuiten machen sich auch in Österreich stark für soziale Gerechtigkeit und eine lebensfreundliche Wirtschaft. Die Katholische Sozialakademie Österreichs (ksoe) wurde von Jesuiten wie P. Johannes Schasching und P. Alois Riedlsperger geprägt. "Wirtschaft und Gesellschaft sind im flexiblen Kapitalismus von der Tendenz zu Produktion und Konsum rund um die Uhr bestimmt", so P. Riedlsperger. Daher ist Zeitwohlstand ein neues Schwerpunktthema der ksoe.
[ms]
Papst Franziskus ist nach Ansicht des früheren CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler die einzig vernehmbare Kirchenstimme gegen die Auswüchse des globalen Kapitalismus.