Michael Bohr, Sakralmöbel aus Österreich. Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band 1: Östliche Landesteile (Verlag Böhlau, Wien-Köln-Weimar 2017), 400 s/w- und 32 farb. Abb., ISBN: 978-3-205-20512-8, € 100,-
Der Kunsthistoriker und Historiker Michael Bohr veröffentlicht nach zehnjähriger Forschung den ersten Band seiner Studien über barocke Sakralmöbel in Österreich. In Österreichs Klöstern ist Michael Bohr kein Unbekannter. Unerrmüdlich hat er in klösterlichen Kirchen und Sakristeien Möbelausstattungen, insbesondere Chorgestühle und Sakristeischränke, untersucht. Sein Forschungsfeld war bisher ein Desiderat: Anders als Freskenprogramme, Gemäldezyklen oder Skulpturen werden die Einrichtungen in den Klosterführern und in der kunsthistorischen Fachliteratur wenig oder gar nicht berücksichtigt. Dabei wurden in der Barockzeit auch die Möbel als Teil eines Gesamtkunstwerks in der Gestaltung eines Raums erachtet. 122 aktive Klöster in Österreich wurden vor 1783 errichtet, in 76 davon besteht eine originale Ausstattung mit Barockmobiliar. Michael Bohr hat sie alle besucht und erforscht. Er interessiert sich besonders für die stilistischen Eigenheiten der Stücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert und den Entscheidungsprozess bei der Beauftragung der künstlerischen Entwürfe und der Tischlerarbeiten. Seine Forschungsergebnisse geben eine neue Perspektive auf die Barockisierungen der Sakralräume im Österreich der Gegenreformation und der triumphierenden Barockkirche. Beim Barockmöbel verbindet sich Kunst und Kunstgewerbe, und das Buch bringt eine detaillierte Darstellung der historischen Tischlerwerkstätten in Wien und auf dem flachen Land, die Zusammenarbeit der verschiedenen Gewerbe bei der Herstellung und die Einflüsse internationaler Möbelkunst. Selbst über die Beschaffung der mitunter exotischen Hölzer, über Materialverarbeitung und über technische Innovationen wird der Leser unterrichtet, ebenso über die Geschichte von Chorgestühlen, Kirchenbänken, Beichtstühlen und Sakristeiausstattungen. Der Hauptteil des Buches ist ein Katalog der sakralen Barockmöbel in insgesamt 40 Kirchen in Wien, Nieder- und Oberösterreich, der ganz überwiegende Teil davon Klosterkirchen: die Stifte der sogenannten „alten Orden“ und die Kirchen von Augustiner Eremiten, Dominikanern, Franziskanern, Paulanern, Piaristen, Karmeliten und Jesuiten. Im Vergleich der Möbel und Interieurs stellt Bohr fest, dass die Möbelkunst der Klöster ganz dem Zeitgeschmack der urbanen Zentren, allen voran natürlich in der Haupt- und Residenzstadt Wien, entsprach. Hier hatte man früh französische Stilformen rezipiert, die man bald auch in den großen Barockstiften übernahm. Aber es gibt auch regionale Besonderheiten: So etwa bestechen die Tischlerarbeiten in Stift Zwettl durch eine ausgefallene Oberflächengestaltung mit qualitätvoller Marmorierung und polychromer Fassung. Bohr stellt in den ausführlichen Katalogbeiträgen die vorhandenen Barockmöbel jedes Klosters detailliert da. Neben dem sakralen Interieur behandelt er auch Refektoriumstische, Wandpaneele in Kreuzgängen, Bibliotheksausstattungen und vieles mehr. Bohr beschreibt Stil und Machart, belegt Tischler und Werkstätten durch archivalische Quellen und ordnet die Möbel durch Vergleiche mit anderen Ausstattungen historisch und kunsthistorisch ein. Sämtliche Stücke, die Bohr beschreibt, sind im Katalogteil abgebildet. Dies allein schon macht das Buch zu einem wertvollen Zeugnis barocker Möbelkunst und einem unverzichtbaren Standardwerk über die Barockisierung der Klöster in Österreich.