Malteser: Am Anfang war die stationäre Pflege

Ansicht Jerusalems aus einer Handschrift von C. Grünenberg, 1487. Das Pilgerhospiz befindet sich am oberen Bildrand, rechts neben dem Wappen. (c) Malteser
Am Beginn der Ordensgeschichte stand der Gedanke einer Hospitalbruderschaft. Seit die Mutter Kaiser Konstantins, die Heilige Helena, im vierten Jahrhundert in Begleitung vieler Theologen und wissbegieriger Intellektueller auf der Suche nach den Spuren Jesu ins Heilige Land aufbrach, riss der Strom von Pilgern zu den Heiligen Stätten nicht mehr ab. Eine Pilgerreise war mühsam, eine Rückkehr in die Heimat oft ungewiss. Daher entstanden bald Häuser (meist von Ordensgemeinschaften getragen), in denen Pilger Erholung von den Strapazen ihrer Reise sowie adäquate ärztliche Betreuung finden konnten.
Ursprünglich im Bereich von Klöstern, später eigenständig, wurde das „Xenodochium“ (Fremdenheim) zum Hospiz. Im Jahre 1070 hatten Kaufleute aus Amalfi die Erlaubnis erhalten, eine solche Einrichtung zu unterhalten, deren Leiter als Gründer des Ordens gilt und als der Selige Gerhard bekannt ist. Aus dem kleinen Spital erwuchs bald eine beeindruckende Gemeinschaft, die neben der Krankenhilfe auch den militärischen Schutz der Pilger auf dem Weg nach Jerusalem und zurück sichern sollte. So entstanden Idee und Umsetzung des Ideals von Mönch und Ritter. Erst nach der Eroberung von Jerusalem 1099 entwickelte sich aus der kleinen Gemeinschaft ein Hospitalorden.
Die Begegnung der aus dem Westen Europas kommenden Ritter und Pilger, von denen viele nur temporär im Land blieben, hatte große soziale Auswirkungen. Dies gilt nicht nur für die Konfrontation der verschiedenen Rechtstraditionen, sondern speziell auch für die Lebensgewohnheiten und ihrer langsamen Anpassung an den orientalischen Lebensstil. Der bestimmende Teil der Ritter sprach Französisch, war aber nicht das, was man heute als Franzosen versteht. Im Heiligen Land wurden daher alle Pilger aus Europa als „Franken“ bezeichnet.
Wie organisierte der junge Orden seine Spitäler und Niederlassungen?
Die Errichtung von Spitälern war dem Islam durchaus geläufig, und solche Spitäler dürften tatsächlich gut ausgestattet gewesen sein und standen auch Christen offen. Einen größeren Einfluss als diese islamischen Spitäler hatten jedoch byzantinische Ideen und ihre besondere christliche Spiritualität. Die Verbindung von spezieller Krankenbetreuung und der Möglichkeit, vom Krankensaal aus einer Heiligen Messe beiwohnen zu können, regte in den folgenden Jahrhunderten die Bauweise der Ordenskirchen mit ihren integrierten Krankenräumen an.
Der 50 Meter lange Krankensaal mit einer kreuzrippengewölbten Altarnische. (c) Malteser
Konstantinopel spielte eine überragende Rolle, nicht nur für die griechische Kirche. Hier befanden sich die großen Kirchen, und hier wurden auch die Hauptreliquien aufbewahrt, die unmittelbar an Jesu Wirken im Heiligen Land erinnerten. Es war eine überhöhte christliche Kultur, die sich doch sehr von der westlich-germanischen Kultur unterschied. Das große Pantokratorspital in Konstantinopel wurde zwar gleichzeitig wie das Spital der Johanniter in Jerusalem gegründet, doch konnte man im byzantinischen Bereich auf eine jahrhundertelange Tradition von Kranken- und Fürsorgeanstalten zurückgreifen.
Die großen Spitäler des Johanniter-/ Malteserordens galten bald als Leuchttürme der medizinischen Versorgung. Das betraf die Organisation von Stoffen, mit denen der Aufenthalt in Spitälern hygienisch gesichert wurde, ebenso wie das Angebot an ausgewogener und reichhaltiger Ernährung und die sich bis ins 18. Jahrhundert bewahrende Eigenart, aus Gründen der Hygiene silbernes Tafelwerk zu verwenden. Da bei den Kriegen die Belegung mit Kranken oft auf bis zu mehreren tausend Personen ausgelegt war, waren Hygiene und Sauberkeit von größter Bedeutung. Das Silbergeschirr des Ordens liegt heute unter meterdicken, betonharten Schlickschichten am Grunde des Meeres – das Schiff, das es trug, fiel den Kampfhandlungen in der Seeschlacht bei Abukir 1798 zum Opfer.
Die Größe des Ordensspitals in Jerusalem überrascht. Im Jahr 1170 konnte man im Bedarfsfall bis zu 2.000 Kranke aufnehmen. Im „Herren Kranken“ Christus zu sehen, führt zu der Erkenntnis, dass Krankheit keine Strafe Gottes ist. Christus will, als der gute Apotheker, mit seinen Mitteln den Menschen helfen. Wichtig ist dabei die Sicht auf die Einzigartigkeit des Menschen, er benötigt Schutz und Betreuung sowohl in materieller als auch in spiritueller Weise. Der Blick auf das Geheimnis am Altar und die ständige Weiterentwicklung medizinischer Fähigkeiten bei Operationen widersprechen dem tradierten Bild eines dunklen und ungebildeten Mittelalters. Der aktive Erfahrungsschatz der Spitäler, die Differenzierung ärztlicher Aufgaben, ähnlich der Organisationsstruktur moderner Spitäler, wurde von Jerusalem über Akkon nach Rhodos und Malta überliefert und weiterentwickelt. So erhielt der Hofarzt Josephs II., der gebürtige Malteke Joseph Barth, seine Ausbildung in Malta und Wien und war später europaweit der erste Inhaber einer Lehrkanzel für Augenheilkunde.
Die Pflegetradition der Elisabethinen und die Verbindung mit dem Malteserorden
Eben zu diesen Zeiten kam der Orden der Elisabethinen nach Österreich, gefördert vom Kaiserhaus und dem Wiener Hofadel. Dieser der Krankenpflege gewidmete Orden zu Ehren der Heiligen Elisabeth war im 18. Jahrhundert in Graz, Linz und auch in Wien herzlich willkommen. Die Ordenspatronin, die Heilige Elisabeth von Ungarn, sollte Vorbild für die Schwestern sein. 1782 erhielten die Elisabethinen in Wien das Haupt der Heiligen Elisabeth, nachdem das Clarissinenkloster aufgehoben wurde. Anthropologische Untersuchungen im Jahre 1931 haben die Echtheit dieser Reliquie bestätigt.
Das Malteser-Ordenshaus umfasst einen Neubau und einen historischen Teil des Elisabethinenklosters. (c) Malteser
Die Symbolik der Kronen vereint beide Orden, Malteser und Elisabethinen. Bei den Elisabethinen sind es drei Kronen im Ordenswappen: Jene der Ehre, jene des Lebens und jene der Glorie. Bei den Maltesern galt die Krone stets als Symbol der Belohnung für das Leben der Herren Kranken, denn sie werden gemäß des zweiten Großmeisters des Ordens, des Seligen Raymond de Puy, die Krone der Gerechtigkeit empfangen.
Heute rücken die christlichen Gemeinschaften wieder zusammen, die gemeinsamen Ordenscharismen wie Helfen und Heilen verbinden heute den Malteserorden und den Orden der Elisabethinen. Besonders Menschen im Alter zu begleiten und ihnen spirituelle Stütze zu sein, soll uns an diese gemeinsame Aufgabe erinnern. Niemand soll alleine bleiben. „Als ich krank war, habt ihr mich besucht? “, fragt Jesus in der Heiligen Schrift. Unser modernes Pflegewohnheim, das Malteser Ordenshaus, bei den Elisabethinen im dritten Wiener Gemeindebezirk, gibt allen dem Orden nahe Stehenden die Chance, diese Idee in gelebte Praxis umzusetzen. „Gebetsverbrüderungen“ nannte man dies in den vergangenen Jahrhunderten. Die Einladung, im Malteser Ordenshaus ehrenamtlich zu wirken, gilt besonders für alle Ordensmitglieder.
Quelle: „Die MALTESER“ / Prof. Wolfgang J. Bandion