Weltfrauentags-Serie Tag 1: Aufruf zum Dialog
"Sind es wirklich immer die autoritären Strukturen, die den Dialog untereinander behindern" fragt Erzabt Korbinian Brinbacher. (c) Schauer
1968: Sr. Dr. Irmgardis Strausz, SDR (ausgetreten 1969): Ordensfrau in der Kirche von morgen„Ebenso wie die Kirche können wir die Vergangenheit nicht einfach als zu schwer gewordenen Ballast abwerfen und an einem Punkt null neu beginnen. Vielmehr müssen wir uns redlich bemühen, im ständigen Fragen nach Gottes Willen sowie im offenen Dialog untereinander und mit der Welt zu erkennen, was wir dem Gestern überlassen und was wir aus dem Heute ins Morgen mitnehmen sollen.“ Sr. Dr. Irmgardis Strausz
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2020: Erzabt Korbinian Birnbacher OSB, Vorsitzender der Österreichischen Ordenskonferenz
„Im Umbruchsjahr 1968 haben Ordensfrauen in Österreich die Zeitschrift „Jetzt“ gegründet. Ich war damals gerade einmal ein Jahr alt, so lange ist das her! Der Name Irmgardis Strauß sagte mir zunächst gar nichts. Eine Schnellrecherche im Netz leitete mich aber auf einen Artikel von Barbara Coudenhove-Kalergi: „Rebellische Fernseh-Nonne. Sie lehnt sich auf gegen die Hierarchie in den Klöstern – Lieber Lehrerin an öffentlicher Schule“ vom 25. Juli 1969 in der renommierten Hamburger Wochenzeitschrift Die Zeit.
Rebellische-Fernseh-Nonne
Darin erfährt man, dass Strauß 1966 von Kardinal König für den Kirchenfunk entdeckt wurde und zwei Jahre lang „eine Art Star des österreichischen Fernsehens“ war. Ohne präzise Angabe von Gründen wurde sie „vorige Woche“ aus ihrer Klostergemeinschaft ausgeschlossen. „Zum akuten Mißbehagen der kirchlichen Stellen und unter voller Ausnutzung ihrer TV-Popularität führt Schwester Irmgardis nun einen hartnäckigen Kampf um ihre Rehabilitierung. Die autoritären Strukturen unserer Orden ... versagen vor den Anforderungen unserer Zeit“ wird darin Strauß zitiert. Ich habe nicht näher nachgeforscht, was da geschehen ist. Gut klingt das alles allerdings nicht.
Ordensfrau in der Kirche von morgen
Ich wurde gebeten anlässlich des internationalen Frauentages am 8. März ein Statement zu diesem kleinen Ausschnitt aus dem Beitrag Ordensfrau in der Kirche von morgen von Sr. Irmgardis Strauß abzugeben. Nun, rebellisch klingt dieser kurze Absatz wirklich nicht. Im Gegenteil: Hier wird gut katholische Lehre und Tradition auf den Punkt gebracht: Die Vergangenheit können wir nicht einfach als zu schwer gewordenen Ballast abwerfen und an einem Punkt null neu beginnen. Das bedeutet, dass wir mit und aus der Tradition leben, dass die Tradition aber auch viele Traditionen kennt, von denen wir uns getrost verabschieden dürfen, weil sie schlicht und einfach bedeutungslos geworden sind. Wir müssen uns allerdings redlich darum bemühen, im ständigen Fragen nach Gottes Willen sowie im offenen Dialog untereinander - und mit der Welt! - zu erkennen, was wir dem Gestern überlassen und was wir aus dem Heute ins Morgen mitnehmen sollen.
Ja wirklich, anders könnte ich es auch nicht formulieren: Im ständigen Fragen nach Gottes Willen und im offenen Dialog untereinander – also mit den eigenen Leuten! - und mit der Welt – also mit den anderen! - gehen wir vor Gott unseren Weg. Ob wir aber als Kirche oder als Orden vor den Anforderungen unserer Zeit versagen, bloß weil Tradition nicht immer leicht ist, ist für mich fraglich. Ich glaube das jedenfalls nicht. Sind es wirklich die autoritären Strukturen? Wo hätte ich sie jemals erlebt? Ich habe sie jedenfalls in meinen eigenen benediktinisch-klösterlichen Strukturen so nicht erlebt. Deshalb sehe ich zuversichtlich in die Zukunft ... was wir bewahren und was wir aus dem Heute ins Morgen mitnehmen sollen ... das bleibt stets ein spannender, sicher nicht leichter, aber auf jeden Fall sich lohnender Dialog!
Heft 1 vom Jahr 1968 (c) Archiv der Vereinigung der Frauenorden Österreich
Zum Weiterlesen: Weltfrauentags-Serie
Weltfrauentags-Serie Tag 4: Gelebte Spiritualität von Sr. Ruth Pucher |
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Weltfrauentags-Serie Tag 3: Rolle und Aufgaben einer Oberin von Sr. Margartha Tschische |
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[elisabeth mayr]