Sind Kulturgüter Ballast oder Heiligtum? Rückblick auf den Kulturtag 2019
Nach einer musikalischen Einstimmung von P. Sandesh Manuel erfolgte die Begrüßung der TeilnehmerInnen durch Generalsekretär Peter Bohynik und Bereichsleiterin Karin Mayer.
Als erste Vortragende sprach Gisela Fleckenstein OFS, Historikerin und Archivarin, unter dem Titel „einfach#leben. Franziskanische Spiritualität und kulturelles Erbe“ über den Umgang der Franziskanerinnen und Franziskaner mit ihrer eigenen Geschichte und ihren Sammlungen. Sie wies darauf hin, dass auch für jene Orden, die sich der Armut und Einfachheit verschrieben haben, Besitz unvermeidbar ist und daher die Frage nach dem Umgang mit diesem Besitz unumgänglich sei. Besonders ihre argumentative Herleitung von Archiven als Teil der Menschenrechte und der Schöpfung, die es zu bewahren gelte sowie ihre (bewusst provokative) Frage, ob Archive deshalb „heilig“ seien, sorgten im Anschluss für eine angeregte Diskussion.
Der zweite Vortragende, Leo Zogmayer, Bildender Künstler und Gestalter liturgischer Räume, sprach über „einfach#gestalten. Ästhetik der Reduktion in Kunst und Spiritualität“. Er präsentierte einige der von ihm umgestalteten Kirchenräume und zeigte, wie es gelingen kann, zwischen Minimalismus als Stil und formaler Reduktion als legitimer ästhetischer Strategie zu unterscheiden. Schließlich bringe oft erst die Stille die Chance, zu hören. Reduktion sei aber nicht nur in Kirchenräumen, sondern auch bei Archiven, Bibliotheken und Sammlungen ein wichtiges Thema. Auch hier komme dem Grundsatz „weniger ist mehr“ mehr Berechtigung als je zuvor zu.
Nach einer gemeinsamen Mittagspause, die viel Zeit und Gelegenheit zum Austausch bot, referierte Joachim Huber, Kunsthistoriker und Museumsplaner aus der Schweiz, zum Thema „einfach#bewahren. Haben oder Sein? - von Klimawandel, Sammelwut und der Suche nach Identität“. Er wies auf den bedeutenden Unterschied von plan- und konzeptlosem „horten“ von Gegenständen gegenüber systematischem, planmäßigem „sammeln“ hin. Er plädierte dafür, weniger aufzubewahren, dafür unter besseren Bedingungen. Er warf viele grundsätzliche Fragen auf, etwa nach der Sinnhaftigkeit der langfristigen Erhaltung, Nutzung und Lagerung der – einander oft sehr ähnlichen – Bestände in Museen, Kirchgemeinden und Sammlungen. Er rief dazu auf, mehr Mut bei der Entscheidung, was gesammelt werden soll (oder eben nicht), an den Tag zu legen, denn „nichts zu entscheiden ist keine Option für Kulturgut“.
Zuletzt hielt Andreas Gamerith, Kunsthistoriker und Kurator, Bibliothekar und Archivar in Stift Zwettl, seinen Vortrag zum Thema „einfach#vermitteln. Kunst- und Kulturvermittlung auf Augenhöhe“. Er sprach darin über die grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweise, die zwischen Museen und Klöstern im Umgang mit ihren Gästen herrsche (und herrschen müsse): Aus Sicht des Klosters seien Besucher niemals Touristen, sondern (nach der regula benedicti) stets Gäste. Diesen müsse man folglich Liebe und Gastfreundschaft entgegenbringen. Für Klöster, die zwar auch, aber nicht primär auf das Präsentieren und Besichtigen ausgerichtet waren und sind, stelle das Bewahren historischen Kulturerbes und das Vermitteln der Faszination, die von ihm ausgeht, oftmals eine große Herausforderung dar. Er sprach sich dafür aus, den Gästen die Möglichkeit zu geben, die Besonderheiten des Klosters zu erfahren und ihnen Möglichkeit zum Entdecken und zum Be-Greifen zu geben.
Wir danken für Ihre Teilnahme und freuen uns auf den Kulturtag 2020!
[Irene Kubiska-Scharl]