Was ist möglich und nicht: Was ist erlaubt
„Menschen suchen Lebendigkeit“, so lautet das Credo von Ferdinand Kaineder, und so könnte auch das Fazit seines Buches „Anpacken, nicht einpacken!“ (Herder 2020) zusammengefasst werden. „Wo Lebendigkeit ist, da möchte ich mit dabei sein“, sagt Kaineder. Er schreibt über die lebendig machenden Dynamiken von Organisationen, Vereinen, Bewegungen, Initiativen und Communities. Seine Erfahrungen in diesem Bereich subsummierte er in sein „Dreiraummodell“, deren einzelne Räume „Mitmachen“, „Vernetzen“ und „Verstehen“ dabei helfen sollen, Lebendigkeit, Zukunft und wesentliche Aspekte von „Gemeinschaften“ sichtbar zu machen und weiterzuentwickeln.
Mitmachen
Unter dem Stichwort „Mitmachen“ las Kainder eine Passage aus seinem Buch vor, in der er erzählte, wie in seiner Heimatpfarre Kirchschlag, in der über 90 Schlüsseln für das Pfarrzentrum an DorfbewohnerInnen verteilt wurden. Alle übernahmen auf derselben Augenhöhe Verantwortung, aber alle konnten auf derselben Augenhöhe „einfach tun, mittun“. Für ein lustvolles und oft ehrenamtliches Engagement sind Musik (Band, Chor, Konzerte), Bühne (Theater, Inszenierungen), Bewegung (Pilgern, Sport) und Soziale Aktion (lokal, global) die größten Motivationsfelder und -kräfte. Leute wollen sich einbringen, mithelfen, etwas auf die Füße stellen, sich engagieren.
Vernetzen
Jeder Mensch hat ein individuelles „Lebensnetz“ wie Familie, Freunde und ArbeitskollegInnen. Das sind individuelle Gemeinschaften, die auch individuelle Rituale praktizieren und individuelle Werte hochhalten. Dadurch werden Zugehörigkeiten und Solidarität geschaffen. „Das Größte, was du einem Menschen geben kannst, ist das Gefühl dazuzugehören“, bringt es Ferdinand Kaineder auf den Punkt, und weiter: „Beziehung heilt!“ Jede Führungskraft hat genau dafür Sorge zu tragen.
Verstehen
Der dritte Raum beinhaltet das Verstehen: Jede Gemeinschaft hat ein WAS (Was tun die da?), ein WIE (Wie tun sie es?), vor allem aber ein WARUM (Warum, wozu tun sie es?). Denn entscheidend ist, dass das WARUM zeitgemäß und überzeugend erzählt werden kann. Doch zuerst gilt es, ganz tief hinhören, ganz Ohr werden, sich auf den Empfänger „einstellen“. Dann erst gilt es, unsere Geschichten, Vorhaben, Erlebnisse und Wertigkeiten zu erzählen. So vermischen sich die Lebenswelten der Menschen mit den Lebensideen der jeweiligen Community.
Mitte, Ränder und Zwischenräume
Beim Durchschreiten der drei Räume werden Mitte, Ränder und Zwischenräume spürbar. Alles beginnt mit mir. Dazu braucht es die Bereitschaft für Neue, für Neues mit den Neuen. Wege in die Zukunft werden so klarer, Furcht vergeht, Mut steigt auf und Vertrauen verbreitet sich. Das gelte auch für die Kirche, die einen schlafenden Eindruck mache. Menschen haben Sehnsucht nach Spiritualität, nicht aber nach Kirche. Diese müsse weg vom „Almosendenken“, sondern die Menschen an den Gleisen mitbauen lassen, wohin die Welt geht. Ferdinand Kaineder: „Wir müssen daran denken, was ist möglich und nicht daran: Was ist erlaubt.“
[robert sonnleitner]
Alle Fotos: Magdalena Schauer