Maria Himmelfahrt – ein großes Motiv in kleinem Format
Der Herstellung von Andachtsbildchen wurde einst sehr viel Aufmerksamkeit, Handwerkskunst und Geduld geschenkt. Die in den Himmel schwebende Maria war dafür ein beliebtes Bildmotiv.
Christliche Bildmotive waren früher für einen großen Teil der Bevölkerung im westlichen Kulturkreis ohne zusätzliche Erläuterungen verständlich. Die Darstellungen in Kirchen waren bekannt. Mit den Andachtsbildchen war es auch den sogenannten einfachen Menschen möglich, Bilder zu besitzen und zu betrachten. Dass eine innige Betrachtung Kontemplation verstärkt, hat vermutlich jeder Mensch schon einmal erlebt. Ob man lesen kann oder nicht, ist dabei unwichtig.

Maria Himmelfahrt, Farbdruck (Seeverlag H. Schneider), Inv.Nr. H 5899. © Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter
Dieses Andachtsbildchen wurde 1952 für ein 50-jähriges Priesterjubiläum verwendet. Erst vor kurzem kam dieses Bildchen aus einem aufgelassenen, kontemplativen Frauenkloster in Österreich in die Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter.
Zusammenspiel der Sinne
Die menschliche Aufnahmefähigkeit wird durch das Zusammenspiel der Sinne – wie beispielsweise Hören und Sehen – gefördert. Die für die private Andacht hergestellten Bildchen vereinen Betrachten und Lesen, weil sie aus bildhaften und schriftlichen Elementen bestehen. Allerdings waren handwerkliche und künstlerische Gestaltung von Bildchen zu Bildchen sehr verschieden. In jedem Fall ist auf der Vorderseite ein christliches Motiv zu sehen. Gebet und andere Inhalte waren meist rückseitig oder bei aufklappbaren Bildchen auf den folgenden Seiten gedruckt. Denn produziert wurden Andachtsbildchen neben dem Motiv der inneren Andacht auch für weitere Anlässe wie Primizen, Professe, Kirchweihen oder Andenken an Verstorbene.
Überraschendes bietet die Sammlung an Andachtsbildchen der Erzabtei St. Peter, die Kustos Wolfgang Wanko seit Beginn seiner langjährigen Amtszeit betreut und laufend Neuzugänge inventarisiert.
Spickelbildchen
So bietet das folgende Beispiel eine Besonderheit, die man bei diesem Medium nicht vermuten würde. Es handelt sich um ein sogenanntes Spickelbildchen.

Maria Himmelfahrt, Spickelbildchen/Mischtechnik, 2. Hälfte 18. Jahrhundert, Inv.Nr. H 621. © Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter
Durch Ausschneiden wurden einzelne Bildinhalte entfernt und rückseitig mit verschiedenfarbigen Folien beklebt. In seiner kunsthandwerklichen Ausführung erinnert das Spickelbildchen an Techniken des frühen 20. Jahrhunderts. Jedoch ist dies ein Erzeugnis aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Hergestellt wurde es anhand von Mischtechnik, da die künstlerischen Bildinhalte auf der Technik der Druckgrafik basieren und mittels der Folienergänzungen eine weitere Technik hinzukommt.
Stanzspitzenbildchen
Es war auch Praxis, dass das Bildmotiv eines Verlages von einem anderen Verlag anlassbezogen verwendet wurde. Das hier abgebildete Stanzspitzenbildchen ist ein solches. Es zeigt eine farbige Darstellung der Maria Himmelfahrt. Maria ist von zwei Engeln flankiert und schwebt auf Wolken dem Himmel entgegen. Diese lieblich umgesetzte Szene wurde vom Verlag Schilling veröffentlicht, was auf der Vorderseite gut sichtbar angezeigt ist. Im Jahr 1887 übernahm der Pustet Verlag (Salzburg) diese Darstellung als Leitthema für die Primiz des Priesters Johann Baptist Klaus, der zu Maria Himmelfahrt das Erste hl. Messopfer in der Pfarrkirche Golling gespendet hat.
Das Stanzspitzenbildchen umrahmt das Motiv des Andachtsbildchens mit einem gestanzten Zierrahmen.

Maria Himmelfahrt, Stanzspitzenbildchen (Verlag Schilling/Pustet Verlag), 19. Jahrhundert, Inv.Nr. H 3955. © Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter
Kupferstich
Das Besondere an der nachfolgenden Darstellung einer in den Himmel entrückenden Maria ist vielschichtig. Dieser Druck eines Kupferstichs entstand zur Zeit des Barock, wo oftmals wulstig hervorgehobene Elemente ein Bild beherrschen. Dagegen wirkt diese Umsetzung zurückhaltend. Auf einer Wolke sitzend, von einem geflügelten Engelskopf begleitet, demütig nach oben blickend, schwebt Maria hinauf. Der helle, schlichte Stern im Hintergrund rahmt die Gottesmutter vollkommen ein. Wenn auch die Mariendarstellung in barocker Manier ausgeführt ist, so lässt der Stern und die Hintergrundgestaltung an die Kunst des frühen 20. Jahrhunderts denken. Doch dieses Bild ist ein Erzeugnis der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts, es wurde in Augsburg im Verlag Johann Andreas Pfeffel veröffentlicht. Eine andere Beobachtung bezieht sich auf die Leiste am oberen Bildrand. Darin zeigt sich rechts ein Löwe und links seine symbolische Entsprechung im Tierkreiszeichen. Religiöse wie weltliche Inhalte werden in diesem Andachtsbildchen offenbar.
Der Kupferstich ist ein Tiefdruckverfahren, bei dem der Bildinhalt spiegelverkehrt in eine Kupferplatte graviert wird. Die anschließend aufgetragene Farbe sammelt sich in den Vertiefungen der Gravur und bleibt haften, obwohl die restliche Farbe auf der Platte abgerieben wird. Durch den Druckvorgang mittels Pressen übertragen sich die gravierten, farbigen Linien der Kupferplatte auf das Papier.

Maria Himmelfahrt, Kupferstich, 1. Hälfte 18. Jahrhundert, Inv.Nr. H 3526 11. © Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter
Das Zentrum aller hier gezeigten Darstellungen ist Maria, in Erwartung auf die himmlische Erlösung. Vermutlich sollten Gedanken der Zuversicht und Hoffnung auch die Betrachtenden, die wohl die starke Mühsal des Alltags zu spüren hatten, Trost spenden.
Die Andachtsbildchensammlung des P. Gregor Reitlechner (*1849, †1929) zählt zu den größten privaten Sammlungen von Andachtsbildchen in Österreich. P. Gregor Reitlechner war der Begründer der systematischen Sammlung von Andachtsbildchen in der Erzabtei.
Der hier gewährte Einblick in die Andachtsbildchensammlung der Erzabtei St. Peter rückt einen Bereich von Klostersammlungen in den Fokus, dessen Bedeutung weitgehend verborgen liegt. Andachtsbildchen haben religiösen Ursprung. In der näheren Auseinandersetzung zeigt sich auch, wie vielfältig deren künstlerische Herstellung war, und dies in einem derartig kleinen Format.
Die Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter umfassen die Gemälde-, Grafik-, Heiligenbildchen- und Objektsammlung, insgesamt mit geschätzten 60.000 Exponaten, die hauptsächlich der Grafik- und Andachtsbildchensammlung zuzurechnen sind.
Quelle: Wolfgang Wanko im persönlichen Gespräch in den Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter, Salzburg.
https://www.stift-stpeter.at/de/kultur/index.asp?dat=Kunstsammlung
Autorin: Veronika Leopold