Archive stellen sich vor: Das Provinzarchiv der Salvatorianer in Wien
Es wird betreut von P. Peter van Meijl SDS, Ordenshistoriker, Seelsorger und ehemaliger Pfarrer in St. Michael. Ihm zur Seite stehen Kunsthistorikerin Mag. Doris Fries und Robert Passini. Für P. Peter stellt das Archiv und die Geschichte seines Ordens eine Herzensangelegenheit dar. Gemeinsam mit Passini und Fries kümmert er sich um die Aufbewahrung dessen, was für die Ordensgemeinschaft relevant ist. Sie helfen so, die Geschichte und das Wirken des Ordens zu dokumentieren und dessen schriftliche Zeugnisse zu erhalten.
Abb. 1: P. Peter van Meijl SDS (Foto: M. Schauer)
Abb. 2: Provinzarchivar Robert Passini (Foto: M. Nitsch)
Abb. 3: Kunsthistorikerin Doris Fries (Foto: R. Passini)
Altes und Neues unter einem Dach
Der Raum, in dem sich das Provinzarchiv befindet, ist ein besonderer Raum, der Altes und Neues gekonnt verbindet. Es handelt sich um den alten Pfarrsaal von St. Michael, der 2016 zum Archiv umgebaut wurde. Am Bogen im Raum, der das Archivbüro und das mit Compactusanlagen ausgestattete Depot voneinander trennt, sieht man den Charakter des alten Pfarrsaales. Um diesen zu erhalten, wurden die zwei Bereiche mit einer Glaswand getrennt. Dies sorgt für Licht und Luft in beiden Räumen.
Beim Provinzarchiv der Salvatorianer handelt es sich um ein gewachsenes Archiv, das Unterlagen seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bewahrt. Es hat einen Umfang von etwa 680 Laufmetern. Obwohl es in der Vergangenheit schon von mehreren Patres betreut wurde, war viel aufzuarbeiten, als 2001 P. van Meijl und später Fries und Passini die Aufgaben übernahmen. „Erstmal mussten wir uns einen Überblick verschaffen. Was war überhaupt vorhanden und in welcher Ordnung befand es sich? Die schwierigste Herausforderung war es, Prioritäten zu setzen. Es galt, zu bewerten, was archivwürdig ist und was nicht. Das ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten Aufgaben eines Archivars: festzulegen, was überhaupt wert ist, ins Archiv aufgenommen zu werden. Diese Entscheidung braucht Mut und klares, strukturiertes Denkvermögen“, so Robert Passini.
Neben dem Provinzarchiv der Salvatorianer befinden sich noch zwei weitere Archive in St. Michael: Eine Sammlung barocker Noten und das historische Archiv der Barnabiten. Die Salvatorianer übernahmen 1923 die Niederlassung der Barnabiten mit allen Rechten und Pflichten. Das Barnabitenarchiv besteht im Gegensatz zum Salvatorianerarchiv vor allem aus älteren Beständen. Neben den kulturgeschichtlich bedeutsamen Archivalien beeindruckt auch die Art ihrer Aufbewahrung: Bis heute werden die Schriftstücke in den eigens für diesen Zweck angefertigten Holzschränken aus dem 18. Jahrhundert aufbewahrt. Die Archiveinrichtung – klassischerweise mit Laden für die Archivalien – ist in ihrer Gänze erhalten geblieben.
Abb. 4: Einblick in das Barnabitenarchiv. (Foto: R. Passini)
Bei allen in St. Michael befindlichen Archiven steht eine archivgerechte Lagerung der Bestände im Vordergrund, damit sie auch langfristig erhalten bleiben. Die Entscheidung fiel zugunsten eines einheitlichen Systems mit säurefreien Kartons aus.
Erschließung mit einer selbst entwickelten Archivdatenbank
Damit die Archivalien rasch auffindbar sind, ist eine gute Erschließung sehr wichtig. Dies betrifft zum Beispiel die Hausarchive aus aufgelassenen Niederlassungen des Salvatorianerordens, die in das Provinzhaus übernommen wurden. Sie werden zunächst grob in einem Akzessionsjournal erfasst, womit sie fürs Erste dokumentiert sind. Danach folgen die Bewertung der Unterlagen und ihre detailliertere Erschließung mittels einer Datenbank. Dafür verwenden die ArchivarInnen von St. Michael eine MS Access-Datenbank, die Robert Passini selbst vor einigen Jahren mit Helga Penz, der damaligen Leiterin des Referats für Kulturgüter, entwickelt hat. Die Datenbank orientiert sich am ISAD-Standard und sieht neben den wichtigen Pflichtfeldern (Signatur, Titel, Laufzeit, Verzeichnungsstufe etc.) auch zahlreiche weitere Felder zum Ausfüllen vor. Je genauer die Archivalien erschlossen sind, desto besser sind die Recherchemöglichkeiten.
Abb. 5: Einblick in die Datenbank, in der die Archivbestände verzeichnet werden. (Foto: R. Passini)
Vor allem bei der Beantwortung diverser Anfragen stellt die Datenbank ein wichtiges Werkzeug dar. Die Anfragen behandeln aber nicht nur das Salvatorianerarchiv, sondern auch das Barnabitenarchiv. Auch dessen Bestände sind mittlerweile in einer Datenbank erfasst. Per Stichwortsuche können Anfragen beantwortet werden, soweit die Faszikeln beschrieben wurden. Interessierte ForscherInnen haben die Möglichkeit, vor Ort im Archiv das Findbuch einsehen. Passini hebt dann die gewünschten Archivalien aus und betreut die BenutzerInnen.
Neue Technik für altes Schriftgut
Für das aktuelle Schriftgut betreuen Doris Fries und Robert Passini auch ein Digitalarchiv. Denn schließlich gibt es viele Archivalien, die nur mehr digital existieren. Das ist zum Beispiel die ordensinterne Zeitschrift Annales S.D.S., die vom Generalat herausgegeben und nur mehr als pdf-Dateien online zur Verfügung gestellt wird. Aus Platzgründen wird sie nicht ausgedruckt. Auch Websiteartikel, Kurzmitteilungen oder E-Mails werden regelmäßig als pdf-Dateien abgespeichert. Diese Arbeit muss laufend passieren, damit wichtige Dateien nicht übersehen und möglicherweise verloren gehen. Robert Passini betreibt diesbezüglich auch unter den Patres Bewusstseinsbildung, um Datenverluste möglichst zu vermeiden. Denn während früher Briefe auf Papier geschrieben wurden, die noch heute erhalten und gut lesbar sind, funktioniert die schriftliche Kommunikation vor allem über E-Mails. Für ArchivarInnen ist das problematisch, denn so sind ganze Korrespondenzen nur in E-Mail-Programmen gespeichert. Es besteht keinerlei Garantie dafür, dass die Programme in weiterer Zukunft lesbar bleiben. Passini versucht also vorausschauend die zuständigen Verantwortlichen zu überzeugen, wichtige E-Mails als pdf-Dateien abzuspeichern, denn pdf-Dateien sind genormt und gelten zumindest für die nächsten 50 Jahre als gesichert.
Eine umfassende Retro-Digitalisierung des Archivs – also ein Einscannen aller Schriftstücke, die auf Papier vorhanden sind – halten Passini und Fries nicht für sinnvoll. Eingescannt werden nur ausgewählte Stücke, die für die Ordensgeschichte wichtig sind, wie etwa Briefe des Ordensgründers P. Jordan. Dies dient neben der praktischen digitalen Verwendung auch zum Schutz der Originale.
Die Fotosammlung als ständige Herausforderung
Neben Schriftstücken stellen aber auch Fotos im Zeitalter des Digitalisierens eine große Herausforderung für Archive dar. Es gibt zwar Programme und Systeme, die ArchivarInnen helfen, Fotos zu beschriften und mit Stichwörtern zu versehen; im Prinzip ist aber die Herkunft (Provenienz) des Bildes ausschlaggebend: Oft ist nicht mehr nachvollziehbar, ob die Bilder aus einer Sammlung eines Mitbruders oder aus einem Hausarchiv stammen. Wenn die Herkunft klar ist, wird das Bild dementsprechend abgelegt. Bei unbekannten Fotos gehen Fries und Passini nach Pertinenz vor. Um die Massen an (digitalen) Fotos zu bewältigen, arbeiten die ArchivarInnen von St. Michael nach folgendem Prinzip: Von den vielen Fotos, die bei jeder Veranstaltung gemacht werden, sollen nur etwa zehn bis 30 gute Bilder aufbewahrt werden. Diese gelten dann als offizielle Fotos, die auch zur Verfügung gestellt werden können.
Kein Archiv gleicht dem anderen
Da jedes Archiv einzigartig ist, finden sich auch im Provinzarchiv der Salvatorianer besondere Stücke, die über die Eigenheiten des Ordens Zeugnis ablegen: In St. Michael ist etwa eine Sammlung von Rechnungen und Belegen zu einem von den Salvatorianern früher betriebenen Kino. Diese Unterlagen gelten als archivwürdig, da sie dokumentieren, was sonst vielleicht in Vergessenheit geraten könnte: nämlich dass es in Wien einmal ein „Ordenskino“ gegeben hat. Aus diesem Grund ist es wichtig und richtig, dass Archive neben ihrer eigentlichen Kernaufgabe, das Schriftgut „ihrer“ Verwaltungseinheit zu verwahren, auch einen Sammlungs- und Dokumentationsauftrag erfüllen.
Abb. 6: Einblick in das Depot (Foto: R. Picha)
Überraschungen hält übrigens nicht nur das Archiv, sondern auch die barocke Bibliothek in St. Michael bereit: So wurden bei der Aufarbeitung der barocken Bibliotheksbestände der Barnabiten einige Nachlässe von Salvatorianerpatres gefunden – und zwar hinter den Bücherreihen. Die damaligen Mitbrüder wollten wohl den vorhandenen, in ihren Augen ungenutzten Platz nutzen und lagerten Schriftgut hinten in den Regalen. Offensichtlich fehlte ihnen der Mut oder die Zeit, das zu tun, was wirklich wichtig gewesen wäre, nämlich: zu bewerten.
Abb. 7: Die Barnabitenbibliothek in St. Michael (Foto: R. Passini)
[Text: Irene Kubiska-Scharl]
Ein Interview mit Robert Passini ist in Heft 6/2019 der OrdensNachrichten („ON“) erschienen. Verfasst wurde es von Robert Sonnleitner, Mitarbeiter im Bereich Kommunikation und Medien der Österreichischen Ordenskonferenz. Das Heft ist online abrufbar unter: https://www.ordensgemeinschaften.at/publikationen/on-ueberblick/5221-on-6-2019