Franziskaner Hall in Tirol: Zeitreise durch jahrhundertelange, lebendige Bildungstradition

2023 erschien das Buch „Haller Gym 450“ über das Franziskaner-Gymnasium Hall, das von Gerald Aichner, einem Absolventen des Gymnasiums, geschrieben wurde. (c) Gerald Aichner
1635 wurde den Franziskanern das Anwesen der ehemaligen Haller Glashütte an der unteren Lend zur Gründung eines Klosters überlassen. Da sich das sumpfige Gelände in der Nähe des Inns als ungünstig erwies, begann man ab 1644 mit der Errichtung von Kirche und Kloster in Stadtnähe. So konnte der Bau 1648 am heutigen Standort am Stadtgraben fertig gestellt werden.
Die Geschichte des heutigen Franziskaner-Gymnasiums begann jedoch schon früher, nämlich 1573, also vor über 450 Jahren. Initiiert wurde es von Erzherzogin Magdalena von Österreich, der Gründerin des Haller Damenstifts, welche die Schulleitung dem Jesuitenorden übertrug. Die Eröffnung fand am 18. Oktober 1573 (Lukastag) statt. Das ehemalige Gymnasialgebäude befand sich gegenüber dem Damenstift und dem Jesuitenkloster. Die Jesuiten leiteten die Schule über 200 Jahre bis zur Aufhebung des Jesuitenordens 1773, ein Jahr später wurde das Gymnasium geschlossen. Ab 1790 bemühte sich die Stadt Hall beim Landtag um Wiederherstellung des Gymnasiums, was 1795 durch die Übertragung der Leitung der Schule an die Franziskaner gelang, die damals bereits ein Gymnasium in Bozen führten. 1900 wurde das Gymnasium am heutigen Standort neben dem Haller Franziskanerkloster neu errichtet, von 2007 bis 2009 generalsaniert und erweitert. Als Schulträger des „Öffentlichen Gymnasiums der Franziskaner Hall in Tirol“ fungiert heute die Franziskanerprovinz Austria. Während der Zeit des Nationalsozialismus mussten die Franziskaner die Schule, sowie auch das Kloster und das Internat Leopoldinum, verlassen, 1945 kehrten sie wieder zurück. Seit dem Zweiten Weltkrieg wirkte – bis auf eine Ausnahme einer weltlichen Leitung (1999-2021) – immer ein Franziskaner als Direktor der Schule. Neben Direktor P. Volker Stadler OFM wirken derzeit noch zwei Franziskaner als Lehrer am Haller Gymnasium, auch die Schulseelsorge ist in franziskanischen Händen. Es ist das vermutlich zweitälteste Gymnasium Tirols und viertälteste Österreichs, und gilt bis heute als angesehene Bildungsstätte.
Das 2023 erschienene Werk über das Franziskaner-Gymnasium Hall trägt den Titel „Haller Gym 450“ und wurde von dem Absolventen des Gymnasiums, Gerald Aichner, im Eigenverlag veröffentlicht. Es handelt sich um eine „Zeitungsnachlese“ von 1573 bis in die jüngste Vergangenheit, auf deren Basis der Autor die Geschichte der Institution nachzeichnet. Mit 284 Seiten und etwa 200 Fotos gibt das Werk eine umfassende Übersicht.
Das Werk thematisiert neben der Gründungsgeschichte des Gymnasiums auch die Zeit, als es in eine „nationalsozialistische Erziehungsstätte“ umfunktioniert wurde, namentlich in die „Städtische Oberschule für Jungen“. Das Buch beleuchtet auch die Schicksale jener Schüler, die sich im Widerstand gegen das NS-Regime befanden, den Neustart 1945 und die Wiedergründung des Franziskaner-Gymnasiums Hall in Tirol. Ein eigenes Kapitel ist zudem P. Franz Reinisch gewidmet, dem bis dato der Forschung einzigen bekannten Priester, der den Fahneneid auf Hitler verweigert hatte und deshalb 1942 von den Nazis enthauptet wurde.
Das Buch behandelt nicht nur die Schulgeschichte im engeren Sinn, sondern thematisiert auch die Entwicklung der Studentenstadt Hall, das Studentenleben in Hall sowie die Verbindung zu Institutionen, die dem Franziskaner-Gymnasium parallel liefen, wie die des Schülerheims „Leopoldinum“ und die des nahegelegenen – aber 2024 geschlossenen – Missionshauses St. Josef in Absam, dessen Zöglinge ebenfalls das Haller Gymnasium besuchten. Tatsächlich ist durch die umfassende Behandlung der Umgebung ein „Haller-Buch“ entstanden. Es ist eine interessante Zeitreise einer Tiroler Bildungsinstitution, die sich durch die Jahrhunderte auch gegen Widerstände behauptet hat.
Text: Gerald Aichner, bearbeitet von Br. Pascal Hollaus OFM und Irene Kubiska-Scharl