Kultur & Dokumentation

Totenschädel, Prunk und Gloria: Ein Besuch in der Kapuzinergruft

Gleich neben dem Kapuzinerkloster und der Kirche liegt die Kapuzinergruft, die letzte Ruhestätte vieler Habsburger. Kapuzinerbrüder sind hier schon seit Jahrhunderten für das Seelenheil der Toten zuständig. Wir haben diesen Ort, wo Tod und Vergänglichkeit, Gedenken und Bewahren so eng beieinander liegen, kurz vor Allerheiligen besucht.

Schmücken fast jeden Sarg in der Kapuzinergruft: Totenschädel als Zeichen der Vergänglichkeit. (c) ÖOK/emw

Schmücken fast jeden Sarg: Totenschädel als Zeichen der Vergänglichkeit. (c) ÖOK/emw

Das Erste, was mir in der Kapuzinergruft auffiel, war die Stille. Nichts war mehr zu hören vom Verkehr und Getümmel des Neuen Marktes. Umso klarer treten die eigentlichen Protagonisten hier in den Vordergrund: die 151 Särge der Habsburger, die hier ihre letzte Ruhe fanden.

Eva Grundschober, die für das Marketing und die PR der Gruft zuständig ist, führte mich mit vielen interessanten Fakten und einigen Anekdoten durch die zehn Räume der Kapuzinergruft. Seit sechs Jahren arbeitet sie für die Kapuzinergruft und ist in der Zeit zur regelrechten Habsburgerexpertin avanciert.

Eva Grundschober, die mich durch die Kapuzinergruft führte. (c) ÖOK/emw

Eva Grundschober, die mich durch die Kapuzinergruft führte. (c) ÖOK/emw

Gründerin Kaiserin Anna

Der Bau des Klosters und die Entstehung der Gruft waren Kaiserin Anna zu verdanken. Diese verfügte 1618 in ihrem Testament, dass die Kapuziner, die eine kleine Niederlassung in der Vorstadt bei St. Ulrich besaßen, ein neues Kloster in der Nähe zur Hofburg bekommen sollten. In diesem wollte Anna auch begraben werden. Sie liegt heute mit ihrem Gatten in der kleinen Gründergruft. Bis heute ist das Originaltestament von Kaiserin Anna verschwunden, nur Abschriften sind erhalten. Niemand weiß, was damit geschehen ist.

In der Kapuzinergruft (Leopoldgruft): Streng geteilt nach Männer- und Frauenseite - wie im einen Stock höher gelegenen Kirchenschiff. (c) ÖOK/emw

Streng geteilt nach Männer- und Frauenseite - wie im einen Stock höher gelegenen Kirchenschiff. (c) ÖOK/emw

Von Ordnung und letzten Wünschen, die nicht immer Beachtung fanden

In der Leopoldgruft – Kaiser Leopold war der erste, der die Gruft 1657 erweitern ließ –  sind links und rechts des Ganges die Särge ordentlich aufgereiht. „Wir befinden uns genau unter dem Kirchenschiff“, klärt mich Eva Grundschober auf, „und die Ordnung hier in der Gruft entspricht jener der Kirchensitzordnung – Epistelseite (rechts) Männer, Evangelienseite (links) Frauen. Erst mit der Frau von Leopold I., Eleonora Magdalena, hat sich das geändert: Sie wollte im Tod zu Füßen ihres Gemahls ruhen.“ Dieser Wunsch wurde ihr gewährt. Ein anderer hatte weniger Glück:

Eleonora Magdalena verfügte in ihrem Testament, dass sie in einem einfachen Holzsarg beerdigt werden wollte mit der Inschrift: „Eleonora Magdalena Theresa, Arme Sünderin, gestorben Anno 1720 den 19. Jenner." Das entsprach aber so gar nicht den Vorstellungen von Kaiserin Maria Theresia, die ihre Großmutter später in einen reich ornierten Zinnsarg umbettete.

Das Aussehen der Särge in der Kapuzinergruft ändert sich über die Zeit und spiegelt die Epochen wider. (c) ÖOK/emw

Das Aussehen der Särge ändert sich über die Zeit und spiegelt die Epochen wider. (c) ÖOK/emw

Sargdesign zu Lebzeiten

Beim Rundgang betrachte ich die Särge näher. Die Materialen haben sich im Laufe der Zeit geändert, erfahre ich. Von Blei über Zinn und Bronze bis hin zum Kupfersarg. Auch das Design spricht über die Jahrhunderte hinweg je eine andere Sprache: Von den schlichteren Särgen der Spätrenaissance über die formen- und symbolreichen Särge des Spätbarocks und Rokoko bis hin zu den josephinischen Sarkophagen mit klarer Struktur. Särge sprechen die Sprache ihrer Zeit.Prunk und Gloria: Der Sarkophag von Kaiser Karl VI. (c) ÖOK/emw

Prunk und Gloria: Der Sarkophag von Kaiser Karl VI. (c) ÖOK/emw

„Es war lange Zeit Teil der Ausbildung der Habsburger, sich mit dem Aussehen ihres Sarges zu befassen“, erzählt Eva Grundschober. Die Särge sind mit Symbolen orniert: Hier ist es Lazarus, der aus dem Grab steigt. Dort ist es ein verschleiertes Gesicht. Oft sind es Totenköpfe mit schlechtem Gebiss. Das sei Absicht, klärt mich Eva auf: „Die Habsburger wollten sich im Tod nicht über das gemeine Volk erhaben zeigen. Es sollte heißen: schaut her, wir sind wie ihr!“

Barocker Prunk

Je weiter wir in die Gruft vordringen, desto stattlicher werden die Särge: In der Karlsgruft bleibe ich beeindruckt zwischen den Särgen Kaisers Karl IV und seiner Frau Elisabeth Christine stehen. Beide Särge sind größer als ich und reich orniert. Bei ihm ziert ein Schlachtenrelief die Vorderseite des Sargs, bei ihr ist es ein Relief eines Schiffes auf See – die Hochzeitsreise von Elisabeth Christine nach Barcelona, erfahre ich von Eva, die sich in ihrer Diplomarbeit mit beiden Särgen befasst.

Thronendes Kaiserpaar

Maria Theresia thront mit ihrem Mann Franz Stephan auf der Decke des Doppelsarkophages. (c) ÖOK/emw

Maria Theresia thront mit ihrem Mann Franz Stephan auf der Decke des Doppelsarkophages. (c) ÖOK/emw

Der nächste Teil der Gruft bildet das Herzstück der Kaisergruft, wie die Kapuzinergruft noch genannt wird: Der Doppelsarkophag in der Maria-Theresien-Gruft, die letzte Ruhestätte von Kaiserin Maria Theresia und ihrem Gatten Franz Stephan, die auf der Prunkdecke am Sargdeckel thronen. „Es ist der einzige Raum der Gruft, wo Tageslicht eindringt“, zeigt Eva auf die kleinen Fenster, die in der hohen Decke Licht hereinlassen.

Der Sarg des Herrscherpaares ist über drei Meter lang und zwei Meter breit. Ich staune angesichts der detailreichen Reliefs, auf die mich Eva hinweist - bis hin zum kleinsten Bierkrug wurde auf jedes Detail geachtet. „Ich bin schon so oft davorgestanden und entdecke immer wieder neue Details“, verrät sie lächelnd und deutet auf Rauchwolken, die Kanonenschüsse darstellen sollen.

Ein feines Detail aus dem reich ornierten Sarg Maria Theresias. (c) ÖOK/emw

Ein feines Detail aus dem reich ornierten Sarg Maria Theresias. (c) ÖOK/emw

Angesichts des Prunkes des Doppelsarkophages wäre mir der Sarg von Joseph II. davor fast entgangen. Sein Sarg ist merklich schlichter und leitete eine neue Epoche – die josephinische – ein. Joseph II. gilt als großer Reformer, der viele Klöster aufgelöst hat, nicht aber die Kapuziner. „Wir vermuten, es wäre ihm zu kompliziert geworden, das Kloster samt der Gruft aufzulösen – wer hätte sich um die letzte Ruhestätte seiner Familie gekümmert?“, berichtet Eva.

An der Rückwand der Gruft finden wir die Särge seiner beiden Ehefrauen. Isabella  und Maria Josepha. Isabella wurde von Joseph sehr geliebt, es gebe aber Indizien, dass Isabella mehr der Schwester von Joseph zugetan war, verrät Eva augenzwinkernd. Aber das sei ein Streitthema unter Historikern. Unumstritten jedoch ist die Abneigung, die Joseph II. gegenüber seiner zweiten Frau, Maria Josepha, empfand. Er soll sogar die Tür zwischen ihren Schlafzimmern zugemauert haben und sie an ihrem Totenbett – sie starb an den Pocken – kein einziges Mal besucht haben.

Der wesentlich schlichtere Sarg Josephs II. leitete eine neue - die josephinische - Stilepoche ein und ließ den Rokokoglanz hinter sich. (c) ÖOK/emw

Der wesentlich schlichtere Sarg Josephs II. leitete eine neue - die josephinische - Stilepoche ein und ließ den Rokokoglanz hinter sich. (c) ÖOK/emw

Danach passieren wir den Kupfersarkophag von Kaiser Franz II. (I.) und jenen seines Sohnes Ferdinand I. Letzterer dankte zugunsten seines Sohnes Franz Joseph ab: „Er hatte immer wieder schwere epileptische Anfälle, die jedoch, kaum dass er nicht mehr regierte, aufhörten“, berichtet Eva. Ein Zeichen, dass womöglich Stress der Auslöser dieser Anfälle war.

Die Neue Gruft und Ausflug nach Mexiko

Wir betreten die Neue Gruft, die sich mit den rohen Betonwänden baulich stark von den bisherigen Abteilungen unterschied. „Dieser Zubau ist der neueste, er wurde in den 1960er Jahren fertiggestellt“, weiß Eva. Beeindruckend ist die Decke aus Faltbeton. 26 Särge befinden sich hier, einer sticht mir sofort ins Auge: Geschmückt mit Blumen, Münzen, Notenpapier und einem Sombrero konnte dies nur der Sarg von Kaiser Maximilian von Mexico sein. „Wir haben viele Tourist:innen aus Mexiko, die sich seine letzte Ruhestätte ansehen und Andenken hier lassen.“

Geschenke von Besucher:innen am Grab Kaiser Maximilians von Mexiko. (c) ÖOK/emw

Geschenke von Besucher:innen am Grab Kaiser Maximilians von Mexiko. (c) ÖOK/emw

Im nächsten Gruftabschnitt finden sich die drei vielleicht berühmtesten Gräber, alle im Stil des Sezessionismus: Kaiser Franz Joseph, Kaiserin Elisabeth und Kronprinz Rudolf. Mir fallen sofort die vielen Blumen auf - Andenken und letzte Ehrerweisungen von Besucher:innen Das Ende von Elisabeth und ihrem Sohn Rudolf ist für viele, dank Büchern, Musicals und Filmen, wohlbekannt. „Viele Tourist:innen aus dem Ausland sind erstaunt, warum Elisabeths Sarg so viel kleiner ist, als der ihres Mannes“, erzählt Eva. „Für sie ist Elisabeth einfach die wichtigere Person“.

Die drei Gräber in der der Franz-Josephs-Gruft: Kaiserin Elisabeth, Kaiser Franz Joseph und Kronprinz Rudolf. (c) ÖOK/emw

Die drei Gräber in der Franz-Josephs-Gruft: Kaiserin Elisabeth, Kaiser Franz Joseph und Kronprinz Rudolf. (c) ÖOK/emw

Ein Platz ist noch frei

Wir sind in der Gruftkapelle angekommen, dem letzten Raum der Gruft. Hier ruht Zita, die letzte Kaiserin Österreichs. Daneben steht eine Büste ihres Mannes Karl I. Sein Leichnam ist nach wie vor in Funchal auf Madeira, wo er 1922 im Exil starb.

Mir fällt auf, dass noch ein einziger Platz frei ist. „Dieser ist für Yolande de Ligne reserviert, der Ehefrau von Erzherzog Carl Ludwig, der 2008 hier bestattet wurde. Sie ist 99 Jahre alt.“ Damit würde dann die Tradition enden, vorerst jedenfalls.

Doch die Aufgabe der Kapuziner, die „Hüter“ der Kapuzinergruft, bleibt.

Das schlechte Gebiss der Totenschädel ist Absicht. Damit wollten die Habsburger deutlich machen, dass sie Teil des Volkes sind. (c) ÖOK/emw

Das schlechte Gebiss der Totenschädel ist Absicht. Damit wollten die Habsburger deutlich machen, dass sie Teil des Volkes sind. (c) ÖOK/emw

[elisabeth mayr-wimmer]

 

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