Wir hat eine andere Kraft als Ich
Trafen sich für die ON zum Gespräch über ihre Lebensberufung zum #gemeinsamen Leben: Familienvater und Ehemann Otto Friedrich und Ordensfau Sr. Christine Rod. (c) msb
Stichwort: Wegentscheidungen?
Sr. Christine Rod: Irgendwann habe ich gemerkt, dass etwas fehlt. Ich wollte nicht mehr nur als ICH meinen Glauben und meine Sendung leben, sondern ich wollte es als WIR tun. Das WIR hat eine ANDERE Kraft als das ICH. Als ICH bin ich unvertretbar und das bleibe ich auch, aber das WIR hat mir die Augen geöffnet. Es ist gut zu sagen „Ich, Christine Rod“, aber es ist auch gut zu sagen „Wir, die Missionarinnen Christi, stehen für dieses oder jenes“.
Otto Friedrich: Ich würde, was Familie betrifft, nicht von Berufung sprechen. Das klingt immer so hehr, aber es ist ein Lebensmodell, in das man hineinwächst und von dem man merkt, dass es passt. Ich habe auch noch einen Beruf, der jetzt nur mittelbar etwas mit meiner Familie zu tun hat. Dennoch übe ich ihn aus meiner Berufung heraus aus. Ich glaube, dass das die Art ist, mit der ich den Menschen mit meinen Fähigkeiten am besten zugutekommen kann. Und das empfinde ich als ein großes Glück. Insofern gibt es Parallelen zwischen dem, was eine Ordensgemeinschaft tut und was ich in meinem Beruf tue.
Furche-Redakteur Otto Friedrich sträubt sich gegen die Bezeichung "Berufung zum Familienleben", Berufung ist immer mehr. (c) msb
Stichwort: Sich selbst treu sein
Sr. Christine Rod: Was mich leitet ist, dass ich etwas gestalten und bewirken will. Für jemanden und mit jemanden. Gestaltung ist etwas Kreatives, man will etwas einbringen. Ich glaube, dass das schon etwas mit Glauben zu tun hat. Ich glaube, dass Gott mit mir und durch mich die Welt zum Besseren gestalten will.
Otto Friedrich: Ja. Es gibt dann natürlich auch etwas, das einen tragen muss. Man muss auch in Beziehungen leben. Man kann nicht nur durch seinen Beruf glücklich sein. Aber für das Gesamt meines Lebens gehört mein Beruf genauso dazu wie meine Familie und meine Partnerschaft.
Sr. Christine Rod: Manche sagen zu mir „Christine, du redest immer wieder vom Bewirken“. Ja, das tue ich wirklich gerne. Ich habe einmal auf einer internationalen Konferenz referiert und den Dolmetscher gefragt, wie er denn dieses „bewirken“ übersetzen wird und er sagte nach einigem Überlegen: mit „making a difference - einen Unterschied machen“. Ich glaube darum geht es. Das ist mein Ziel.
Otto Friedrich: Hochtrabend ausgedrückt: Durch meinen Beruf will ich auf meine Weise mithelfen die Welt zum Guten zu verändern. Mit dem ideologischen Überbau im kirchlichen Kontext, dass es entweder die Berufung zum Ordensleben oder zur Kirche gibt, tue ich mich schwer.
Ich habe nicht die Berufung zu einer Familie, sondern lebe in einer Familie. Aber meine Frau und ich haben auch Berufe und die gehören genauso integral zu unserem gemeinsamen Ganzen. Ehrlich gesagt glaube ich auch, dass mich meine Kinder mit nassen Fetzen davonjagen würden, wenn ich mich nur noch ausschließlich auf sie konzentrieren würde.
Sr. Christine Rod: Auch bei uns geht es nicht nur um Gott und mich. Es geht tatsächlich um das konkrete Gegenüber und das konkrete Umfeld. Warum zieht mich genau diese Gemeinschaft an? Meine Versprechensformel zur Lebensweihe habe ich nicht in einen luftleeren Raum, sondern auf eine Christusikone hin, in der Gott gegenwärtig ist, gesprochen. Die Leiterin der Gemeinschaft stand mir zur Seite. Ich habe das Versprechen nicht in ihre Hände gegeben, sondern auf Gott zu, mit der Gemeinschaft an meiner Seite. Das hat mir ein ganz großes Gefühl von Freiheit gegeben.
Stichwort: Krisenzeiten
Sr. Christine Rod: Es ist für uns beide hypothetisch. Wir leben beide nach wie vor in der Form, die wir auch feierlich versprochen haben. Doch während einer schweren Zeit habe ich mich schon gefragt, wie ernst war mir denn das, was ich damals so feierlich versprochen habe? Wenn, dann wäre eine Trennung ein Schritt zu mehr Leben gewesen. Aber das ist ja das Schwierige an Krisen, dass man nicht weiß, wohin sie führen. Hätte es zu mehr Befreiung geführt sich zu trennen, oder führt es zu mehr Befreiung, diese Durststrecke durchzugehen? Ich hätte es aber nicht als Bruch mit Gott und meinem Glauben gesehen.
Otto Friedrich: Ich kann auch nur in Vielem hypothetisch sprechen. Für mich ist es wichtig, zu dem zu stehen, was man einmal versprochen hat. Es ist aber eine Tatsache, dass der Zeitgeist dem nicht immer entspricht. Dass der Zweifel heute oft größer ist als die Gewissheit, liegt etwa in unserer Zeit. Das kann man beklagen oder auch nicht. Wenn es nicht weitergeht, dann geht es nicht weiter. Ich glaube, dass man in solche Situationen sehr wohl kommen kann, und ich wünsche mir von meiner Kirche, dass sie an- und ernstnimmt, dass das sein kann.
Natürlich gibt es auch Krisenzeiten, aber man muss nicht gleich das Handtuch werfen, es kann frei machen, durch sie durchzugehen, so Sr. Christine Rod. (msb)
Stichwort: Gehorsam
Sr. Christine Rod: Ja, wir haben Gehorsam versprochen, aber die Frage ist, was man darunter versteht. In unserem Grundlagenpapier wird er beschrieben als „Hinhören auf Gott und die Gemeinschaft“. Das hat mich begeistert, so hatte ich es noch nie gesehen. Es war eine ganz neue Deutung mit dem Geschmack von Freiheit. Gehorsam heißt nicht Willkür, sondern hinhören, hinspüren und mich mit anderen einfinden und ausrichten.
Otto Friedrich: Also diese Zeiten mit „die Frau ist dem Manne untertan“ sind hoffentlich vorbei und haben in unserer Ehe auch nie eine Rolle gespielt! Derart hierarchische Modelle hatten den Vorteil, dass man sich nicht miteinander auseinandersetzten musste. Das macht es heute auf den ersten Blick schwieriger als in früheren Zeiten. Aber die vermeintliche Klarheit, wer oben und wer unten steht, widerspricht der Menschenwürde der Frau. Man muss wenn es keine gleichen Anschauungen gibt, die Dinge ausdiskutieren, man muss mitunter gemeinsam ringen, um zu einer Lösung zu kommen.
Sr. Christine Rod: Das Gegenteil von gemeinsam ist einsam Karl Rahner soll einmal sinngemäß gesagt haben, Ordensleute seien nebeneinander klausurierte Einsiedler.
Otto Friedrich: Ich sehe zwei Antagonismen zu gemeinsam. Das eine ist die Einsamkeit. Die gibt es auch in Partnerschaften. Das Gefühl nicht verstanden zu werden und etwas nicht tun zu können, weil die Partnerin etwas nicht mittragen will. Das andere würde ich Getrenntheit nennen. Es gibt Dinge, die einfach unterschiedlich sind. Wobei beide Aspekte nicht nur etwas Negatives haben. Eine vollkommen symbiotische, ineinander übergehende Sache ist genauso krank wie nur nebeneinander herzuleben. Es bedarf neben der Gemeinsamkeit auch der Einsamkeit, und es bedarf des Getrenntseins. Und das #gemeinsame dabei ist, dass man einander zutraut, dass jeder die Freiräume, die er braucht, so ausnützt, dass sie dem Gemeinsamen nicht schaden.
[magdalena schauer-burkart]