Ein zerrissener Salzburger Altar ist wieder vereint
Neues Prunkstück im Bergbau- und Gotikmuseum Leogang: Die gelungene Zusammenführung des für Salzburg so bedeutenden Stäberaltares aus der Margarethenkapelle St. Peter © Josef Kral, Domquartier
Was das Auge nicht sehen kann, ermöglicht die Rekonstruktion einer Salzburger Kostbarkeit: Infrarotstrahlen. Sie können Malschichten durchdringen und werden von Weiß reflektiert, aber von kohlenstoffhaltigem Material verschluckt – wie Blei- oder Kohlestift. Fängt eine Kamera die zurückfallenden Strahlen auf, entsteht ein Infrarot-Reflektogramm, kurz: IRR.
Als Hermann Mayrhofer, Gründer, einstiger Kustos und nunmehr Ehrenobmann des Bergbau- und Gotikmuseums in Leogang, durchs Wiener Belvedere flanierte und in der Ausstellung „Der Meister von Mondsee“ 2020 von Ergebnissen einer IRR-Analyse für vier gotische Bilder erfuhr, schöpfte er Hoffnung für das, was jetzt in der Karwoche – dank der Mitwirkung von Erzabt Korbinian Birnbacher von Stift St. Peter – zur Tatsache geworden ist: Ein zerrissener Altar aus der Margarethenkapelle im Friedhof von St. Peter ist wieder vereint, und das im Bergbau- und Gotikmuseum in Leogang.
Eine gewagte These
Hermann Mayrhofer ließ sich zu dieser Großtat von einem offensichtlichen Zentralbild eines Altars anstacheln, dem zumindest die Flügel fehlten. Das Gemälde mit Maria und Johannes am Kreuzbalken war in jener Sammlung gotischer Kunst, die die Kitzbüheler Apothekersgattin Maria Vogl vor 150 Jahren zusammengetragen hatte. Deren Enkel haben sie vor Kurzem dem Leoganger Museum gestiftet. Dieses Gemälde war einmal 1972 – damals aus sonst nie zugänglichem Privatbesitz – in Salzburg ausgestellt. Der damalige Direktor des Salzburg Museum, Albin Rohrmoser, wagte die These: Dieses Bild sei der fehlende Mittelteil des Margarethenaltars von St. Peter. Ein Beweis war damals unmöglich. Dank Hermann Mayrhofers Spürnase ist das jetzt mit IRR gelungen.
Mit Infrarot würden Schichten – wie Grundierung oder Vorzeichnung – sichtbar gemacht, erläutert Katja Sterflinger, Leiterin des Instituts für Naturwissenschaften und Technologie in der Kunst an der Akademie in Wien. So werden vorbereitende Arbeitsweisen eines Künstlers deutlich, zudem sind untere Schichten kaum von Fälschern kopierbar. Für die Teile aus St. Peter und nunmehr Leogang sei zu bestätigen: Die gehörten zusammen, versichert Katja Sterflinger. Also konnte der Kunsthistoriker und frühere Kustos der Mittelaltersammlung des Belvedere in Wien, Arthur Saliger, attestieren: „Die konstatierte Kongruenz im Verhältnis der Unterzeichnung zur gemalten Ausführung legt die Schlussfolgerung nahe, dass eine Identität der Autorschaft (...) besteht.“
Dank Infrarot-Reflektogramms wieder vereint: Das Zentralbild des Stäberaltars aus der Margarethenkapelle St. Peter mit Predella und den beiden Seitenflügeln © Foto Lebesmühlbacher
Extravaganter Auftraggeber
Als diese Bilder vor gut 500 Jahren geschaffen wurden, waren sie supermodern, wofür allein der Auftraggeber steht: Rupert Keutzl, 1466 bis 1495 Abt von St. Peter. Dessen Extravaganz bezeugt die mit Unmengen an riesigen Edelsteinen besetzte, folglich nur auf einem kräftigen Abtskopf tragbare Mitra, die als „Keutzl-Mitra“ im St.-Peter-Museum im Domquartier zu sehen ist.
Rupert Keutzl hat im Friedhof – an der Stelle von Vorgängerbauten aus dem 9. und dem 12. Jahrhundert – die 1419 fertiggestellte Margarethenkapelle bauen lassen. Fünf Jahre
später gab er jenen Altar in Auftrag, dessen Einzelteile seit Langem unauffindbar zerstreut waren. Nur Flügel und Predella haben sich in St. Peter erhalten. Die Flügel zeigen vorn die zwei Schächer und hinten die Heiligen Rupert und Erentrudis sowie Benedikt und Amandus; darunter kniend die Stifteräbte Rupert Keutzl und dessen Nachfolger Virgil Pichler. Weiters ist in Rechnungsbüchern der Erzabtei ersichtlich, dass der Künstler Georg Stäber mit Werkstatt in Rosenheim 1496 eine Altartafel für die Margarethenkapelle angefertigt hat.
Übrigens steht die Margarethenkapelle noch so, wie Abt Keutzl sie hat bauen lassen. Nur ihr jetziger Altar ist neogotisch und aus 1864, basierend auf einem Entwurf von Georg Petzold und Kopien von Reliefs des Marienlebens um 1500. Auch wenn nun in Leogang Flügel, Predella mit den Kirchenvätern Gregor, Augustinus, Ambrosius und Hieronymus sowie Mitteltafel aus der Zeit um 1500 vereint sind, ist der Altar nicht komplett. Es fehlt der Gekreuzigte, dessen Blut die zwei gemalten Engel in Kelchen auffangen – vermutlich ein geschnitztes Kruzifix als Verlängerung des gemalten vertikalen Balkens.
Rotes Gold und silberne Salzgefäße
Der Coup der Zusammenführung von Georg Stäbers Altar aus der Margarethenkapelle ist ein Höhepunkt dieser Saison in Leogang, aber nicht der einzige. Ab Ende Mai wird die Sonderausstellung „Rotes Gold“ kostbare Gefäße des 17. und 18. Jahrhunderts aus dem Kupferbergbau Herrengrund zeigen, eine Dauerleihgabe von Achim und Beate Middelschulte. Weiters sind zwei Vitrinen mit alten Schlössern und Schüsseln der Schell-Collection in Graz bestückt. Zudem wird in drei Vitrinen eine soeben zugeeignete Sammlung aus Berchtesgaden gezeigt: „Feinste Beinschnitzereien! Da kommst aus’m Staunen nicht heraus“, versichert Hermann Mayrhofer. Und noch mehr: Das Ehepaar Victor und Alexandra Baillou hat dem Leoganger Museum eine bereits zu besichtigende Sammlung Salzburger Silbergefäße sowie ein – allerdings noch zu restaurierendes – romanisches Kruzifix vermacht.
Dieser Bericht von Hedwig Kainberger erschien am 29. März 2024 auf Seite 9 der Salzburger Nachrichten - vielen Dank für die Möglichkeit zur Übernahme!