Einblick in die Zentralbibliothek der Minoriten in Wien
Um die Zusammenstellung der Bestände in der ZB Min verstehen zu können, ist es hilfreich, zunächst einen Blick auf die Ordensstruktur der Minoriten zu werfen. Der Orden ist in Provinzen gegliedert: 30 Provinzen gibt es weltweit. Österreich selbst ist aufgrund der Zahl der Konvente bzw. Ordensangehörigen keine eigene Provinz.
Mit zwei Klöstern in der Schweiz (Flüeli-Ranft und Fribourg) sind die vier Klöster in Österreich (Asparn/Zaya, Graz, Neunkirchen und Wien) zu einer Provinzkustodie zusammengeschlossen, die wiederum jurisdiktionell an die Provinz in Deutschland angeschlossen ist.
Die Provinzkustodie Österreich-Schweiz
Für die ZB Min sind die vier Klöster in Österreich maßgeblich. Deren Gründung liegt unterschiedlich lange zurück. Der Konvent in Wien wurde – so die Überlieferung – im Jahr 1224 gegründet. 1230 folgte die Gründung in Graz. Asparn/Zaya und Neunkirchen wurden erst in den Jahren 1624 bzw. 1631 gegründet und zwar als Studien- und Ausbildungshäuser und hatten daher auch jeweils eine umfangreiche und interessante Bibliothek.
Im 20. Jahrhundert wurde in der Ordensleitung beschlossen, die historischen Bibliotheken in Wien zu einer Zentralbibliothek zusammenzuführen.
Die Wiener Bibliothek (c) Minoriten
Die Wiener Bibliothek wurde nach Aufhebung des Konvents bei der Minoritenkirche im ersten Wiener Gemeindebezirk unter Kaiser Joseph II. bereits im Jahr 1784 in das ehemalige Trinitarierkloster und den jetzigen Minoritenkonvent gebracht. In zwei Prunkräumen im ersten Stock wurde sie aufgestellt und ist heute noch dort zu bewundern. Im Jahr 1969 folgte die historische Bibliothek aus Neunkirchen, die auf dem den Prunkräumen vorgelagerten Gang aufgestellt wurde. Im zweiten Stock wurden schließlich die historischen Bibliotheken aus Asparn und Graz untergebracht, die Anfang bzw. Mitte der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts nach Wien gebracht wurden. Das Besondere daran: Sie wurden in den Original-Bücherregalen aufgestellt.
Die Bibliothek aus Neunkirchen (c) Minoriten
Die Bibliothek aus Asparn (c) Minoriten
Die Bibliothek aus Graz (c) Minoriten
Urkunden
Die ältesten Zeugnisse sind die zahlreichen Urkunden, die ebenfalls in Wien zentral gesammelt wurden. So finden sich heute mehr als 300 Urkunden in der ZB Min, die den Zeitraum von 1243 bis 1794 abdecken.
Handschriften
Mehr als 1000 Handschriften befinden sich im Besitz der Minoriten. Es gibt unter diesen Handschriften Provinzprotokolle, Nekrologien, Annalen, Tagebücher, Professbücher etc. Da Handschriften an sich schon Unikate sind, besonders wenn sie sich in einzigartiger Weise mit der Geschichte, mit Vorgängen, mit Rechnungen und Stiftungen der Minoriten befassen, sind sie – neben den Urkunden – ein besonderer Schatz dieser Bibliothek.
Bücher
Die Schätzungen über die Gesamtzahl der Bücher in der ZB Min gehen teilweise weit auseinander; sie liegen zwischen 30.000 und 50.000. Beeindruckend ist die Gesamtzahl auf alle Fälle. Vor allem in ihrer Aufstellung in den historischen Regalen und mit ihren sehr schönen Einbänden hinterlassen sie einen bleibenden Eindruck.
Der Großteil der historischen Bestände erstreckt sich über den Zeitraum vom 16. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhundert. Neun Inkunabeln – damit also sogar noch ins 15. Jahrhundert zurückreichend – sind im Inkunabelzensus der Österreichischen Nationalbibliothek für die ZB Min verzeichnet.
Neben den vier historischen Bibliotheken beherbergt die ZB Min auch die Konventsbibliothek von Wien, die mit neuerer Literatur aufwarten kann. Die Konvents- und damit Gebrauchsbibliotheken der anderen drei Klöster Asparn/Zaya, Graz und Neunkirchen befinden sich am dortigen Ort, sollen aber über die ZB Min in Zukunft auch in einem elektronischen Katalog verzeichnet werden.
Ein besonderes Stück aus der Zentralbibliothek der Minoriten in Wien wird auch bei Kunst im Blick vorgestellt...
Text und Fotos: Stefan Dorninger, Bibliothekar der ZB Min.