Religiöse Vielfalt im Kindergarten und Hort als Chance
„Kindergärten und Horte sind ein Spiegelbild der Gesellschaft“, betonte die Expertin. Deshalb sei es nur zu verständlich, dass heute auch in den katholischen Kindergärten und Horten Kinder mit verschiedenen Religionszugehörigkeiten vertreten seien. „Kinder haben ein Recht, auf ein verantwortungsbewusstes Leben vorbereitet und auch in ihrer religiösen Differenz wahrgenommen zu werden.“
Kaum Kommunikation, wenig Anerkennung
In einer Studie beschäftigte sich Stockinger intensiv mit je einem Kindergarten in katholischer und islamischer Trägerschaft in Wien. In dem einen Kindergarten war die Mehrheit der Kinder katholisch, im anderen muslimisch. Stockinger erforschte in diesem Projekt: Wie gehen Pädagoginnen und Pädagogen und die Leitung der Kindergärten mit religiöser Differenz um? Wie nehmen die Kinder religiöse Vielfalt wahr und wie thematisieren sie diese? Machen sie sich Gedanken zu interreligiösen Fragen? Die Studie ergab, dass im katholischen Kindergarten Religion Teil des Alltags ist. Man sehe das an regelmäßigen Tischgebeten, Festen, Liedern, religiösen Symbolen und Bildern. Im islamischen Kindergarten „ist Religion ein begrenzter Zusatzbereich“. Eine halbe Stunde am Tag sei dem muslimischen Religionsunterricht, dem Koranstudium gewidmet, sonst sei die Zeit frei von Religion. „Generell ist bei beiden Kindergärten der Blick aber mehr auf Herausforderungen als auf Chancen der religiösen Vielfalt gerichtet“, selbst wenn im Leitbild die Offenheit für andere Religionen festgeschrieben sei. Die Kommunikation über religiöse Differenz werde (auch mit den Eltern) häufig vermieden, sei es, weil man die Kinder gleich zu behandeln versuche, Konflikte vermeiden wolle und auf die Zufriedenheit aller Beteiligten setze. „Es gibt eine Dominanz der jeweils größeren Religion und wenig Anerkennung der kleineren Religion“. Die Kinder selbst „thematisieren Religion kaum, wissen wenig über die religiöse Vielfalt, sie wollen einfach dazugehören und bemühen sich um Einstimmigkeit.“
Voll besetzt mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Erhaltern der KKTH war der Thomassaal der Dominikaner. Fotos: Regina Romanek/KKTH
Ein „safe space“ für eine Kultur der Wertschätzung
Welche Möglichkeiten gibt es, damit der Kindergarten religiöse Vielfalt anerkennen kann? Stockinger pointiert: „Wie kann der Kindergarten zu einem ‚safe space‘ werden, wie kann er eine Atmosphäre, einen Raum bieten, in dem Kinder einander begegnen, miteinander lernen und sich auch mit ihrer jeweiligen Religion wertgeschätzt und zugehörig fühlen?“ Konkret gab die Referentin einige Tipps: Man könne beim Beten vor dem Essen verschiedene Gebetshaltungen ermöglichen, den Festkalender der unterschiedlichen Religionen aufhängen und Kindern anderer Religionen zum jeweiligen Religionsfest gratulieren, Feste thematisieren und feiern. Stockinger plädiert für das „Gastmodell“: Kinder bereiten eine Feier oder einen Gottesdienst vor und laden Kinder einer anderen Religion dazu ein. In Büchern, Geschichten, Musik könnten andere Religionen thematisiert werden. „Wichtig ist, Begegnungsmöglichkeiten im Kindergarten und Hort zu schaffen, bei Elterntreffen und Elterngesprächen, die Eltern aktiv z.B. bei Festen miteinzubeziehen, religiöse Fragen der Kinder zuzulassen, gemeinsam nach Antworten zu suchen.“
Freude an der Verschiedenheit der Kinder, sensibler Umgang mit Religion
Die Herausforderungen für die Pädagoginenn und Pädagogen bestehe darin, sich ein Basiswissen der verschiedenen Religionen anzueignen und sich weiterzubilden, viel Kommunikation über religiöse Vielfalt auch im Team zu ermöglichen, nicht übereinander, sondern miteinander vorurteilsfrei zu reden, Konflikte ernst zu nehmen und darüber zu sprechen. Stockinger abschließend: „Freude an der Verschiedenheit der Kinder, ein reflektierter und sensibler Umgang mit Religion schaffen eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung religiöser Vielfalt.“
Das Treffen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Vereinigung Katholischer Kindertagesheime endete mit einer Festmesse in der Dominikanerkirche, zelebriert vom Generalsekretär der Superiorenkonferenz der Männerorden, P. Franz Helm, und mit einer Agape.
Einen Bericht über Sr. Petronilla Herl, die Vorstandsvorsitzende der Vereinigung KKTH, finden Sie auf den Seiten 6-7 im ON 2/2016.
[hw]