Martin Werlen für gemeinschaftliches Handeln
"Wie können wir heute leben, dass es nicht nur einigen gut geht?" ist für Martin Werlen für zukünftige Handlungen entscheidend. (c) Franz Kälin
"Social distancing" ist gerade jetzt fehl am Platz - auch wenn physischer Abstand in Zeiten der Pandemie durchaus angebracht sei. Aber für die Bewältigung der Corona-Krise erachtet es der neue Propst der Vorarlberger Propstei Sankt Gerold, der Schweizer Benediktiner Martin Werlen, als "gerade jetzt so wichtig, gemeinschaftlich zu handeln, miteinander auf dem Weg zu sein". In den vergangenen Monaten mit gelockerten Schutzmaßnahmen "haben wir schnell gemerkt, dass wir wieder im alten Fahrwasser sind", sagte der auch als Buchautor bekannt gewordene Ordensmann im Interview der Wochenzeitung "Die Furche" (aktuelle Ausgabe). Werlen empfahl, innezuhalten und den eigenen Lebensstil zu überdenken.
"Wie können wir in dieser Welt heute leben, dass es nicht nur einigen gutgeht", sei eine entscheidende Zukunftsfrage. Der Propst verwies auf viele große Denker, die heute darauf hinwiesen, dass nicht alles beim Alten bleiben könne. Zu grundlegendem Umlernen seien jedoch viele Anstöße nötig, meinte Werlen. "Das gilt nicht nur für die Gesellschaft im Allgemeinen, sondern auch für die Kirche."
Die gegenwärtige Situation könne lähmen, das erlebe er auch an sich selbst, wie der Benediktiner eingestand. "Doch lassen wir uns kreativ herausfordern!" Eine Veranstaltung absagen zu müssen, könne z. B. durch Livestream oder andere Impulse kompensiert werden. Gerade die Kirche habe hier die Aufgabe, kreativ zu sein, "denn Gott ist ein Gott der Überraschungen" und Kreativität etwas, das "zutiefst in Gott gründet", erklärte Werlen. Und er appellierte: "Das sollte Menschen durch uns, durch Ordensleute und durch alle Getauften erfahren."
Buch "Raus aus dem Schneckenhaus!"
„Von Menschen, die sich von der Kirche verabschieden, könnten wir sehr viel lernen. Sie halten uns einen Spiegel vor und lassen uns merken, wie Kirche bei ihnen ankommt. Tragisch ist selbstverständlich, dass wir uns für ihre Stimme zuvor nicht interessiert haben. Was Kirchenaustritte betrifft, so denken wir leider immer noch vor allem in Zahlen. Das ist falsch. Wir sollten in Menschen denken. Jeder Mensch ist ein von Gott geliebter Mensch.“ (Martin Werlen, Raus aus dem Schneckenhaus, Herder 2020)
"Wie schrecklich es ist, immer drinnen sein zu müssen, haben im Jahr 2020 viele Menschen erfahren", heißt es in der Verlags-Info über das Buch. Werlen wendet sich gegen jene Gruppe von Menschen, die sich freiwillig in die Abschottung begeben hätten, "um nicht von den 'Viren der Zeit' angesteckt zu werden". Tragisch sei, dass diese "möglicherweise kranken Menschen" in den Glaubensgemeinschaften vielfach den Ton angeben würden. Doch "selbstgerechtes Abgeschottetsein" darf laut Werlen nicht mit Glauben verwechselt werden.
Der Propst von St. Gerold nehme die Leser mit auf einen Weg voller Überraschungen: "zu einem Glauben, der ... mutig bei den Menschen ist und zusammen mit ihnen den Weg in die Zukunft sucht", so die Ankündigung des demnächst erscheinenden Bandes. Das bringe Bewegung in die Kirche und in die Gesellschaft - selbst in der größten Krise. Werlens Überzeugung bildet auch den Untertitel des Buches: "Nur wer draußen ist, kann drinnen sein!"
Das Buch erscheint am 12.10.2020
Jetzt vorbestellen
Quelle: Kathpress, Herder
[elisabeth mayr]