Bischöfe in Hirtenwort für "geistvoll erneuerte Normalität" nach Corona
Passend zu Pfinsten ist im Hirtenwort von "sieben Geistesgaben" die Rede. (c) BiKo
Die österreichischen Bischöfe haben zu umfassenden Reformen in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kirche aufgerufen. In einem gemeinsamen Hirtenwort zu Pfingsten sprechen sie sich für eine "geistvoll erneuerte Normalität" - in Anspielung auf die von der Regierung ausgerufene "neue Normalität" - aus, die nun nach der Corona-Krise in Österreich realisiert werden soll.
Es ist europaweit das erste entsprechende Hirtenwort einer nationalen Bischofskonferenz, das auf die Coronakrise und vor allem die Schlussfolgerungen für die Zukunft umfassend eingeht.
Sorge um Menschen
Die Bischöfe mahnen u. a. eine konstruktive politische Debatte ein und verwehren sich gegen politische Gehässigkeiten und zunehmende Aggressionen. Sie nehmen all jene Menschen in den Blick, die durch Corona in die Armut abzugleiten drohen. Genauso gilt die Sorge aber auch all jenen, die wegen der Beschränkungen an psychischen Folgen leiden. Die Bischöfe mahnen umfassende Hilfe und Zuwendung und eine grundlegende Debatte um einen armutsfesten Sozialstaat ein. Hier müsse auch die Frage eines einkommensunabhängigen Grundeinkommens diskutiert werden.
Solidarität dürfe auch nicht an den Landesgrenzen Halt machen. Die Bischöfe kritisieren in diesem Zusammenhang etwa das "Virus nationalistischer Kleinstaaterei" und fordern die österreichische Regierung auf, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.
Keine Verschwörungstheorien
In dem Hirtenwort werden auch "krude Verschwörungstheorien" zurückgewiesen, der "Ungeist des Anschwärzens, Vernaderns und Denunzierens" wird kritisiert. Die Bischöfe fordern zudem neue Ansätze einer sozial- und klimaverträglichen Wirtschaft, die nicht nur auf Wachstum und grenzenlosem Konsum aufbaut. Eindringlich wird davor gewarnt, den freien Sonntag aufzugeben, ebenso werden Tendenzen zurückgewiesen, aktive Sterbehilfe gesellschaftsfähig werden zu lassen.
Hirtenwort der "Sieben Geistesgaben"
Im Hirtenwort ist von "sieben Geistesgaben" die Rede, die von den Bischöfen als Leitmotiv für das Hirtenwort gewählt wurden. Es sei "Einladung, Auftrag und Befähigung, eine 'erneuerte Normalität' aktiv mitzugestalten". Die "sieben Geistesgaben" sind:
Geist von Dankbarkeit und Demut
"Nichts ist selbstverständlich!", schreiben die Bischöfe. Gerade in Corona-Zeiten wurde uns das bewusst vor Augen geführt: Dinge, die vorher ganz alltäglich waren, waren plötzlich nicht mehr erlaubt. Das Bewusstsein darüber erlaube große Dankbarkeit. Und: "Wer zu danken beginnt, befreit sich und andere aus dem Teufelskreis von Neid und Gier. Dankbare Menschen sind befreit von der Angst, zu kurz zu kommen."
Geist von Versöhnung und Verbundenheit
Trotz physischem Abstand-Haltens war unter den Menschen große Verbundenheit zu spüren, "diese wertvolle Erfahrung dürfen wir nicht verlieren". Umgekehrt konnte das ständige Beisammensein auch zu großen Belastungen in den Familien führen, hier brauche es nun "Schritte zur Versöhnung. Ein versöhnter Mensch lebt gelassener und fröhlicher".
Geist der Aufmerksamkeit und Solidarität
"Christliche Solidarität ist grenzenlos." Corona habe zu einem Comeback der Solidarität geführt und zeigte uns, wie wichtig ein Sozialstaat mit einem guten, leistbaren und leistungsfähigen Gesundheitssystem ist. Auch setzen sich die Bischöfe dafür ein, "Flüchtlinge aus den Elendsquartieren an den Grenzen Europas auch in Österreich aufzunehmen".
Geist der Wertschätzung und Lernbereitschaft
Corona habe gezeigt, dass viele, bislang unterbewertete Berufsgruppen wie Handel- oder Pflegeberufe, die meist auch von Frauen ausgeübt werden, eine massiv höhere Wertschätzung verdienen. Eine gerechtere Entlohnung wäre ein erster Schritt. Und: "Wir wünschen uns insgesamt eine neue Debattenkultur in Politik, Gesellschaft und Kirche. Nur eine lebendige Demokratie, wechselseitiger Respekt und eine menschliche Fehlerkultur ermöglichen Zukunft."
Geist der Achtsamkeit und Entschlossenheit
Der Papst habe schon vor fünf Jahren in "Laudato si" zu einer nachhaltigeren Lebensweise aufgerufen, jetzt sei der Zeitpunkt für politische Weichenstellungen für eine Zukunft, die den unbedingten Schutz unseres Planeten sich zum Ziel setzt. "Ein bloßes Ankurbeln des Konsums darf uns nicht mehr genügen. Es treibt uns sonst wieder in jenes unersättliche Immer-Mehr, das uns selbst und die Natur krank gemacht hat."
Geist der Lebensfreude und Geduld
"Eine erstrebenswerte Normalität zeichnet sich wesentlich durch Lebensfreude und ein gutes Maß an Geduld aus." Lebensfreude schütze vor Verbitterung und wird zur "Quelle für Gelassenheit und Hoffnung."
Geist des Vertrauens und der Zuversicht
Glaube entsorge keine Probleme sondern ist eine "Trotzdem-Kraft", die Menschen in Krisensituationen brauchen. "Das Herzstück dieses Glaubens ist eine lebendige Beziehung zu Gott, getragen von einem Geist des Vertrauens." Ohne Vertrauen habe der Mensch seinen Ängsten und Sorgen nichts entgegenzusetzen und kann zugrunde gehen. Menschen brauchen dafür auch einen freien Sonntag, dieser solle nicht der Profitgier geopfert werden.
"Gerade angesichts aller gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen braucht die menschliche Seele ihre Nahrung. Das geschieht durch einen herzhaft gelebten Glauben, durch Kultur und vieles mehr."
Quelle: Hirtenwort der österreichischischen Bischöfe 2020, Kurzversion; Kathpress
[elisabeth mayr]