Das Wappen von Abt Leopold Baumberger

Das Wappen von Abt Leopold Baumberger. (c) Simon Petrus o.praem.
Im persönlichen Wappen des 56. Abtes des Stifts Wilten, Leopold Baumberger, findet sich eine markante Figur, die in der Heraldik sehr selten verwendet wird: Der Holunder. Zwei Beispiele, die ich finden konnte, haben interessanterweise alle einen Bezug zur Umgebung von Stift Wilten. Ein gewisser Philipp Holler aus Tirol erhielt von Kaiser Rudolph II. 1582 einen Wappenbrief. In Hollers Wappenschild ist lediglich „in Silber ein befruchteter Holunder-Baum“ zu sehen.
Wappen der Hol(l)er von Doblhoff. (c) Siebmacher’s großes und allgemeines Wappenbuch, Bd. IV, 10. Abteilung, Nürnberg 1899. Tafel 18.
Ebenfalls von 1582 stammt das Wappen des Ulrich Freywis (oder Freiwiser), der als „Bürger in Feldkirch und Innsbruck“ bezeichnet wird. Es zeigt in Gold zwei verschlungene Holler auf einem schwarzen Dreiberg.
Holunder im Wappen
Aber warum hat nun Abt Leopold den Holunder ins Wappen aufgenommen? In der Gründungslegende von Stift Klosterneuburg bei Wien kommt ein Holler-Strauch vor. Sie erzählt, dass Agnes, der Frau des Stifters Leopold, kurz nach der Hochzeit ein Windstoß den Schleier davongetragen habe. Jahre später sei der an einem Holunder-Strauch wiedergefunden worden. Dann sei dem Markgrafen die Gottesmutter erschienen und habe ihn aufgefordert, an dieser Stelle ein Kloster zu errichten. Der neue Wiltener Abt hat das Gewächs daher zunächst als dezenten Hinweis auf seinen Namenspatron, den heiligen Leopold, gewählt. Außerdem ist der Holler eine geschätzte Heilpflanze und erinnert so an den ersten Beruf des Prälaten, den des Apothekers. Zusammen mit dem heraldischen (Drei-)Berg ergibt sich damit ein redendes Wappen: Leopold Baum-Berger.
Das Wiltener Abtei-Wappen bestand im 15. Jahrhundert zunächst aus zwei separaten roten Schilden, die mit den silbernen Attributen der heiligen Patrone des Klosters, Laurentius (ein Rost) und Stephanus (drei Steine), belegt waren. Ein dritter Schild kam im 17. Jahrhundert hinzu: Grün mit einem silbernen Balken, als Phantasie-Wappen des legendären Gründer-Riesen Haymon gedeutet.
Abt Andreas Mayr (1621–1650) kombinierte schließlich diese drei Schilde zu einem, was in der Folge das Wiltener Stiftswappen geblieben ist. Es wird wie folgt in heraldischer Sprache beschrieben: „In Rot eine grüne, geschweifte Spitze mit einem silbernen Balken belegt; vorne ein silberner Rost, hinten drei silberne Steine.“
Wappenschild des Stiftes Wilten. (c) Simon Petrus o.praem.
Unterschiedlicher Umgang mit persönlichen Wappen
Die einzelnen Prälaten sind im Laufe der Geschichte ganz unterschiedlich mit diesem Wappen umgegangen, wenn es darum ging, damit ihr persönliches zu gestalten. Manche kombinierten die Elemente des Stiftswappens mit ihren eigenen in einem einzigen Schild. Andere nahmen die ursprünglichen drei Schilde wieder auseinander und stellten ihren eigenen als vierten hinzu. Einige Wiltener Klostervorsteher ließen diese Teile bei den unterschiedlichsten Verwendungen jeweils ganz verschieden zusammenfügen: mal in einem einzigen Wappenschild, dann wieder mit zwei, drei oder sogar vier Schilden als Allianz-Wappen beieinander.
Diözesanbischöfen, Äbten und Pröpsten steht es zu, das Wappen der Institution, der sie vorstehen, als Ganzes in ihr eigenes zu übernehmen, und zwar an einer „vornehmen Stelle“. Das ist z. B. die obere oder die vordere Hälfte des Wappenschildes, ein Herzschild oder, wie es Abt Raimund in seinem gevierten Schild getan hat, das 1. und das 4. Feld. Abt Leopold hat nun in seinem das Stiftswappen oben als sogenanntes „Schildhaupt“ eingefügt. Den mittleren Teil wollte er dabei etwas nach oben geschoben haben, um dem Holler-Baum noch mehr Platz zu geben.
Prälaten-Wappen an Quasten erkennbar
Prälaten-Wappen erkennt man an den drei Reihen von Quasten, die wie eine Pyramide rechts und links neben dem Schild vom „Galero“ herabhängen. Dieser Hut kennzeichnet heute das Wappen aller katholischen Kleriker – bis auf den Papst. Entstanden ist die Kopfbedeckung aus einem markanten runden Sonnen- und Regenschutz, den die Pilger unter ihrem Kinn festschnürten.
Christus und die Emmaus-Jünger, einer mit Pilgerhut. (Brevier des Reginald von Bar, Anfang 14. Jahrhundert. Verdun, Bibliothèque municipale, ms. 0107, f. 092.) (c) Institut de recherche et d'histoire des textes - CNRS
Seit das Staatssekretariat 1969 mit einer Instruktion die Mitra über den Bischofswappen abgeschafft hat, erinnert der Pilgerhut alle Geistlichen – selbst infulierte Prälaten – daran, dass sie selber auch zum „Volk des Neuen Bundes auf seiner Pilgerschaft zur ewigen Seligkeit“ gehören, wie es das II. Vatikanische Konzil betont hat (Lumen Gentium, 21). Hut, Schnüre und Quasten sind übrigens bei den Prämonstratensern ausnahmsweise weiß und nicht schwarz, wie es sonst bei Diakonen und Priestern, Äbten und Pröpsten vorgesehen ist.
Äbtissinnen, Äbte und Pröpste hängen an das Pedum hinter ihrem Wappenschild ein Velum, das unter allen Vorstehern lediglich die Ordensleute benutzen dürfen: den Pannisellus. Mit diesem Tuch, auch Sudarium oder Orarium genannt, ist das Wappen der Abtei sicher von dem einer Diözese zu unterscheiden, jenes der Äbte und Pröpste von dem der Bischöfe.
Verwendung für verschiedenste Zwecke
Abt Leopolds Wappen wird nun für die verschiedensten Zwecke Verwendung finden. Dabei muss die erste gemalte Version nicht 1:1 übernommen werden. Wie viele Beeren an den Holler-Baum gemalt werden, ob der Hirtenstab modern oder barock ausfällt oder wie verschlungen die Schnüre am Hut sind, all das unterliegt der künstlerischen Freiheit. Nur müssen die Figuren und Farben der Beschreibung, der sogenannten Blasonierung, entsprechen: „In Rot eine eingeschweifte, silberne Spitze, darin unter grünem Schildhaupt mit silbernem Balken auf grünem Dreiberg ein schwarzer Holunder-Baum mit grünen Blättern und schwarzen Früchten an roten Stielen; vorne ein silberner Rost, hinten drei silberne Steine. Hinter dem Schild ein Krummstab mit Velum, überhöht von einem weißen Galero mit beidseitig je sechs (1:2:3) an weißen Schnüren herabhängenden, weißen Quasten, darunter ein Schriftband mit dem Wahlspruch »PORTA PATET COR MAGIS« (Die Tür steht offen, das Herz noch mehr).“
Jüngst dienten Abtei- und Abtwappen bereits als Vorlage für einige grafische Ideen. In Briefköpfen und beim Internet-Auftritt zu Logos „verfremdet“ wurden die korrekten heraldischen Farben durch das „Wiltener Rot“ in verschiedenen Tönen ersetzt, was einen Wiedererkennungseffekt bewirken soll. Im Gegensatz zu Wappen sind solche Logo unveränderlich und als Bilder rechtlich geschützt. Beim Wappen hingegen geht es um die Erkennbarkeit und Wiedererkennung der Figuren (ein Rost, ein Holler...) in ihren Farben (z.B. Grün, nicht Hell-, Dunkel- oder Moosgrün) und in ihrer Anordnung gemäß der Blasonierung. Solange alles der Beschreibung entspricht, ist das Wappen korrekt.
Aktuelles Stiftslogo im „Corporate Design“. (c) Simon Petrus o.praem.
Literatur
Franz-Heinz HYE: STIFT WILTEN: 850 Jahre Praemonstratenserchorherrenstift Wilten. Innsbruck, 1988. S. 375 ff.
H. G. STRÖHL: Die Wappen der Ordensstifte und Abteien in Tirol und Vorarlberg. In: Kunst und Kunsthandwerk. Monatszeitschrift XV, Heft 4. Wien, 1912. S. 196 ff.
Quelle: „Stift Wilten Aktuell“/Weihnachten 2024/Simon Petrus o.praem., Stift Geras