„Ursulinenmessen“ von Wolfgang Amadeus Mozart und Johann Michael Haydn

Sowohl Wolfgang Amadeus Mozart als auch Johann Michael Haydn komponierten je eine "Ursula-Messe". (c) Wikipedia, gemeinfrei
Dieser Beitrag ist ursprünglich in Heft 2025/1 der Ursulinen-Nachrichten erschienen. Wir dürfen ihn hier mit freundlicher Genehmigung übernehmen.
Im Herbst 1768 komponierte Wolfgang Amadeus Mozart seine erste Messe: die Missa brevis in G-Dur KV 49, die sogenannte “Ursulinenmesse”. Er war zwölf Jahre alt. Man nimmt an, dass sie mit Hilfe des Vaters entstanden ist, wie auch die Missa in d-Moll, KV 65. Mozart verarbeitete in seinen ersten beiden Messen zahlreiche Ideen und setzte bewusst Kontraste. In diesen Kompositionen ist schon vieles enthalten, was Mozarts reife Messen auszeichnet. Gerungen hat er offensichtlich noch um das Verhältnis von Sprache und Musik. So gibt es für das „Benedictus“ dieser G-Dur-Messe drei Entwürfe. In seiner endgültigen Form ist es ein Duett von Solosopran und Soloalt mit einer dichten Chromatik, eine Idee, die Mozart später wieder aufgreift. Die Soli dieser ersten Missa sind kurz und in das Ensemble eingebunden. Eine Ausnahme bildet die Passage „et in Spiritum Sanctum Dominum“, die als Arioso für Bass ausgestaltet ist, angeblich für Sr. Nepomucena gedacht, eine Nonne des Wiener Ursulinenklosters, die als stimmphysiologische Besonderheit eine Bassstimme besaß.
Innenraum der Hochschulkirche St. Ursula. (c) DerHHO Wikipedia
Den Beinamen „Ursulinenmesse“ erhielt KV 49, weil die Uraufführung sehr wahrscheinlich in der Kirche des Ursulinenklosters in Wien stattfand. In diesen ehrwürdigen Mauern befindet sich seit 1968 das Institut für Orgel, Orgelmusik und Kirchenmusik der Wiener Musikuniversität.[1]
Neben Wolfgang Amadeus Mozart, der Salzburg 1781 verließ, war Johann Michael Haydn in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der bedeutsamste Musiker am fürsterzbischöflichen Hof in Salzburg. Obwohl Haydns Schaffen alle damals üblichen Gattungen der Musikpflege umfasste, war er zu Lebzeiten vor allem als Kirchenmusiker bekannt und geschätzt. Mozart hielt ihn für den größten Kirchenkomponisten. Von seinem Bruder Joseph Haydn ist die Meinung überliefert, in der Kirchenmusik verdienten die Arbeiten seines Bruders Michael Haydn eine der ersten Stellen; „es sey nur schade, dass dieses Fach so schlecht bezahlt werde, denn man könne mit einem Dudelsack mehr verdienen, als mit Offertorien und Messen“.[2]
Geboren wurde Johann Michael Haydn 1737 in Rohrau an der Leitha in Niederösterreich als sechstes Kind des Wagnermeisters Mathias Haydn und seiner Frau Anna Maria. Das familiäre Musizieren gehörte zu seinen ersten musikalischen Eindrücken. 1745 wurde Johann Michael, wie zuvor sein älterer Bruder Joseph, Sängerknabe am Kapellhaus zu St. Stephan in Wien. Während seiner Ausbildung entstand als erste datierte Komposition des damals Siebzehnjährigen die Missa in honorem Sanctissimae Trinitatis (MH 1). Im Jahr 1763 kam er nach Salzburg, wo er am fürsterzbischöflichen Hof zum „Hofmusicus und Concertmeister“ ernannt wurde.
Johann Michael Haydn komponierte in erster Linie für die Feier der Liturgie, zur Ehre und Verherrlichung Gottes. Die Drucklegung seiner Werke lehnte er ab, dennoch verbreiteten sich seine geistlichen Werke bereits zu Lebzeiten in zahlreichen Abschriften im österreichischen, bayerischen und böhmischen Raum. So geriet Haydns kirchenmusikalisches Schaffen nie ganz in Vergessenheit. Sein kirchenmusikalischer Stil wirkte prägend für die Kirchenmusik im 19. Jahrhundert.
Missa in honorem Sanctae Ursulae oder auch "Chiemsee-Messe" von Johann Michael Haydn. (c) Youtube
Unter Haydns über 30 Messen nimmt die Missa in honorem Sanctae Ursulae (MH 546) eine Sonderstellung ein. Die meisterliche Verbindung formaler Konzentration, musikalischer Schönheit und liturgischer Zweckbestimmung, liedhafte Melodik, Einheit des motivischen Materials und ausgewogener Zusammenklang von festlichen und meditativen Abschnitten machen diese Messe zu einem von Haydns gelungensten Werken. Die musikalische Ausdeutung der liturgischen Texte folgt der Tradition phantasievoller Allegoresen, die alle Einzelheiten der Messe mit Ereignissen aus dem Leben Jesu in Verbindung bringen.
In der Instrumentation verwendet Haydn in seiner Missa in honorem Sanctae Ursulae das um zwei Trompeten und Pauken erweiterte Salzburger Kirchentrio, das außer dem Orgelcontinuo zwei Violinen und einen Streich-Bass vorsieht. Die Verwendung von Trompeten und Pauken steht für den Typus der „Missa solemnis“, wie er im süddeutschen Raum bei feierlichen Anlässen gebräuchlich war.
Die Missa in honorem Sanctae Ursulae trägt traditionell den Beinamen „Chiemsee-Messe“. Auf einer Partiturabschrift vermerkt der Salzburger Musikverleger Benedikt Hacker, wie es postum zu dem Zweitnamen kam: „Michael Haydn schrieb diese Messe zum Namenstag einer Klosterfrau zu Kloster Frauenwörth im Chiemsee, M. Maria Sebastiana mit Taufnamen Ursula Anna Josepha Oswald, auf die er sehr viel hielt.“ Sie war eine der begabtesten Musikerinnen unter den Frauenwörther Nonnen, eine ausgezeichnete Geigerin und Sängerin. Ob Haydns Messe auf Frauenchiemsee zum ersten Mal zur feierlichen ewigen Profess von M. Sebastiana am 19. August 1793 oder zu ihrem Namenstag am 21. Oktober erklang, ist nicht geklärt. Wahrscheinlich war Haydn bei der Aufführung seiner Chiemsee-Messe anwesend.
Das Kloster Frauenchiemsee. (c) Allie Caulfield/wikipedia
Die Sache hat einen tragischen Beigeschmack, denn als im Jahr 1801 auf Veranlassung einiger Konventualinnen eine Untersuchungskommission das Kloster visitierte, beklagten sich drei Chorfrauen, darunter M. Sebastiana, über das Klosterleben und ihre Mitschwestern. Der Salzburger Fürsterzbischof schloss daraufhin die unzufriedenen Frauen von der Klostergemeinschaft aus. Noch im selben Jahr zog M. Sebastiana zu ihrer Schwester; über ihren weiteren Lebenslauf sind keine Daten bekannt.
Haydns Missa in honorem Sanctae Ursulae fand große Verbreitung, wie die zahlreichen Abschriften bekunden, die u.a. in den Musikarchiven der Klöster Göttweig, Seitenstetten, St. Florian, Kremsmünster, Lambach, Klosterneuburg, Heiligenkreuz, Melk, Schlierbach, Reichersberg und Wilhering sowie der Hofburgkapelle aufbewahrt sind. Im Musikalienbestand von Frauenwörth allerdings blieb keine Abschrift des Werkes erhalten.