Mutig durch die Zeiten – drei Franziskanerinnen im Porträt

Drei Franziskanerinnen voller Mut und Lebenskraft: Sr. Balda Erhart, Sr. Pia Feichtenschlager, Sr. Liliosa Fasching © Franziskanerinnen Vöcklabruck / Pixabay (Angeles Baleguer, Onur Kircak)
Sr. Pia Feichtenschlager (1876-1949)
Im Sommer 1922 wagten zwölf Schwestern des Vöcklabrucker Mutterhauses den mutigen Schritt über den Atlantik, um in den USA eine Niederlassung zu gründen. Unter ihnen war Sr. Pia Feichtenschlager, später erste Oberin der amerikanischen Niederlassung.
Die Reise selbst war ein Abenteuer: 12 Schwestern verabschiedeten sich am 24. Juli 1922 vom Mutterhaus; am 2. August 1922 verließ ihr Schiff Bremen, getragen von Gebeten und der Sehnsucht nach der Heimat. Die Fahrt ging Richtung New York. Die Schwestern teilten sich je zu dritt eine Kabine. Die Kabinen waren gemütlich, doch das beständige Rasseln der Schiffsschrauben und die ungewohnte Bewegung erschwerten den Schlaf. Sr. Pia litt an Migräne, hielt aber Ordnung und Ruhe in der Gruppe. Die tägliche Messe und Andachten gaben ein Gefühl geistlicher Geborgenheit.

Von Vöcklabruck nach Missouri: Unter der Leitung von Sr. Pia Feichtenschlager gelang es, ohne große Absicherung eine neue Niederlassung in den USA zu gründen. © Franziskanerinnen Vöcklabruck / Pixabay (Angeles Baleguer, Onur Kircak)
In New York wurden die Schwestern von Pater Prior Hilgie empfangen und nach Conception, Missouri, geleitet. Neun Schwestern übernahmen die Wirtschaftsführung des Studienkonvents der Benediktiner, drei wurden für das amerikanische Schulwesen vorbereitet. Sr. Pia wurde 1924 zur Generalkommissärin ernannt. Aus den Briefen der Schwestern in der Anfangszeit wird deutlich, mit welchen Herausforderungen sie neben der ungewohnten Hitze und der fremden Sprache konfrontiert waren. So schreibt etwa Sr. Concoria: „Wir sind jetzt eigentlich die rechten Franziskanerinnen; haben kein Geld, keine Heimat, nichts zu essen, wenn uns nicht gute Menschen etwas geben würden.“ Dank eines zinslosen Darlehens der Benediktinerinnen von Clyde konnte schließlich ein ehemaliges Waisenhaus samt Farm übernommen und die erste eigene Niederlassung gegründet werden. Unter Sr. Pias Leitung entwickelte sich die Gemeinschaft erfolgreich, sie übernahm weitere Schulen und Farmbetriebe und unterstützte Projekte wie Boys’ Town in Omaha.

Sr. Concordia macht sich bereit zur Fahrt in die Schule, im Hintergrund das erste Mutterhaus der Schwestern in Clyde, Missouri (1933). © Franziskanerinnen Vöcklabruck
Sr. Pia Feichtenschlager bewies Mut, Organisationstalent und große Weitsicht. Sie meisterte die Strapazen der Überfahrt, die Umstellung auf eine neue Kultur und den Neuanfang in einem Land mit fremder Sprache. Ihr Einsatz legte den Grundstein für das Wirken der Vöcklabrucker Franziskanerinnen in den USA – und bleibt ein Vorbild für alle, die sich neuen Herausforderungen mit Gottvertrauen und Tatkraft stellen wollen.
Sr. Balda Erhart (1937-2002)
Die Schwestern von Vöcklabruck führten während des Zweiten Weltkrieges in Brandenburg ein Krankenhaus des Caritasverbandes. Ein Priester, der Franz Jägerstätter im Gefängnis begegnet war, sprach am Tag seiner Hinrichtung zu den Schwestern von dessen Standhaftigkeit. Jägerstätter verweigerte den Wehrdienst aus Glaubensgründen. Mit großer Wertschätzung schilderte der Priester sein Zeugnis und betonte seine Heiligkeit.
„Ich kann euch nur gratulieren zu diesem Landsmann, er hat als Heiliger gelebt und ist als Heiliger gestorben.”

Sr. Balda hielt die Urne von Franz Jägerstätter in einer schwarzen Tasche versteckt und brachte sie sicher durch das Besatzungsgebiet zurück nach Vöcklabruck. © Franziskanerinnen Vöcklabruck / Pixabay (Angeles Baleguer, Onur Kircak)
Ein Gefängniswärter hatte ein Kind im Krankenhaus der Schwestern. Er versprach den Schwestern, dass Jägerstätter allein eingeäschert werden würde und nicht wie üblich mit anderen zusammen. Die Schwestern suchten regelmäßig den Ort seiner Beisetzung auf und kümmerten sich um das Grab. Nach dem Krieg durften die Familien der Hingerichteten die Urnen zurückerhalten. Die Schwestern versprachen Franz Jägerstätters Ehefrau, Franziska, die Urne auf ihrer nächsten Reise nach Vöcklabruck zurück nach St. Radegund zu bringen. Bei der ersten Fahrt nach Kriegsende nach Vöcklabruck brachte Sr. Balda die Urne mit. Sie hielt die Urne sicher in einer schwarzen Tasche versteckt. Die Reise führte sie durch russisches und amerikanisches Besatzungsgebiet. Vom Mutterhaus der Schwestern in Vöcklabruck holte der Pfarrer von St. Radegund die Urne ab und brachte sie auf dem Motorrad nach Hause.
Der Mut Jägerstätters inspirierte die Schwestern, und ihr stiller Mut bewahrte sein Andenken. Mut ist nicht immer laut. Es sind ebenso die kleinen, stillen Gesten des Alltags, die Geschichte mitbestimmen.
Sr. Liliosa Fasching (1907-2005)
Im Jahr 1933, als Sr. Liliosa gerade erst 26 Jahre alt war, wurde sie mit vier Mitschwestern nach Jerusalem entsandt, um im Österreichischen Hospiz an der Via Dolorosa die Betreuung der Pilger zu übernehmen.

52 Jahre lang hielt Schwester Liliosa die Stellung im Österreichischen Hospiz in Jerusalem und wahrte damit auch die österreichischen Besitzansprüche. © Franziskanerinnen Vöcklabruck / Pixabay (Angeles Baleguer, Onur Kircak)
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 wurde das Hospiz von den britischen Behörden beschlagnahmt und als Internierungslager, Offiziersschule und Polizeistation genutzt. Die Schwestern durften im Haus bleiben, wurden aber in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. 1948 übernahm die jordanische Regierung das Gebäude und richtete ein Spital ein, in dem Schwester Liliosa gelegentlich Pflegedienste übernahm.
Am 20. Juli 1951 war sie Zeugin, als König Abdullah I. von Jordanien nach einem Attentat in das Hospiz gebracht wurde und dort starb. Während des Sechstagekrieges 1967 schlug eine Granate in den Hospizgarten ein, während Schwester Liliosa die Hühner fütterte. Sie ließ sich davon nicht verschrecken und blieb trotzdem weiterhin vor Ort und sicherte Kapelle, Schwesternhaus und den Besitz des Hospizes.
52 Jahre lang, bis 1985, hielt Schwester Liliosa die Stellung in Jerusalem. Ihre Anwesenheit war entscheidend für die Wahrung der österreichischen Besitzansprüche. Nach der Schließung des Spitals durch die israelischen Behörden und der Rückgabe des österreichischen Hospizes an die Erzdiözese Wien kehrte sie nach Vöcklabruck zurück.

Sr. Liliosa mit den Hühnern im Garten des Hospiz – kurz danach schlug eine Granate ein. © Franziskanerinnen Vöcklabruck
Schwester Liliosa verstarb 2005 im hohen 98. Lebensjahr. Ihr Leben verkörpert Beharrlichkeit und Mut – in einem Land und zu einer Zeit, die von politischen und militärischen Konflikten und tiefgreifenden Umbrüchen geprägt war.
Text von Stefanie Friedl und Sr. Johanna Pobitzer