Kultur & Dokumentation

Ein Hauch von Farb‘ und Spitze

Im Sommer 2021 kam als Schenkung ein neuer Sammlungsbereich in das Stift Altenburg. Das Ehepaar Renate und Erwin Sainitzer hat schon in jungen Jahren seine Leidenschaft für das barocke Andachtsbildchen entdeckt. Die Sammlung umfasst mittlerweile mehr als 300 Exemplare.

Während der Öffnungszeiten des Stiftes in den Sommermonaten wird künftig in einem der Räume des Kaisertraktes eine Auswahl dieser kleinen Kostbarkeiten präsentiert. Die Auswahl umfasst neben den fragilen, aus Pergament geschnittenen Spitzenbildchen mit Wallfahrtsorten und Heiligendarstellungen auch Gouachen auf Pergament, Radierungen und Kupferstiche.

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In der barocken Volksfrömmigkeit hatte das Andachtsbildchen stets einen hohen Stellenwert. Es wurde beispielsweise an Wallfahrtsorten gekauft, mit einer Widmung versehen und verschenkt. Die Häufung gängiger Heiliger des Barock – und damit auch Namenspatrone – legen nahe, dass die Bildchen gerne auch zum Namenstag geschenkt wurden.

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Auch wenn man heute so gut wie nichts über die Herstellung dieser kleinen Blätter weiß – da sie wohl größtenteils von frommen Frauen hinter Klostermauern gefertigt wurden oder von Mitgliedern der kaum dokumentierten Zunft der „Briefmaler“ – erfreuen sie sich bei Sammlern ungebrochener Beliebtheit. Ihr Reiz liegt einerseits im kleinen Format, andererseits in der schier unerklärlichen Präzision der Herstellung, vor allem im Bereich der Spitzenbildchen.
Diese müsste man korrekterweise als „Schnittbilder“ bezeichnen, da sie mit Messer und Schere, Punze und Nadel aus feinstem Ziegenpergament geschnitten wurden. Die hinzugefügte Farbe bezieht sich meist auf kleine Medaillons im Inneren des Spitzenbildchens. Die präzise Handwerksarbeit erinnert an Scherenschnitte, wobei allerdings deren Präzision hier weit übertroffen wird. Nicht nur komplizierte, barocke Ornamentik wird gezeigt; mitunter sind auch kleine Landschaftsszenen und Tiere in die floralen Muster eingearbeitet.

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Die Präsentation in Stift Altenburg zeigt eine Auswahl der schönsten Andachtsbildchen der Sammlung Sainitzer. Als primäres Ordnungskriterium werden nicht die technischen Gattungen sondern die Bildthemen im Fokus stehen: Wallfahrt und Gnadenbild, Heilige und Namenspatrone, die heilige Familie, biblische Historien und die Widmungen der Rückseiten. Sie ermöglichen dem heutigen Betrachter, dem spätbarocken Menschen ganz nahe zu kommen.

Der Entstehungszeitraum der Bildchen ist mitunter schwer zu eruieren und bewegt sich hauptsächlich zwischen der Mitte des 18. und des frühen 19. Jahrhunderts. Die Industrialisierung machte auch vor dem Andachtsbildchen nicht halt: Aus dem Objekt höchster Handwerkskunst wurde im späten 19. Jahrhundert der Farbdruck und die maschinell geprägte Spitze. Auch diesen Bildchen ist ein gewisser Reiz nicht abzusprechen. Was ihnen aber eindeutig fehlt, ist der Zauber des Barock.

Im Sommer 2023 sind die Andachtsbildchen ab dem 17. Juni im Rahmen eines Stiftsbesuchs zu besichtigen.

[Für die Sammlungen des Stifts Altenburg: Kunsthistorikerin Dr. Monika Dachs - Text; Karl Pani, Wien - Bilder]

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