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Österreichs Ordensleute im NS-Staat 1938 bis 1945

unbedankt loyal und ungewollt widerständig?

Rupert Klieber

 

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Jahrestagung Ordensarchive 2025 in Linz

Der Vortragende Rupert Klieber. (c) ÖOK/rm

 

Vortrag gehalten auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive Österreichs am 5. Mai 2025 in Linz.

 

2025 jährt sich zum achtzigsten Mal das Ende eines Regimes, das statt der visionierten eintausend Jahren gottlob nur verdammte zwölf bzw. in Österreich sieben Jahre währte. Seither tobt das Ringen darum, wie das Verhalten vor allem der kirchengebundenen Basis wie der Amtsträger in dieser Zeit zu deuten sei. Die hier vorgestellte Annäherung an diese Frage widmet sich den Ordensleuten als einer exponierten Gruppe im Spektrum des heimischen Katholizismus; konkret: 5.600 männlichen und 16.700 weiblichen Religiosen (1931).

 

Ein einzigartig ambivalentes Schicksal eines Betroffenen verkörperte der St. Florianer Chorherr und Wiener Kirchenrechtsprofessor Johannes Hollnsteiner (*1895, †1971) beim sogenannten „Anschluss“ Dekan der Wiener Theologischen Fakultät. Der Berater und Beichtvater Kurt Schuschniggs (*1897, †1977) sowie häufige Gast im Salon Alma Mahlers (*1879, †1964) erklärte sich 1938 umgehend für kooperationswillig, wurde aber nach Dachau verfrachtet, wo er erst ein Jahr später auf Intervention der römischen Kurie wieder freikam. Kurz darauf verließ er den Ordensweg, heiratete und verwaltete im Auftrag Joseph Goebbels (*1897, †1945) die in St. Florian deponierten Kunst- und Bücherschätze der aufgehobenen Stifte, wobei er samt Familie im Stift residierte und einmal sogar Adolf Hitler (*1889, †1945) durch die Bestände führte. Das brachte ihm nach 1945 drei Jahre Anhaltelager Glasenbach bei Salzburg für „Ehemalige“ ein. Erst 1947 wurde er als Wiener Theologieprofessor rehabilitiert, um umgehend in den Ruhestand versetzt zu werden.

 

Johannes Hollnsteiner mit Adolf Hitler und anderen NSDAP-Mitgliedern in der Stiftsbibliothek St. Florian

Johannes Hollnsteiner mit Adolf Hitler und anderen NSDAP-Mitgliedern in der Stiftsbibliothek St. Florian. (c) Stiftssammlung St. Florian

 

Nach 1945 betrachteten sich die christlichen Kirchen mit guten Gründen als eines der Hauptopfer des Regimes. Ihre moralische Reputation in der Gesellschaft basierte vor allem darauf, dass der „Kirchenkampf“ in Österreich hunderte Kirchenleute schwer getroffen hatte: allein 300 Kirchenmänner waren „gauverwiesen“, 724 inhaftiert und 110 in einem Konzentrationslager interniert worden; fünfzehn von ihnen wurden formell hingerichtet beziehungsweise zwanzig in Konzentrationslagern ermordet. Einen Umschwung der Interpretation brachte 1963 das Stück „Der Stellvertreter“ des vor nicht allzu langer Zeit verstorbenen Schriftstellers Rolf Hochhuth (*1931, †2020). Dieses stieß eine bis heute anhaltende Diskussion um das „Schweigen“ der Kirchen zu den NS-Verbrechen an, ein Schweigen, das als Mitschuld bzw. Kollaboration gedeutet wurde und wird. Vorher wie nachher wurden die Debatten sehr moralisierend geführt – je später desto häufiger von Leuten mit dem Glück einer späten Geburt, die zumindest bisher in ihrem Leben nie vor dem Dilemma standen, für ein falsches Wort Gericht oder gar Lagerhaft und Tod zu riskieren. Die aktuellen politischen Entwicklungen in aller Welt zeigen uns indes drastisch auf, wie rasch sich so etwas ändern kann. Im Blick auf Österreich verschränkt sich die Diskussion noch mit jener um den autoritären Ständestaat, der von seinen Kontrahenten als repressiver „katholischer Kirchenstaat“ angeprangert wurde – nicht zuletzt auch von den Evangelischen im Lande. Die gemeinsame Regimegegnerschaft ebnete hier den Weg für viele Sozialdemokraten zu den Nationalsozialisten, mit denen sie eine innige Abneigung gegen alles Kirchliche inklusive der Orden verband.

 

Und je länger diese Forschungsdebatte andauert, je mehr Archive geöffnet und Quellen aufgearbeitet werden, desto komplexer wird die Materie – und umso schwieriger auch das Verhalten der Katholiken, Ordensleute und Amtsträger gegenüber dem NS-Regime angemessen zu bewerten. Kann man rund 500 in der NS-affinen „Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden“ lose organisierte Kleriker mit den rund 850 Inhaftierten gegenrechnen? Waren die 1.800 Unterzeichner einer Dankadresse 1938 für die „Feierliche Erklärung“ der Bischöfe repräsentativer für den rund 8.000 Kirchenmänner zählenden Klerus als die rund 1.500 mit Predigt- oder Lehrverbot Betroffenen? War der NS-freundliche Alt-Erzabt Petrus Klotz (*1878, †1967) von St. Peter in Salzburg oder das Aufbegehren der Hartmann-Schwester Maria Restituta Kafka (*1894, †1943) typisch? Bevor wir solche gewichtigen historischen Urteile wagen, müssen wir kurz die Umrisse unseres Gegenstandes zeichnen: Wie präsentierte sich die Ordensszene Österreichs der 1930/40er?

 

Der Aufbruch der Orden in der Pianischen Ära (1846–1958)

Wie die katholische Welt insgesamt, erlebte auch die Donaumonarchie ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Gründerzeit an neuen Gemeinschaften und Niederlassungen von Regularen, vor allem im weiblichen Bereich und mit Schwerpunkt in Städten. Sie machte in unseren Breiten die Einbrüche der Josephinischen Zeit mehr als wett. Dafür gab es mehrere Ursachen: strukturell das rasante Wachstum der Bevölkerung und ihr Drang in die Städte, verbunden mit grassierender sozialer Not; geistig die „katholische Bewegung“, die mit einer neuscholastisch vereinfachten Theologie und in einem überhöhten Papsttum Schutz gegen die vermeintlichen Irrungen der Moderne suchte. Religiöse Konzepte wurden zur „Weltanschauung“ verdichtet, womit man in den Ringkampf der Ideologien stieg. Eine „Re-Christianisierung“ der Gesellschaft sollte möglichst viele Menschen dazu bringen, die Weltsicht der Kirche zu teilen und ihre Angebote anzunehmen. Man nutzte dafür offensiv die Instrumente der bürgerlichen Gesellschaft wie Presse, Vereine, Parteien und schaffte es so, auch bislang politikferne Milieus zu mobilisieren. Kirchlichkeit wird seither in verschiedenen Tempi gelebt: als Teil des kulturellen Herkommens oder mit der Ambition, das Leben einzelner wie auch jenes der Gesellschaft maßgeblich zu bestimmen. Das führte in vielen Ländern zu Kulturkämpfen (vor allem in Ehe- und Schulfragen) und nährte einen Antiklerikalismus variablen Zuschnitts. Liberale, bürgerliche oder protestantisch geprägte Regierungen, wie sie sich im Deutschen Reich ab dem Jahr 1870 formierten, setzten dem ultramontanen Aufbruch der Ordensszene gesetzliche Grenzen. Ein von der liberalen Regierung in Wien erlassenes Klostergesetz von 1873 aber wurde von Kaiser Franz Joseph I. (*1830, †1916) gekappt; die Behörden schwenkten hier allmählich auf Förderung um. Daraufhin absorbierte die Monarchie einen Gutteil des reichsdeutschen Aufbruchs und wurde Zielland geistlicher Immigration, die über 1918 hinaus anhielt. Waren 1882 in der gesamten Westhälfte der Monarchie 29 Männer- und 44 Frauenorden aktiv gewesen, so wirkten 1931 allein in der kleinen Republik Österreich 37 bzw. 57 von ihnen mit 5.645 Männern und 16.699 Frauen. Bemerkenswert war auch deren Herkunft. In der Erzdiözese Salzburg etwa stammten 1937 zwölf Prozent der Weltpriester, aber 35% der Ordensmänner bzw. 29% der Ordensfrauen aus Deutschland – oder überspitzt gesagt: im Ordensbereich war man schon lange vor 1938 „angeschlossen“. Durch die rege Zunahme konnte der Ordensbereich mit dem Wachstum der Bevölkerung mehr als schritthalten: In der Erzdiözese Wien kamen 1870 ebenso wie 1935 auf 10.000 getaufte Männer rund 17 Ordensmänner. Anders aber bei den Frauen: hier verdoppelte sich die Präsenz von 1870 bis 1935 von 22 auf 53 Ordensfrauen je 10.000 Getauften – das Wachstum der Ordensszene war weiblich, in Wien stärker autochthon als im Westen! Besonders agile neue männliche Akteure wie die Steyler Missionare oder Salvatorianer waren hier aber vorwiegend deutscher Zuzug, ergänzt um einen traditionell starken Anteil an Mitgliedern aus Deutsch-Böhmen und -Mähren.

 

Diese besondere politische und kirchliche Gemengelage Ende der 1930er Jahre ist eine der Ursachen dafür, dass die Ordenslandschaft Österreichs nach dem „Anschluss“ besonders gründlich umgepflügt wurde – oder in Worten des Linzer Bischof Johannes Maria Gföllner (*1867, †1941): hier wurde in „unverkennbarer Raschheit und Radikalität“ in sechs Monaten mehr durchgeführt als in sechs Monaten im „Reich“. Zugleich fand sich ein großes Segment des heimischen Katholizismus bereit, das Ideal der „nationalen Volksgemeinschaft“ unter NS-Führung zu akzeptieren, knüpfte daran sogar Hoffnungen auf eine „lichtvollere Zukunft“ des Katholizismus im Reich. Doch dafür war der Zug längst abgefahren. Die maßgeblichen NS-Größen hatten spätestens 1937 die Ambition aufgegeben, die Kirchen als willfährige Player ins System zu integrieren und setzten inzwischen auf konsequente Trennung von Kirche und Staat, was angesichts der verzahnten Verhältnisse in Österreich massive Folgen zeitigen musste. Zudem erklärte Hitler das Land behördenintern schon im Mai 1938 zum „konkordatsfreien“ Raum, was dem gängigen Pochen auf Verträge den Boden entzog und vor allem religiöse Vereine und Gemeinschaften jedes Schutzes beraubte. Rasch wurde das meist von Ordensleuten geführte kirchliche Vorschul- und Schulwesen verstaatlicht oder kommunalisiert. Im Juli und September 1938 erfolgte die Aufhebung der ordensnahen Fakultäten in Innsbruck und Salzburg. Mit der Beschlagnahmung des Stiftes St. Lambrecht (Steiermark) setzten schon im Mai 1938 Enteignungen von Ordens- und Klosterbesitz ein; 1939 folgten Göttweig (NÖ), Engelszell (OÖ), Admont (Steiermark), Stams und Wilten (Tirol), gipfelnd im reichsweiten Klostersturm von 1940/41. Insgesamt betraf das in Österreich 26 „Traditions-Stifte“ sowie 188 andere Niederlassungen. Basis dafür waren flexibel auslegbare Gesetze: 1. Die [nach außen neutrale] Verordnung über die Unterbringung von öffentlichen Dienststellen (27. Juli 1938), die formell zu Miet- und Pachtverträgen mit Orden führte; 2. Die [eindeutig politisch definierte und zu entschädigungslosen Enteignungen führende] Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich (18. November 1938).

 

Die ersten Hausdurchsuchungen und Requirierungen von 1938 wurden von Mutmaßungen über Waffenlager und Propaganda-Material in Klöstern befeuert, basierend auf Denunziationen bzw. Rachegelüsten lokaler Parteigrößen für die sogenannte Systemzeit 1934 bis 1938, ebenso von der Habgier regionaler Unternehmer, die sich fette Stücke vom „Klosterbraten“ erhofften. Darauf folgten die systematische Säkularisierung des Schul- und Heimwesens sowie der erhöhte Raumbedarf von Partei- und Behördenstellen. Die Hauptwelle von Beschlagnahmen 1940/41 wiederum trieb zuerst die zunehmende Umsiedlung von Volksdeutschen an (u. a. aus dem Banat und der Bukowina), dann eine verschärfte Gangart der Gestapo Heinrich Himmlers (*1900, †1945) – nicht zuletzt als Reaktion auf das kirchliche Aufmucken in Sachen Behindertenmorde – bis ein „Führererlass“ die Aktion Klostersturm am 30. Juli 1941 offiziell stoppte. Generell folgten auch die Maßnahmen in Österreich einem schon im Reich gezeigten Muster: Erstens führte man Erhebungen zu Sittlichkeitsdelikten durch; zweites wurden Ordensgemeinschaften verstärkt besteuert; drittens die Nachwuchspflege durch Mittel der Arbeitsmarkverwaltung, dann durch Einberufungen behindert; viertens Ordenskräfte aus den Schulen verbannt; fünftens das Kindergartenwesen entkonfessionalisiert; und schließlich das kirchliche Schul- und Heimwesen zerschlagen.

 

Ungeachtet dessen gilt es Mythen abzubauen. Das Ordensleben in Österreich wurde keineswegs liquidiert und blieb insofern schon stabil, als von den Betroffenen (rund 22.000 Personen) nur eine verschwindende Minderheit den Ordensweg verlassen hat – mit Hollnsteiner wurde bereits ein prominentes Beispiel erwähnt. Auch waren von den 275 Niederlassungen männlicher, 1.123 weiblicher Religiosen-Gemeinschaften nur 214 von Konfiskationen betroffen (214 von 1.400 = 15 Prozent). Die Bevölkerung außerhalb der tangierten Orte und Städte erfuhr davon wenig; anders als im Reich kam es auch praktisch nirgendwo zu Protesten – ansatzweise in Stift Schlägl (OÖ). Ein Mythos ist auch, dass die Maßnahmen einem NS-Masterplan folgten, wie das die ältere Literatur oft gemutmaßt hatte. Die NS-Ordenspolitik war hier wie in anderen Feldern vielmehr system- und ideologie-bedingt sprunghaft.

 

So herrschte gerade in Kirchenfragen ein heilloses „Kompetenz-Wirrwarr“, rivalisierten eine Reihe von Personen und Dienststellen um Macht und Einfluss. Involviert waren: 1. der „Führer“ Adolf Hitler; 2. die Reichskanzlei; 3. das Reichsministerium für Kirchen-Angelegenheiten; 4. Martin Bormann (*1900, †1945) und die Parteikanzlei; 5. Heinrich Himmler und sein SS-Imperium; 6. (wie meist übersehen) die Volksdeutsche Mittelstelle, zuständig für die vielen umgesiedelten Volksdeutschen, die primär in Ordenshäusern untergebracht wurden. In der „Ostmark“ agierten die Parteigranden in den ersten Monaten nach dem „Anschluss“ in hohem Maße willkürlich. Formell wurde hier die Zuständigkeit im Herbst 1940 dem Kirchenminister entzogen und vom Leiter der Parteikanzlei Martin Bormann ein Jahr später den Reichsstatthaltern übertragen. Entsprechend uneinheitlich fiel das Behördenhandeln auf diesem Gebiet aus.

 

Anschluss 1938

Abb. 3: Der „Anschluss“ in Salzburg am 12. März 1938. (c) ÖNB

 

Traditionell unkoordiniert agierten aber auch die betroffenen kirchlichen Stellen. Die notorisch föderalistischen Kirchenstrukturen der (vielfach) autonomen Bistümer, Klöster und Orden verhinderten ein geeintes Vorgehen. Auch die Koordinierung innerhalb der Bischofskonferenzen von Österreich, Freising und Fulda erfolgte meist nur informell; man konnte keine für alle bindenden Beschlüsse fassen. Gängige Praxis war es daher, dass Dutzende Bischöfe und Ordensobere eigenständig ihr Glück in Eingaben, Beschwerden, Appellen bei zuständigen Behörden, Amtsträgern oder Parteigrößen suchten, was angesichts des geschilderten „Kompetenz-Wirrwarrs“ meist zum Scheitern verurteilt war. Das bevorzugt adressierte, da formell zuständige Kirchenministerium war zugleich der schwächste Akteur im NS-Behördenpoker. Der Tenor der Eingaben orientierte sich gleichsam am biblischen Prozess-Verhalten Jesu laut Johannes-Evangelium: Wenn wir Unrecht getan haben, so weist uns das Unrecht nach; haben wir aber kein Unrecht getan, warum verfolgt ihr uns?

 

Davon abgesehen gab es aber in einzelnen Diözesen sowie bei den Orden einige wenige bemerkenswerte Versuche zur Abstimmung des Verhaltens, die noch unzureichend erforscht sind – auch weil sie weitgehend wirkungslos blieben. Schon am 27. April 1938 fand in Innsbruck eine Konferenz der österreichischen Ordensoberinnen statt, die nach bayerischem Modell eine Arbeitsgemeinschaft der Lehr- und Erziehungsorden als alleinige Ansprechpartnerin der Behörden anregte. Sie fand keine Mehrheit; man verwies auf unterschiedliche Verhältnisse, befürchtete die leichtere behördliche Manipulierbarkeit eines Dachverbandes. Daraufhin bestellte Salzburgs Erzbischof Sigismund Waitz (*1864, †1941) aber noch im selben Jahr Generalvikar Franz Simmerstätter (*1898, †1997) zum Kommissär aller Ordenseinrichtungen im Erzbistum, deren Rechte aber unangetastet bleiben sollten. Es entstand daraus tatsächlich eine „Arbeitsgemeinschaft der Salzburger Klöster“, die sich gegen bereits erfolgte wie drohende Maßnahmen zu wappnen suchte. Anregungen holte man sich von Weisungen des Primas von Ungarn, János Csernoch (*1852, †1927), vorgesehen für die Orden in der Zeit des kommunistischen Rätestaates Ungarn 1918/19. Diese sahen unter anderem vor, dass Ordensleute ihr Haus nicht eher verlassen dürften, als sie dazu gezwungen würden. Sie forderten auch die weitere Einhaltung von Gelübden sowie das Bemühen, gemeinschaftliches Leben aufrecht zu erhalten. Lebenszeichen dieser Arbeitsgemeinschaft erloschen im Februar 1939; Simmerstätter wurde im selben Jahr verhaftet und erhielt Gauverweis. In irgendeiner Weise widerständiges Handeln (Protest, Verweigerung von Anordnungen, rechtliche Schritte, Information der Öffentlichkeit etc.) war in diesen Anweisungen nicht vorgesehen. Die österreichischen Bischöfe sprachen die Thematik erstmals in ihrer Denkschrift an Hitler vom 28. September 1938 in wenigen Sätzen an. Die Bischofskonferenz Fulda raffte sich erst im August 1941 zur Einrichtung eines „Ausschusses für Ordensangelegenheiten“ auf, als die Hauptwelle der Enteignungen bereits abgeschlossen war.

Schon aus dem bisher Thematisierten lässt sich erahnen, dass die Geschichte der Religiosen zur NS-Zeit komplex bzw. keine reine Helden- oder Opfergeschichte ist. Komplexen Sachlagen sucht die Historiografie bevorzugt durch Typenbildung beizukommen. Welche Arten von Schicksalen und Reaktionsweisen lassen sich unterscheiden und an konkreten Beispielen illustrieren? Am Beginn steht eines der Extreme:

  1. [Deklarierte] Regime-Befürworter:

Sie bilden eine vor allem 1938 noch bedeutsame Gruppe, zusammengesetzt aus „Anschluss-Befürwortern“ und veritablen „Führer-Begeisterten“, die in Hitler die Vorsehung bzw. Gottes Werkzeug für das Schicksal der Deutschen am Werk sahen. Sie umfasste primär weltgewandte Äbte, Professoren von Stiftsgymnasien (darunter vereinzelt geheime Partei-Mitglieder), ebenso viele aus der großen Gruppe der aus Deutschland oder Deutsch-Böhmen/Mähren stammenden Ordensleute. Ein prominentes Beispiel für diese Gruppe ist der Abt des steirischen Stiftes Rein, Ernst Kortschak (*1879, †1957), der wohl kein formelles Parteimitglied war, jedenfalls aber beste Kontakte zu steirischen Parteigrößen pflegte. Vor der Volksabstimmung im April 1938 stellte er sich als Versammlungsredner zur Verfügung und warb im Habit des Abtes um Ja-Stimmen. Ähnlich tickten Abt Benedikt Reetz von Seckau (*1897, †1964), der Stiftsdechant Alois Nikolussi (*1890, †1965) von St. Florian oder Alt-Erzabt Petrus Klotz von St. Peter in Salzburg. Kortschak und Nikolussi gehörten zudem über deren Verbot hinaus der NS-affinen „Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden“ an. Anfänglich gehörte zu dieser Gruppe auch der Klosterneuburger Roman Scholz (*1912, †1944), der sich als Primiz-Geschenk von den Eltern eine SA-Uniform (!) wünschte. Im Rückblick erstaunt die „Blauäugigkeit“, mit der nicht wenige auf den „Anschluss“ reagierten – nach schon fünf Jahren leidvoller Erfahrung in Deutschland und einer kritischen Papst-Enzyklika („Mit brennender Sorge“). Verantwortlich dafür war nicht zuletzt die vom schwäbischen Publizisten und Laientheologen Joseph Eberle (*1884, †1947) ab 1932 in Wien herausgegebene führende katholisch-intellektuelle Wochenzeitschrift „Schönere Zukunft“, in der fast die gesamte Palette der katholischen Intelligenzija inklusive mancher Bischöfe publizierte. Das rechtskatholische Blatt war zeit seiner Existenz bis 1941 auch in Deutschland (dort mit 14.000 Abonnenten) zugelassen und sparte Kritikpunkte am Nationalsozialismus weitgehend aus. Die Novemberpogrome 1938 etwa billigte Eberle als Reaktion auf die „jüdische Schuld der Vergangenheit“.

  1. [Deklariert unpolitische] Pastoral-Idealisten:

Diese schon bedeutend größere Gruppe speiste sich vor allem aus den sogenannten modernen Bewegungen (Liturgie- und Bibelbewegung, Reformbenediktiner von Maria Laach, Schönstattbewegung, Bund Neuland). Gemäß dem von Pius XI. (*1857, †1939) auch für die „Katholische Aktion“ ausgegebenen und in Konkordaten der Zeit verankerten Motto wollten sich die in ihnen engagierten Priester dezidiert aus der Politik heraushalten („Wir kennen keine Parteien, nur unsterbliche Seelen“) und suchten auf Basis moderner Ansätze der Liturgie und Pastoral explizit auch das Gespräch mit nationalsozialistischen Kreisen, was sie dem Regime sehr nahe rückte. Einen bekannten Vertreter dafür stellte Klosterneuburg mit dem Chorherrn Pius Parsch (*1884, †1954) und seiner Liturgie- und Bibelbewegung. Zwei aus seinem Team traten der brückenbauenden „Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden“ bei, sein engster Mitarbeiter Josef Casper (*1906, †1951) beantragte sogar die Parteimitgliedschaft.

Die anteilsmäßig bei Weitem meisten Religiosen aber stellten

  1. [Sich „dreinfügende“ oder „trotz allem“] Loyale:

Dazu gehörten vor allem jene, die von so gut wie keinen Restriktionen betroffen waren. Rund 15 % der Ordenshäuser wurden requiriert, was umgekehrt bedeutet, dass 85 % fortbestanden und das geistliche Leben und Wirken weitgehend in gewohnten Bahnen fortführen konnten – rein statistisch: 14.000 von 16.500 Frauen, 4.500 von 5.500 Männern. Beispiele dafür sind in Salzburg etwa das benediktinische Frauenstift Nonnberg (ca. 85 Frauen) oder die Loreto-Schwestern (ca. 30 Frauen). Sehr viel mehr gefordert waren alle Schulorden, die praktisch über Nacht ihr bisheriges Betätigungsfeld und (oft alleiniges) Einkommen verloren, nachdem immerhin rund 1.400 Privatschulen, Heime und Kindergärten geschlossen worden waren. Das betraf im selben Gau Salzburg sehr hart die Halleiner Schulschwestern, konkret: 262 Frauen in der Zentrale in Hallein sowie an 25 weiteren Einsatzorten. Sie alle wurden sukzessive von ihren Aufgaben vertrieben, dann enteignet und schließlich gar aus dem Land verdrängt. Die Oberinnen bemühten sich mit enormem Einsatz um Möglichkeiten zur Umschulung sowie um neue Einsatzfelder: in Krankenhäusern, Lazaretten, Armen- und Altersheimen, Pfarren und Kanzleistuben. Die über Jahre in alle Windrichtungen Zerstreuten blieben faktisch alle der Kongregation treu und fanden sich nach 1945 wieder in Hallein ein – ein eindrucksvolles Zeugnis der Treue zum einmal gewählten Lebensweg.

 

Der Gang dreier Halleiner Schulschwestern zum Verhör

Abb. 4: Der Gang dreier Halleiner Schulschwestern zum Verhör. (c) Archiv der Halleiner Schulschwestern

 

Im Vergleich dazu hatten die großen enteigneten Männerstifte „Luxus-Probleme“: Ein Gutteil der Betroffenen kam in Stiftspfarren unter, wo man nun enger zusammenrücken musste. Der restliche Teil des Konvents von St. Florian übersiedelte etwa in das dem Stift gehörende ehemalige Kloster Pulgarn bei Steyregg; jener von St. Lambrecht nach Mariazell. Die Pfarrnetze der österreichischen Stifte waren der römischen Kurie seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge gewesen und von ihr in den gründlichen Visitationen nur wenige Jahre zuvor erneut kritisiert worden – jetzt waren sie Goldes wert! Die Pröpste, Äbte, Oberen suchten das Schicksal nach Kräften durch Behördeneingaben, Proteste, Gesuche oder Bittschriften bei Leuten, die NS-Größen nahestanden, abzuwenden oder wandten sich direkt an diese – nicht immer, aber meist vergeblich. Manche erwogen juristische Einsprüche, was man mangels Aussicht jedoch meist verwarf. Zuletzt aber fügten sich alle erstaunlich gleichmütig ins Schicksal – die Narrative der Geschichten sowohl der alten Orden wie der jungen Kongregationen kannten solche Einschnitte nur zu gut: aus den Zeiten der Reformation, der Aufklärung, des Kulturkampfes, der Missionen – das vermittelte offenbar Gelassenheit.

 

Deutlich weniger Ordensleute verzeichneten demgegenüber die beiden letzten Kategorien:

  1. Punktuell Widerständige:

Dass Ordensleute offenen zivilen Ungehorsam gegenüber behördlichen Anordnungen wagten, geschah erwartungsgemäß selten. In der Literatur genannt werden vor allem zwei Fälle, die beide Frauen betrafen und zugleich die zwei feststellbaren Motive abdecken: den Einsatz für schutzlose Dritte sowie den zugemuteten Verstoß gegen Ordensregeln. Ein prominentes Beispiel dafür ist die aus einem schwäbischen Adelsgeschlecht stammende Oberin und Visitatorin der österreichischen Provinz der Vinzentinerinnen (Barmherzige Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul) mit Sitz in Salzburg, Anna Bertha Königsegg (*1883, †1948). Sie vertrat in der Erzdiözese mit mehr als 400 Frauen in rund 80 Filialen die größte Frauenkongregation am Ort, die den Pflegedienst am Landeskrankenhaus sowie im Kardinal-Schwarzenberg-Krankenhaus in Schwarzach versah und große Behinderten-Einrichtungen des Landes unterhielt. Schon 1940 untersagte Königsegg den rund einhundert Mitschwestern am Landeskrankenhaus jede Mitwirkung bei Sterilisationen. Als die Abschiebung von Behinderten drohte, bot sie deren Verpflegung auf Kongregationskosten an und stellte in Aussicht, dass die Schwestern jegliche Zuarbeit für die Aktion verweigern würden. Sie wurde für elf Tage in Haft genommen, welche man zum Abtransport der Behinderten unter teilweise dramatischen Bedingungen nutzte.

 

Ein einmaliges Zeichen der partiellen Widerständigkeit setzten in eigener Sache auch Frauen aus einer streng abgeschotteten Welt in Tirol, wo Gauleiter Franz Hofer (*1902, †1975) eine besonders rigorose Kirchenpolitik praktizierte. 43 Schwestern des Klosters der Ewigen Anbetung in Innsbruck, die älteste 86 Jahre alt, weigerten sich 1940 mit Hinweis auf die päpstliche Klausur, einem Räumungsbefehl zu folgen. Wenige Tage später brachen die Gestapo-Leute die Schlösser auf und zerrten jede einzelne Schwester mit je zwei Mann aus dem Haus in wartende Autos. Ein „Kollateralopfer“ dieser Aktion war Generalvikar Carl Lampert (*1894, †1944).

 

Zuletzt folgen als kleine, aber gewichtige Kategorie

  1.  [Erklärte] Regime-Gegner:

In diesem Kontext wird meist auf drei lose organisierte Gruppen hingewiesen, in denen auch Ordensleute federführend beteiligt waren. Das betraf die „Österreichische Freiheitsbewegung“, organisiert vom Klosterneuburger Chorherrn Roman Scholz 1939/40 zusammen mit dem frischgebackenen Historiker Viktor Reimann (*1915, †1996) – beide vorher begeisterte Nationalsozialisten und Parteianwärter, und getragen nicht zuletzt von Klosterneuburger Schülern des Religionslehrers Scholz. Die Gruppe wurde 1940 durch Spitzel in den eigenen Reihen verraten.

 

Hierher gehört auch die in Wien gegründete, von Ständestaat-Funktionären, Heimwehrlern und Legitimisten getragene „Großösterreichische Freiheitsbewegung“ (sogenannte Kastelic-Gruppe), die über den schillernden Zisterzienser Gebhard Rath (*1902, †1979), später Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs (1956–1968), auch Eingang ins Stift Wilhering fand und in Kontakt zur Scholz-Gruppe trat. Im Gefolge von deren Aufdeckung wurde im Juli 1940 auch sie zerschlagen; leichtsinnigerweise hatte man Mitgliederkarten geführt. Weiters zählt dazu die „Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs“, die sich Anfang 1942 in Kärnten um einen Weltgeistlichen gesammelt hatte und viele Mitglieder des nun verbotenen Cartell-Verbandes (CV) umfasste. Sie trat mit Flugblättern in Erscheinung [„Braune Verbrecher haben unsere Heimat verraten …“; „Kärnten und unser Österreich müssen wieder frei werden vom preußischen Joch“], die über Vermittlung eines Franziskaner-Novizen auch im Wiener Franziskanerkloster gedruckt wurden, wodurch die Franziskaner P. Angelus Steinwender (*1895, † 1945) und P. Kapistran Pieller (*1891, †1945) involviert wurden. Auch diese Gruppe wurde 1943 entdeckt, dreizehn Aktivisten wurde der Prozess gemacht. Alle genannten Gruppen stellten zusammen rund 300 eingeweihte Personen. Bei allem Respekt vor den Betroffenen und ihren Absichten muss man freilich nüchtern konstatieren: Was diese Gruppen verband, waren ein mitunter sträflicher Dilettantismus und unrealistische Zukunftsszenarien (z. B. Großösterreich samt Bayern und Ungarn; Restaurierung der Monarchie, Befreiung Schuschniggs aus dem KZ Sachsenhausen u. a. m.) – kurzum Konzepte ohne jede Aussicht auf Erfolg oder Relevanz.

 

Für die Kategorie der Regimegegner sei deshalb zuletzt ein vergleichsweise unbekannter Ordensmann aufs Podest gehoben: der Vorarlberger Pallottiner und Aktivist der Schönstattbewegung Franz Reinisch (*1902, †1942), der – soweit bekannt – als einziger Priester im gesamten Reich nach seiner Einberufung 1941 den Fahneneid auf Hitler verweigerte und dafür in den Tod ging. Er argumentierte mit der bolschewistischen Kirchenpolitik der NS-Regierung, die er nicht unterstützen könne. Deshalb erklärte er sich willig, „für Christus, den König, und für die deutsche Heimat sein Leben hinzuopfern, damit Christus der Herr diese antichristlich-bolschewistischen Kräfte und Mächte des Auslandes sowie in der Heimat besiegen möge.“

 

Zuletzt sind Differenzierungen dringend einzumahnen. Es gilt vor allem „Regime-Opfer“ und „Widerständige“ klar voneinander zu unterscheiden. Gemaßregelte, ja sogar zu Tode Gebrachte gab es aus fast allen genannten Kategorien – unabhängig davon, ob sich die Betroffenen als Regimegegner verstanden oder nicht. Die meisten wurden nicht wegen einer unbeugsamen religiösen, menschlichen und gar demokratischen Haltung verfolgt, sondern fielen vielmehr Denunzianten bzw. dem „Pfaffenhass“ lokaler NS-Bonzen zum Opfer, die durch „Gummiparagraphen“ (wie Heimtücke-Gesetz, Wehrkraftzersetzung etc.) und ein willfährig gemachtes Rechtswesen freies Spiel hatten. Deshalb ist ein allfälliges Versagen der Kirchenleute auch nicht erst beim „Anschluss“ 1938 oder dem Beginn der Shoa 1942 anzusetzen, sondern deutlich früher, als sich 1933 in Deutschland wie in Österreich so gut wie keine kirchlichen Verteidiger des Parlamentarismus fanden und offenbar nur wenige die Weitsicht aufbrachten, dass eine fehlende Gewaltenteilung unkontrollierte Macht bedeutet und diese wiederum zur Erosion des Rechtsstaates und damit zur Willkür mit einer wachsenden Schar von Opfern führt – power corrupts, and absolute power corrupts absolutely. Als die katholische Zentrumspartei in Deutschland und die Wortführer des katholischen Österreichs 1933 die Ausschaltung des Parlamentarismus hinnahmen oder gar beförderten, kam ihnen offenbar nicht in den Sinn, dass sich ein solches System zuletzt gegen sie selbst richten könnte. War aber der Rechtsstaat einmal verloren, halfen Bitten und Protestieren bei Machthabern nur mehr wenig.

 

Zuletzt sei ein allgemeines Resümee gewagt. Der Ordenssektor fügt sich ins Gesamtbild des Katholizismus der Zeit. Seine Amtsträger ebenso wie die im engeren Sinn gläubige Basis waren zu keinem Zeitpunkt „Nazi-Kirche“, aber eben auch kein „Widerstandnest“. Ihre Wortführer konnten sich nicht dazu durchringen, den NS-Staat im Sinne des hl. Augustinus als „Räuberstaat“, dem man keinen Gehorsam schuldet zu brandmarken und ihm damit die Legitimität abzusprechen. Man blieb grundsätzlich loyal. Aber es war eine „Loyalität mit Grenzen“ und unter Protest, der lauter und opferreicher war als der von anderen Playern der Gesellschaft. Die Loyalität galt auch nicht dem NS-Verbrecherstaat, sondern der Fiktion eines weiterbestehenden „Rechtsstaates“, den man in unzähligen Eingaben zur Einhaltung von Gesetzen und Zusagen drängte – nicht immer ohne Erfolg.

 

Sand ins Getriebe streuten die Kirchen sehr viel mehr indirekt, dafür aber ins innerste Räderwerk: im Bewahren und Schaffen geistig-geistlicher Inseln durch traditionelle und neu kreierte gottesdienstliche wie seelsorgliche Angebote, durch ein zähes Ringen um die Deutungshoheit über Geschehnisse und Begriffe. Diese Form geistiger Hygiene bestärkte eigene Überzeugungen und schuf Alternativen zu den täglichen Zumutungen des Regimes. Spätestens ab September 1938 ließen die Kirchenführer auch vermehrt erkennen, dass ihre Haltung eine „Loyalität mit Grenzen“ war, sobald es den innersten Kern eigener Normen anging, etwa in Fragen des Lebensschutzes von Behinderten. Dass diese Grenzen nicht auch in anderen Bereichen, vor allem hinsichtlich der Vernichtung des Judentums enger und deutlicher gezogen wurden, ist im Nachhinein sehr zu beklagen. Unser Bedauern darüber darf jedoch nicht dazu führen, von den Generationen vor uns selbstgerecht ein Maß an Einsicht und Bekennermut einzufordern, das wir selbst vermutlich auch nicht aufgebracht hätten. Eines aber ist auch uns sehr wohl möglich und dringend geboten: Uns aus Gottesfurcht und Menschenliebe gegen jedes Abgleiten in autoritäre Strukturen einzusetzen, das aktuell leider weltweit wieder droht. Historia docet!

 

Rupert KLIEBER absolvierte an den Universitäten Salzburg und Wien sowie an der Université de Reims (F) Studien in Katholischer Theologie, Geschichte sowie mehrere Semester Kunstgeschichte. Von 1989 bis 1994 war er als Mitarbeiter bzw. Assistent am Institut für Kirchliche Zeitgeschichte des Internationalen Forschungszentrums Salzburg tätig. 1998 habilitierte er am Institut für Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien im Fach Kirchengeschichte. Seit 1999 ist er als Dozent für Kirchengeschichte am Institut für Kirchengeschichte bzw. Institut für Historische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien tätig. Von 2007 bis 2011 war er Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft katholischer KirchenhistorikerInnen Österreichs“.

Kontakt: rupert.klieber@univie.ac.at

 


Literaturverzeichnis:

Annemarie FENZL, Die Erzbischöfliche Hilfsstelle für nichtarische Katholiken in Wien, in: Christine KANZLER u.a., „… den Vormarsch dieses Regimes einen Millimeter aufgehalten zu haben …“. Österreichische Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Wien 2015.

Benedicta Maria KEMPNER, Nonnen unter dem Hakenkreuz. Leiden – Heldentum – Tod, Würzburg 1979.

Maximilian LIEBMANN–Hans PAARHAMMER–Alfred RINNTHALER (Hg.), Staat und Kirche in der „Ostmark“, Frankfurt a. M. 1998.

Franz LOIDL, Zum nationalsozialistischen Klostersturm. Eine Ergänzung, Wien 1977.

Annette MERTENS, Himmlers Klostersturm. Der Angriff auf katholische Einrichtungen im Zweiten Weltkrieg und die Wiedergutmachung nach 1945, Paderborn–München–Wien–Zürich 2006.

Jan MIKRUT (Hg.), Blutzeugen des Glaubens. Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Bände I–III, Wien 1999/2000.

Jan MIKRUT (Hg.), Österreichs Kirche und Widerstand 1938–45, Wien 2000.

Benno ROTH, Beschlagnahme und Enteignung der Benediktinerabtei Seckau in Obersteiermark am 8. April 1940 durch die Gestapo, Seckau 1965.

Alkuin Volker SCHACHENMAYR (Hg.), Der Anschluss im März 1938 und die Folgen für Kirche und Klöster in Österreich, Heiligenkreuz 2009.

Nina SCHOLZ–Heiko HEINISCH, „… alles werden sich die Christen nicht gefallen lassen.“ Wiener Pfarrer und die Juden in der Zwischenkriegszeit, Wien 2001.

Helmut WAGNER, Der NS-Kirchenkampf in den Pfarren, Linz 2008.

Erika WEINZIERL, Zu wenig Gerechte. Österreicher und Judenverfolgung 1938–1945, Graz–Wien–Köln 1997.

Rudolf ZINNHOBLER (Hg.), Das Bistum Linz im Dritten Reich, Linz 1979.

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