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28. August 2016

Wir brauchen die Stille

Sie sind Eremitinnen – und entsprechen ganz und gar nicht dem Klischee der weltfremden, nur betenden Frömmler. Ein Redakteur der ON Ordensnachrichten hat die Einsiedlerinnen der „Lavra Lej da Christgarten“  im Waldviertel besucht und ist lebensfrohen, bedingungslos auf Gott vertrauenden Ordensfrauen begegnet.

Fast wären diese Seiten leergeblieben.  Denn einen Tag vor unserem Treffen rief  mich Sr. Rebekka an und erzählte, das  „Büsle“ sei jetzt endgültig kaputt, sie und  Sr. Damienne wüssten noch nicht, wie und  vor allem wann sie nach Hause kämen. Das  „Büsle“ entpuppte sich als uralter VW-Bus,  mit dem die beiden Ordensfrauen in ganz  Österreich zu Klostermärkten unterwegs  waren, um ihre Ware zu verkaufen. Die  Reparatur wäre im Moment nicht leistbar.  Ein Moment der Stille – und dann lachte Sr.  Rebekka aus ganzen Herzen und meinte:  „Wir Eremiten vertrauen auf Gott.“ 

Eremiten – sind das nicht eigentlich EinsiedlerInnen,  die alleine in der Einöde leben,  blind für weltliche Dinge, tief im stillen  Gebet versunken? „Auf dieses Klischee  treffen wir oft“, erzählt Sr. Rebekka, „doch  Eremiten verstanden sich immer als Teil der  menschlichen Gemeinschaft. Das ist wichtig:  Es sind Menschen in unserer großen  Familie von Menschen. Mit einer besonderen  Ausrichtung auf Gott.“  Doch zumindest das Zuhause der beiden  Ordensfrauen wird durch das Wort „Einöde“  ganz gut beschrieben.

Als ich die Gemeinschaft  besuchte, musste ich nach Langschlag  reisen, hoch hinauf ins Waldviertel,  Richtung Zwettl. Die letzten Meter bis zum  Haus der beiden Eremitinnen waren mit  dem Auto nicht zu bewältigen; ein kleiner  Fußmarsch war angesagt. Versteckt in einer  kleinen Senke hinter einem Wäldchen führte  ein kaum erkennbarer Feldweg zum kleinen  (Ordens-)Haus. In einem Kobel davor beäugten  mich vier Esel mit äußerster Skepsis  (die sie auch für den Rest meines Besuches  mir gegenüber beibehielten). Dann kam mir  Sr. Rebekka entgegen und begrüßte mich,  lachend, voller Fröhlichkeit, voller sprühender  Lebenslust – und mir wurde klar, Weltabgewandtheit  sieht anders aus. 

Zurückgezogenheit ist ein Schatz

„Ich sehe dieses Abgeschieden sein als  Option, die uns mehr Möglichkeiten bietet,  Gott nahe zu sein“, erklärt Sr. Rebekka.  Die Eremitengemeinschaft der „Lavra Lej da Christgarten“ lebt nach den Regeln des  hl. Chariton – doch von dem Klischee des einsamen, weltabgewandten und freudlosen  Einsiedlertums ist nichts zu spüren.  „Doch Zurückgezogenheit ist nicht Voraussetzung,  sondern Begünstigung. Es ist ein  Schatz, in der Einsamkeit leben zu dürfen.  Aber natürlich gehen wir hinaus in die Welt,  in die Stadt, auf Märkte, auf Tagungen.  Nicht so oft, aber immer wieder.“ 

Die EremitInnen der „Lavra Lej da Christgarten“  leben nach den Regeln des heiligen  Chariton (gestorben um 350 in Palästina).  Er gilt als Begründer des geregelten mönchischen  Lebens; der Legende nach hatte  er sich um 330 in eine Laura (Einsiedelei)  zurückgezogen, aus der später das Kloster  Pharan Laura bei Jericho hervorging. Seine  Schüler gründeten nach seinem Vorbild weitere  Lauren in der judäischen Wüste, sein  Nachwirken lebt vor allem in den Klöstern  des Ostens weiter. Nach Deutschland und  Österreich kam die Gemeinschaft erst im  Jahr 2002. 

Die Eremitengemeinschaft des hl. Chariton  ist katholisch, doch die Liturgie feiert sie im  byzantinischen Ritus. Wobei „die Bezeichnung  Eremit sowohl für Frauen als auch für  Männer gilt“, stellt Sr. Rebekka als „Higoumena“  (Leiterin) richtig. „Das ist die neutrale  Form.“

Der Tag wird klar strukturiert durch die Gebetszeiten.  Sieben Mal richten die Eremiten  ihre Aufmerksamkeit ganz auf Gott hin. Morgens  und abends tun sie dies gemeinschaftlich.  Die restliche Zeit wird schweigend verbracht  – und persönlich nach den eigenen  Bedürfnissen gestaltet, ganz im Sinne der  sogenannten Idiorrhythmie, die seit dem  14. Jahrhundert bestehende „eigene Art“  monastischen Lebens im ostkirchlichen  Mönchtum. 

Schweigen heißt aber nicht Däumchen  drehen, im Gegenteil: Der größte Teil des  Tages wird genutzt, um sich den Lebensunterhalt  zu verdienen. Sr. Rebekka ist eine  meisterliche Gold- und Silberschmiedin.  Mit geschickter Hand modelliert sie die  Gleichnisse und die Botschaften Jesu in das  Edelmetall. Ihre Kunstwerke sind mehr als  nur dekorativer Schmuck; es sind funkelnde  Glaubensbekenntnisse. Viele Hochzeitspaare  bestellen bei ihr eigens für sie konzipierte  Eheringe, doch die meisten fertigen Stücke  verkauft die gelernte Restauratorin gemeinsam  mit ihrer Mitschwester Damienne auf  Klostermärkten in ganz Österreich – wenn  das „Büsle“ mitspielt. Der Oldtimer hatte  schon in der Vergangenheit des Öfteren  seinen eigenen Willen durchgesetzt. Was  ihn übrigens mit den Eseln vor der Haustür  eint, die nicht nur für offensichtliche Idylle  sorgen, sondern tatsächlich auch bei Holzschlagarbeiten  ihren Beitrag zum Gemeinschaftsleben  leisten. 

Sr. Damienne (hinten) und Sr. Rebekka bei Holzschlagarbeiten. Foto: Manu Nitsch

Bedingungslos auf Gott vertrauen 

Der Sonntag ist Gemeinschaftstag – da  wird gemeinsam gekocht, geredet, gelacht.  Und wie gelacht wird. Selten noch habe ich  fröhlichere Menschen als Sr. Rebekka und  Sr. Damienne kennengelernt. „Unser Ziel ist,  uns auf der Erde so vorzubereiten, dass wir  schon hier als Töchter oder Söhne Gottes  leben“, sagt Sr. Rebekka. „Und so soll es  auch bleiben, trotz aller Schwierigkeiten, die  dann auch bestanden werden müssen.“ Ja,  Gott sei die Quelle ihrer Fröhlichkeit. „Doch  die Freude an Gott ist nicht so sehr abhängig  von dem, was wir hier erleben. Denn  vieles ist für uns natürlich auch große Belastung.  Wie zum Beispiel ein kaputter Bus.  Aber wenn du ganz unten bist, musst du  dich entscheiden: Gehst du da jetzt in diese  Schimpfkaskaden rein und sagst, jeder Tag  ist ein schlechter Tag. Oder entscheidest  du dich bewusst, ich will auf Gott vertrauen.  Dieses hohe Lied ist bei uns allgegenwärtig.“ 
Es sei die Stille, die hilfreich sei. „Der Informationsfluss  ist heute größer als je zuvor.  Doch was komplett verloren gegangen ist:  Die Menschen kennen sich mit sich selber  nicht mehr aus. Aber gerade deshalb brauchen  wir die Stille“, zeigt sich Sr. Rebekka  überzeugt. „Sie erleichtert den Zugang zu  Gott.“ 
[rs] 

 

 

 

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