Sichtbar werden! Kirchenpädagogische Spuren hier und dort und anderswo...
„An Fronleichnam soll der ‚Leib des Herrn‘ allen Menschen sichtbar gemacht werden. Als Christinnen und Christen bilden wir gemeinsam den ‚Leib des Herrn‘ und sind eingeladen, uns mit unserem Glauben zu zeigen, mit Bildern, die uns kostbar sind, in Räumen, in denen wir unseren Glauben feiern.“, schrieb Sr. Ruth Pucher von der Gemeinschaft der Missionarinnen Christi und Leiterin der ARGE Kirchenpädagogik im Vorfeld der Tagung an das Netzwerk der Kirchenpädagog*innen und lud ein, am Fronleichnamstag, 3.Juni 2021 von 16.00-17.00 Uhr ein dezentes kirchenpädagogisches Angebot zu setzen.
Einladung zur Schatzsuche in der Pfarrkirche Franking im Innviertel (c) Edelmann
So konnte am ersten Tag der Tagung, Kirchenpädagogik angeboten oder auch ausprobiert werden – in analoger Form. In acht kleineren und größeren Aktionen in Wien und ganz Österreich drehte sich alles um das Thema „Sichtbar werden!“. Zum einen wurde Kirchenpädagogik selbst als Vermittlungsart sichtbar, zum anderen machte Kirchenpädagogik dabei kirchliche (Glaubens)Schätze und gläubige Menschen sichtbar.
„Kirchenpädagogik mal drei“ hieß es dann am zweiten Tagungstag, an dem drei Themenblöcke in online-Format angeboten wurden, die alle hintereinander aber auch selektiv besucht werden konnten.
In „Kirchenpädagogik zum Kennenlernen“ wurde zuerst in das kirchenpädagogische Modell von Holger Dörnemann eingeführt, das die unterschiedlichen kirchenpädagogischen Zugänge als Unterstützung versteht, „Menschen zum Heiligen zu führen“. Die vier Hauptzugänge der Kirchenpädagogik sind nach diesem Modell kultur-, theologie-, subjekt- und erlebnsiorientierte, diese können natürlich auch noch weiter differenziert werden in kunsthistorische, katechetische, biographische… Zugänge. Sr. Ruth Pucher und Theresa Stampler stellten daraufhin verschiedene Methoden zu diesen Zugängen anhand der Praxisbeispiele des Vortages vor.
Präsentation und gemeinsame Erforschung der heiligen Geräte in St. Margagreten im Rosental (c) Weratschnig
So wird die nähere Erforschung der heiligen Geräte, die sonst dem Priester vorbehalten sind, mit Baumwollhandschuhen nicht nur den Kindern, sondern auch deren Eltern in St. Margareten im Rosenthal als besonderes Erlebnis in Erinnerung bleiben.
Auch, dass eine sonst immer verschlossene Tür im Botanischen Garten Wien geöffnet war und man ausnahmsweise durch den Garten der Schwestern der Kongregation der Göttlichen Liebe in die Kirche gehen durfte, hatte einen besonderen Erlebniswert.
Figuren mit Textschildern in der Kirche am Schöpfwerk in Wien (c) Jäggle
Selbst gebastelte Figuren mit Textschildern, die Warnwesten trugen, wiesen in der Kirche am Schöpfwerk in Wien auf die kulturhistorische Bedeutung dieses Bauwerks hin.
In der Kirche der Redemptoristen in Wien, Maria am Gestade, wurden die vorbeikommenden Besucher*innen durch ein Schild eingeladen, bis zum Hochaltar nach vorne zu kommen und sich die Abendmahlsdarstellung am Tabernakel näher anzusehen. Im Gespräch kam nicht nur die kunsthistorische, sondern auch die theologische Bedeutung der Eucharistie und des Tabernakels zur Sprache.
In Loiben in der Wachau begrüßte eine Kirchenpädagogin (per Video) persönlich und stellte eine auch für sie selbst wichtige Tradition der Pfarre vor, die sie heuer – in verfremdeter Form – in der Kirche ausstellte: Pölster mit Symbolen, die mit Fronleichnam in Verbindung stehen und traditionell reich geschmückt von Kindern durch den Ort getragen werden. Neben dem theologischen Erschließen der Tradition des Ortes war ihr eigener biographischer Zugang dabei sehr deutlich zu spüren.
Pölster mit Symbolen, die mit Fronleichnam in Verbindung stehen, in der Pfarrkirche Loiben (c) Glatzenberger
Und schließlich wurden zwei Aktionen aus Franking im Innviertel präsentiert, die beide sehr stark zu einem personen- oder subjektorientierten Zugang einluden. Bei einer Aktion wurden die Besucherinnen eingeladen, Emotionen, die auf Kärtchen angeboten wurden, verschiedenen Heiligenfiguren zuzuordnen, so wie es für sie stimmig war. Bei einer weiteren Aktion gab es eine „Schatzkiste“ am Kircheneingang, in der die Kirchenpädagogin eigene Schätze aus dieser Kirche anbot und die Besucherinnen einlud, diese selber oder mit ihr gemeinsam zu entdecken.
Nach einer Tagungs-Pause lud Christian Jordan, Mitglied der ARGE Kirchenpädagogik und Religionslehrer in Horn, zu einer besonderen online-Form der Beschäftigung mit dem Kirchenraum ein: dem Chat. Es gab eine Einführung in das Thema und die Methode, daraufhin entspann sich eine ca. halbstündige, sehr lebendige und zum Teil auch emotionale schriftliche Diskussion der Teilnehmenden über zeitgenössische Installationen im Kirchenraum. Diese wurde im Gespräch danach analysiert.
Der intensive Tag wurde durch eine Austauschmöglichkeit unter Kirchenpädagogeninnen abgerundet. Auch wenn im vergangenen Jahr viele offizielle Führungen und kirchenpädagogische Angebote abgesagt werden mussten, fand dennoch viel Innovatives in und mit Kirchenräumen statt. Zur Einstimmung berichtete der langjährige Pastoralassistent der Pfarre Deutschfeistritz in der Steiermark von zwei Aktionen im Kirchenraum, die er – durch die spezielle Corona-Situation motiviert – heuer erstmals entwickelte und die er beibehalten möchte. In den folgenden kleinen Austauschrunden wurden nicht nur eigene, sondern auch andern Ortes erlebte Aktionen und Ideen ausgetauscht. Es wurde auch über die vielen verschiedenen „Funktionen“ der Kirchen in dieser besonderen Zeit gesprochen: als Zufluchtsorte bei Sorgen und Ängsten, als neu entdeckte kulturelle Kleinode, als „Hubs“ (Schnittstelle, Informationsdrehscheibe bzw. Austauschplattform), als Anlaufstellen für pastorale Angebote sowie als Orte, wo spirituelle Bedürfnisse gestellt werden konnten. Deutlich spürbar war bei den ca. 25 Teilnehmerinnen eine Lust, kreative Angebote zu setzen, sich selbst persönlich einzubringen und die Qualität der individuellen Gespräche und kleinen Gruppen zu genießen.
Die Vielfalt der vorgestellten Projekte und der Austausch darüber ließ Kirchenpädagogik an diesen Tagen wieder „Sichtbar werden!“, machte aber auch deutlich, dass sie nicht Selbstzweck, sondern Mittel ist um „Menschen zum Heiligen“ zu führen. Und das Erleben dieses „Heiligen“ ist wohl gerade in dieser herausfordernden Zeit auf eine besondere Art und Weise heilsam, vertrauens- und sinnstiftend.
[Text: Theresa Stampler]