125 Jahre Marianum Freistadt: Die Bürgerschule der Marianisten

Das Marianum in Freistadt - Mutterhaus, Volks- und Hauptschule, Schülerheim und Bildungshaus. Ansicht des Marianums Freistadt (um 1957).
Nach über einem Jahrhundert verließ der Orden der Piaristen, der die nötige Anzahl geprüfter Lehrer nicht mehr stellen konnte, Freistadt,[1] womit die so genannte Schiffer’sche Schulstiftung des Jahres 1752[2] unerledigt blieb, bis zur Übernahme durch die Gesellschaft Mariä (Marianisten) im Jahre 1900. Diese wurde vor allem durch die Initiative des Linzer Diözesanbischofs Franz Maria Doppelbauer (1845–1908), der wieder eine konfessionelle Schule in Freistadt errichten wollte,[3] möglich gemacht, war jedoch nicht ganz einfach, wie es die Tatsache belegt, dass während der vorausgegangenen Verhandlungen, die „mit Konsequenz und Beharrlichkeit“ auf Seiten der Marianisten von Hippolyt Hamm (1860–1924)[4] geführt wurden, sogar ein Alternativplan in Betracht gezogen wurde:
Schon glaubte man, die Verhandlungen würden sich zerschlagen. Ja, der Linzer Oberhirte lud die Marienbrüder ein, auf Freistadt zu verzichten und dafür in Linz eine Volks- und Bürgerschule zu gründen. Provinzial [Albert] Boehrer [1853–1924] und Direktor [Emil] Vogel [1851–1939] besichtigten im Juni 1898 den angebotenen Bauplatz in Linz, der im schönsten Teil der Stadt lag und 1,5 Joch umfasste. Einem Brief des Direktors Vogel an Superior Hamm zufolge trug sich der Bischof mit dem Gedanken, ½ Joch von dem Bauplatz zu behalten, um darauf das Lehrerseminar zu bauen. [Die Schule der Marianisten] sollte ihm dann als Übungsschule dienen. Die Marienbrüder sollten auch das Internat übernehmen. Die Ordenskandidaten könnten das Seminar besuchen, weil nur Priester als Professoren wirken werden.
Die Gesellschaft Mariä wäre sehr gerne auf das Linzer Angebot eingegangen, aber personelle und finanzielle Gründe verhinderten die gleichzeitige Übernahme von Freistadt und Linz.[5]

Zwei große Gründerfiguren: Provinzial Albert Boehrer (li.) kam 1906 nach Freistadt. Hippolyt Hamm (re.) gilt als geistiger Gründer des Marianums Freistadt.
So fiel man wieder zurück auf das ursprüngliche Ansinnen, die Schiffer’sche Schulstiftung anzutreten bzw. mithilfe von dessen Zinsen, eine neue konfessionelle Schule in Freistadt zu errichten; ein Plan, der nach fast dreijähriger Vorbereitungszeit und der Überwindung verschiedenster Hindernisse zwischen 1900 und 1908 zur Umsetzung kam:
Das Piaristenhaus entsprach aber nicht mehr den Anforderungen eines Schulgebäudes; das war die größte unter vielen anderen Schwierigkeiten. […] Schließlich gestattete der hochlöbliche Landesschulrat, die Privat-Knabenvolksschule im ehemaligen Landhaus der Piaristen, Promenade 46, unterzubringen.
Am 21. August 1900 trafen die Marianisten Direktor Johann Zach [1865–1942] und Herr Adolf Smetana [1874–1914] in Freistadt ein […] Mit Feuereifer warfen sich die Brüder auf die Arbeit und richteten in kürzester Zeit die Schule ein. Tischler und Handwerker der Stadt besorgten sämtliche Einrichtungsgegenstände. Schon am 17. September begann der Unterreicht in den drei Klassen. Alle Plätze waren besetzt, einige Schüler musste sogar abgewiesen werden. […] Mit der Volksschule eröffneten die Brüder, dem Sinn der Schifferschen [sic!] Stiftung gemäß, die Gewerbeschule.
Der Erlaß des hohen k. u. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 22. Februar 1901 erteilte der Privat-Knabenvolksschule das Öffentlichkeitsrecht, bedeutungsvoll für die Marienbrüder, denn nur eine mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule durfte die Zinsen der Stiftung genießen. Am 8. Juni 1901 übergab dann der Bezirkshauptmann von Freistadt [Josef Schwaiger] der Gesellschaft Mariä die Schiffersche [sic!] Stiftung. Bis zu diesem Zeitpunkt leben die Brüder von der Luft, deutlicher ausgedrückt: die gütigen Oberen sorgten für ihre Brüder in Freistadt.[6]

1900 - also vor 125 Jahren - kamen die Marianisten nach Freistadt und prägten seither das oberösterreichische Schulwesen. Ansicht des Marianums Freistadt (um 1957).
In den folgenden Jahren kam es regelmäßig zu großangelegten Neu- bzw. Zubauten, die nicht nur ihren Grund im steten Wachsen der Schule, sondern auch mit der Entwicklung des Ordens in Österreich zu tun hatten; so wurde u. a. 1904 das Bildungshaus der Marianisten von Graz nach Freistadt verlegt als auch 1906 der Sitz der neu errichteten österreichischen Provinz[7] hier geschaffen:
Nun schritt Direktor Zach an den Neubau der Volksschule und kaufte hierfür Grund und Haus, Promenade 46 (7.200 Kr.), die Stadtgemeinde erwarb gleichzeitig das Piaristenhaus auf dem Hauptplatz (19.350 Kr.). Jedes der folgenden zwei Jahre wuchs die Privat-Knabenvolksschule um eine Klasse: im Jahre 1901/02 kam die 4. Klasse, 1902/03 die 5. Klasse dazu.
Der heutige Ostflügel stellt den ältesten Teil des Marianums dar, er entstand 1901/02 und wurde am 26. Juli 1902 von Bischof Dr. Franz Josef [sic!] Doppelbauer eingeweiht. Zwei Jahre später, 1904, fügten die Bauleute Stein auf Stein zum Westtrakt. In einer Zeitspanne von sechs Monaten wuchs das Bildungshaus der Marienbrüder empor, ein beachtenswerter Bau. […] Freistadt sollte die Postulanten und Scholastiker (unsere Ordensjugend) aufnehmen, und diese zogen schon im Herbst 1904 ins neue Bildungshaus ein. Die österreichische Unterrichtsbehörde sah die Hauslehranstalt lieber in eine Privat-Lehrerbildungsanstalt umgewandelt, und nun zwang die Raumnot Direktor Zach zum Bau des Nordflügels, der, im Herbst 1905 fertiggestellt, Ost- und Westtrakt verband.
Da 1907 die Privat-Knabenbürgerschule ins Leben gerufen wurde, blieb nichts anderes übrig, als 1908 im Süden mit der Hauptfront den Prachtbau zu vollenden. Zuvor trug man das liebgewordene Gartenhaus der Piaristen und unserer Gründer ab, und im Herbst 1908 stand das Marianum in seinem monumentalen Geviert da. Das Werk wurde damit im Bau vollendet.[8]

Das Marianum war die erste Bürgerschule des Mühlviertels, deren ausgezeichneter Ruf bis heute widerhallt. Auszug aus dem Buch „100 Jahre Marianisten in Österreich“.
Das Öffentlichkeitsrecht erhielt die Privat-Lehrerbildungsanstalt der Marianisten im Jahre 1907, die Privat-Knabenbürgerschule schließlich 1910, womit sie die erste Bürgerschule des Mühlviertels wurde, deren ausgezeichneter Ruf bis heute widerhallt. – Insofern feiern die Marianisten 2025 ihr 125jähriges Bestehen in Freistadt und können in den kommenden fünf Jahren an ihr bleibendes Wirken – versinnbildlicht durch den Bau des Marianums – erinnern.
Quellen
Manfred Brandl: Gedenktage der Diözese Linz, 1986; S. 143f
N. N.: 100 Jahre Marianisten in Österreich, 1957; S. 38ff
P. Leopold Hörnst SM: Marianum Freistadt (Chronik/Bericht), o. J.
Martin Kolozs
Archiv der Marianisten Tragwein
Region Österreich-Deutschland
[1] Die Quellen geben das Jahr 1760 einheitlich als Beginn an, unterscheiden sich jedoch in der Angabe des Enddatums; hier werden 1871 und 1875 genannt.
[2] Das Stiftungsvermögen zur Gründung und Erhalt einer Schule „aus frommen und wahrhaft christlichem Eifer, der lieben Jugend zu steuern und dem Staate durch eine sorgfältige Unterweisung in dem wahren katholischen Glauben, in den sittlichen Tugenden und sowohl nötigen als nützlichen Wissenschaften getreue Untertanen und rechtschaffene Bürger zu erziehen“, wurde von Maria Regina Capellerin (geb. Schiffer), Maria Clara Schiffer und Rosina Schiffer gegeben; dies waren ein „Wohnhause samt dem anstoßenden Zwinger im Anschlage von 1.000 fl., einen Garten vor der Stadt (600 fl.) und ein Kapital von 43.000 fl.“ (N. N.)
[3] Nach Abzug der Piaristen und vor Eintreffen der Marianisten wurde in Freistadt eine öffentliche Gemeindeschule errichtet und geführt, „zuerst im Piaristengebäude auf dem Hauptplatz, später in einem Privathaus neben der Kirche“. (Hörnst)
[4] H. Hamm war von 1909 bis 1919 Provinzial; er gilt „wenigstens [als] der geistige Gründer des Marianums in Freistadt“ (N. N.); u. a. war er als Novizenmeister in Graz und am Greisinghof (Tragwein) tätig.
[5] Hörnst, S. 1
[6] N. N., S. 39f; Anmerkung: J. Schwaiger war vom 9. Mai 1900 bis 16. Juni 1901 Bezirkshauptmann von Freistadt; vgl. Mein Bezirk, 17.08.2018
[7] Aufgrund des Kirchenkampfes in Frankreich um die Jahrhundertwende wurden sämtliche Anstalten der Marianisten dort geschlossen und die rund 1.500 Brüder in anderen Provinzen weltweit untergebracht. Infolge wurde auf Wunsch des Generalats in Rom die Niederlassungen und Deutschland und Österreich zur österreichischen Provinz zusammengefasst, deren erster Provinzial Albert Boehrer war; vgl. N. N., S. 17
[8] Ebd., S. 40