Aus Liebe zum Haus - Alte Ansichtskarten in St. Florian
Der St. Florianer Chorherr Josef Ackerl (1863–1917) begann im Jahr 1896 als Kooperator von Vöcklabruck mit dem Sammeln von Ansichtskarten. Er beschränkte sich zunächst auf die 33 Stiftspfarren, erweiterte das Sammelgebiet aber bald auf die Diözese Linz, dann auf die Habsburgermonarchie und schließlich auf die ganze Welt. In mehreren Ausstellungen präsentierte er seine ständig wachsende Sammlung, die in seinem Todesjahr 52.815 Karten umfasste. In der NS-Zeit wurde diese in zwei Schränken der Kaiserzimmer aufbewahrte Sammlung leider großteils zerstört.
© Stift St. Florian
Unabhängig von seinem Mitbruder begann Christoph von Chiusole (1875–1943) als Präfekt der Sängerknaben im Jahr 1900 damit, die bei Wanderungen, Ausflügen und Reisen erworbenen Ansichtskarten in kleine Alben einzuordnen. Im Laufe seines Lebens wuchsen diese von ihm „Reise- und andere Lebens-Erinnerungen“ genannten Alben auf 61 Stück mit ca. 20.000 Karten an. Am besten repräsentiert sind neben dem Bundesland Oberösterreich die Monarchieländer, die Schweiz und Italien. Diese bemerkenswerte Sammlung blieb vollständig erhalten.
Auch der Novizenmeister Leopold Hager (1889–1972) sammelte ab 1928 Ansichtskarten und hatte zwei Jahre später bereits 30.000 Stück beisammen, die er vom jungen Chorherrn Isidor Winklehner ordnen und in Holzkistchen schlichten ließ. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt deponierte man die Karten in einem Kasten im Vorraum des Konviktskrankenzimmers. Hier wurden sie in der Folge von Schülern durcheinandergebracht und beschädigt (u.a. durch Abreißen der Briefmarken). 1968 beauftragte der nunmehrige Propst Hager wiederum den nach einem Spitalaufenthalt im Stift weilenden Winklehner, die Kartensammlung neu zu ordnen. Winklehner teilte die Karten nach 40 Kategorien (z.B. Staaten, Motivgruppen, Persönlichkeiten) in 70 Holzkistchen auf. Am Ende der Arbeit bezifferte er die Anzahl der Karten mit 84.000 Stück.
Bei einer Durchsicht der Sammlung im Frühling 1992 stellte ich mehrere Mängel fest. Zum einen waren die Holzkästchen so vollgepfercht, dass die Entnahme einzelner Karten ohne Beschädigung derselben kaum möglich war. Und was sollte nun mit den vielen Schachteln noch nicht eingeordneter Karten geschehen? Darüber hinaus gab es Probleme beim Aufsuchen bestimmter Karten, weil sich die Ordnungskriterien Winklehners mehrfach überschnitten. Und natürlich war durch diverse Umsiedlungen wieder Unordnung entstanden. Also ging ich an eine Neuordnung der Ansichtskartensammlung, und zwar vorderhand - aus Zeitgründen – ‚nur‘ für das Bundesland Oberösterreich.
© Stift St. Florian
Erstes Ordnungskriterium waren die 18 Bezirke. Innerhalb des Bezirks wurden die Karten alphabetisch nach den einzelnen Gemeinden aufgeteilt. Nur herausragende Orte, Burgen, Seen, Berge etc. wurden, ebenfalls alphabetisch geordnet, im Anschluss an die Gemeinden innerhalb des jeweiligen Bezirks eigens angeführt. Für die Untergliederung der Städte kam ein eigenes System zur Anwendung. Die in 42 neue, staubsichere Karteikästen eingeordnete "Ansichtskartensammlung Oberösterreich" umfasst jetzt 30.000 Karten. Nach vorsichtiger Schätzung befinden sich in der St. Florianer Ansichtskartensammlung insgesamt rund 130.000 Stück alter Karten. Inzwischen sind auch die Karten der Stadt Wien nach Bezirken und Straßen geordnet.
Im Zusammenhang mit der Sonderausstellung „Mit freundlichen Grüßen...“, die 2008 im Stift St. Florian in Zusammenarbeit mit dem OÖ. Landesmuseum und dem OÖ. Landesarchiv stattfand, wurden rund 16.700 Oberösterreichmotive der Ansichtskartensammlung digitalisiert und können online im Internet (http://doris.ooe.gv.at) betrachtet werden.
(Text: Dr. Friedrich Buchmayr, Stiftsarchiv, Stiftsbibliothek St. Florian)
Der Beitrag erschien erstmals in der Zeitschrift FLORinside, Die Zeitung der Augustiner Chorherren (Stift St. Florian) Ausgabe 21, Mai 2020.