Festakt für Friedenspionierin Hildegard Goss-Mayr
Ein Leben für den Frieden: Hildegard Goss-Mayr wurde 90. (c) pulling/kathpress
Dem Gottesdienst in der Wiener Pfarrkirche St. Josef Sandleiten stand der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler vor. Goss-Mayr - geboren am 22. Jänner 1930 in Wien - war von 1966 bis 1985 Vizepräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes. Seit 1985 ist sie Ehrenpräsidentin der Organisation. Ihr Friedensengagement führte sie auf alle Kontinente. Sie lebt heute zurückgezogen in einer kleinen Wohnung in Wien, nimmt aber immer noch rege an den Aktivitäten des Internationalen Versöhnungsbundes und am allgemeinen politischen Geschehen teil.
In seiner Predigt legte Bischof Glettler ein "Plädoyer für die Sanftmut" ab. Dies sei eine Haltung, "die in unserer nervösen, auf Erfolg und Durchsetzung getrimmten Gesellschaft ganz abhandengekommen ist". Sanftmut sei die Alternative zu jeder "First-Ideologie". Glettler: "Sanftmut ist der Mut zum Verzicht auf die eigenen Geltungsansprüche, Verzicht auf das Dominieren und Bestimmen-Wollen. Sanftmut ist eine Form gelebter Liebe." Im Bemühen um einen solchen "Weg der Sanftmut im Engagement für mehr Gerechtigkeit in unserer Welt" sei Hildegard Goss-Mayr ein großes Vorbild, so der Bischof.
Glettler sprach auch den tiefen Glauben der Friedenspionierin an: "Wir möchten von Ihnen lernen, wissend, dass sie nicht nur von ihrer eigenen Kraft und Intelligenz getragen wurden, sondern von Gottes schöpferischer Kraft. Es ist seine Herzensenergie, die in Ihnen und in den vielen Menschen am Werk ist, die sich nicht mit dem ernüchternden Status Quo unserer Welt abfinden wollen." Gottes Herzensenergie sei die Mut-Quelle für jeden Friedensdienst. Und wörtlich sagt der Bischof in Richtung der Jubilarin: "Sie waren und sind mit der Verpflichtung zur Gewaltfreiheit eine Geburtshelferin für Gottes neue Welt. Danke dafür!"
Bischof Glettler war direkt von einer Reise ins Heilige Land nach Wien gekommen. Er berichtete von beeindruckenden Begegnungen mit Menschen vor Ort, die sich ganz dem Einsatz für den Frieden verschrieben hätten. auf beiden Seiten der inzwischen 500 Kilometer langen Mauer, die Israel und Palästina trennen.
Glückwünsche von Kardinal Schönborn
Glückwünsche waren u.a. auch von Kardinal Christoph Schönborn gekommen. Er würdigte in einem verlesenen Grußwort u.a. die große Leidenschaft für Gewaltfreiheit und den Frieden aus dem Geist des Evangeliums, wie sie Hildegard Goss-Mayr und ihren Mann Jean Goss noch auszeichnete. "Schmerzlich vermissen wir Propheten wie Hildegard und Jean Goss, die Kraft ihres Wortes und Einsatzes für Gewaltfreiheit eine Versöhnung zwischen verfeindeten politischen System, Klassen und Gesellschaftsgruppen herbeiführen konnten", so Schönborn wörtlich.
Er sei Hildegard Goss-Mayr dankbar, so der Wiener Erzbischof, "dass sie uns dieses bewundernswürdige Beispiel christlichen Lebens und Wirkens im Geiste der Nächstenliebe durch ihr jahrzehntelanges Wirken um Frieden und Gewaltfreiheit geschenkt hat". Sie und ihr Mann Jean hätten gezeigt, "dass christliche Nächstenliebe aus dem Geist der Bergpredigt keine politische Utopie bleiben muss".
Zahlreiche Grußbotschaften und Glückwünsche erreichten Goss-Mayr aus aller Welt, wie auch die verantwortlichen des Versöhnungsbundes beim Gottesdienst wie auch dem nachfolgenden Festakt berichteten. Zur Sprache kam auch, dass der Versöhnungsbund nun große Chancen sieht, dass in Österreich ein "Ziviler Friedensdienst" eingeführt wird. Die Bundesregierung will die Einführung laut Regierungsprogramm zumindest prüfen. Über einen solchen Friedensdienst würden ausgebildete Friedensfachkräften lokale Partnerorganisationen anderen Ländern in Krisen- und Konfliktgebieten unterstützt, die Beiträge zur Prävention von Gewalt, zur Vermittlung bei Konfliktlösungen, zur Beseitigung von Kriegsfolgen und zur Versöhnung leisten.
Ein Leben für den Frieden
Hildegard Goss-Mayr wurde am 22. Jänner 1930 in Wien als Tochter des Gründers des österreichischen Zweigs des Internationalen Versöhnungsbundes, Kaspar Mayr, geboren. Nach den Erfahrungen der NS-Herrschaft in ihrer Kindheit studierte sie in Wien und in New Haven (USA) Philosophie, Philologie und Geschichte. 1953 promovierte sie als erste Frau an der Wiener Universität "sub auspiciis". Im selben Jahr begann sie für den Internationalen Versöhnungsbund zu arbeiten. 1958 heiratete sie den französischen Friedensaktivisten Jean Goss, mit dem sie zwei Kinder bekam.
Die beiden engagierten sich zuerst im Ost-West-Dialog, später in Lateinamerika. Goss-Mayr wurde Beraterin von Bischöfen wie Dom Helder Camara. Von ihr beeinflusst ist auch der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel, der den gewaltlosen Kampf gegen die argentinische Militärdiktatur anführte.
Während des Zweiten Vatikanischen Konzils erstellte Goss-Mayr zusammen mit den Theologen Yves Congar, Bernhard Häring und Karl Rahner Vorschläge zur Gewaltlosigkeit, die in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" Niederschlag fanden.
Anfang der 1970er Jahre weitete sie ihr Engagement auf Afrika und in den Nahen Osten aus, Anfang der 1980er Jahre nach Asien. In Österreich setzte sie sich v.a. für die Umsetzung der aktiven Gewaltfreiheit in den christlichen Kirchen und im interreligiösen Dialog, für die Schaffung von Friedensdiensten sowie für die Ziele der UNO-Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit (2001-2010) ein. Goss-Mayr wurde zwei Mal für den Friedensnobelpreis nominiert. 1991 wurde sie mit dem Niwano-Friedenspreis ausgezeichnet. Im selben Jahr starb ihr Mann.