Ein Roboter ist immer nur Assistent
Technik kann hilfreich sein, aber Beziehung und Zuwendung nicht ersetzen. Foto: Petra Rainer
Die Philosophin Janina Loh trifft auf den Altersforscher Matei Capatu und den LIFEtool-Entwickler Christian Kienesberger. Das Auditorium war eingespannt in der Spannung von Entwicklungen, Möglichkeiten, Erfahrungen und ethisch-philosophischen Überlegungen. Der LIFEtool-Entwickler Kienesberger weiß: „Es gibt Spezialtastaturen, Mundmaus oder Augensteuerung bei Lock-in- Syndrom oder verschiedenen Sprachbeeinträchtigungen. Das sind hilfreiche technologische Lösungen für viele Behinderungen und helfen ein autonomeres Leben zu führen. Es braucht aber immer eine menschliche Assistenz.“ Der Altersforscher Capatu spricht aus Erfahrung: „Wir haben im Haus der Barmherzigkeit in Wien einen Roboter für Menschen im Einsatz. Diese Roboter-Robbe wird bei Menschen mit Demenz gemeinsam mit TherapeutInnen eingesetzt. Er reagiert auf Streicheln und auf den eigenen Namen und unterstützt bei der Gesprächsführung. In einem Forschungsprojekt zeigte der Roboter Henry den Speiseplan an, begleitete die TherapeutInnen bei der Nordic Walking Gruppe für BewohnerInnen mit Demenz und spielte dabei Wanderlieder ab. Das kam bei den BewohnerInnen gut an.“ Die Philosophin Loh bringt den rechtlichen Rahmen ein: „Wir wissen von Kinderspielzeug mit KI, die vor allem Daten sammeln. Für die Sammlung und Verwendung braucht es einen rechtlichen Rahmen. Beispielsweise hat der Roboter Sophia in Saudi Arabien Bürgerstatus bekommen und damit mehr Rechte als Frauen dort. Je selbstlernender Maschinen werden, desto weniger können wir sie kontrollieren. Das ist auch bei Menschen so. Menschen sind immer unverfügbar. Das ist zugleich gut und schwierig. Roboter gibt es de facto in allen Lebensbereichen. Die Frage ist: Wollen wir das? Wir unterscheiden zwischen Systemen, die assistieren und damit limitiert sind und nicht lernen können und Systemen, die selbst lernen können. Erstere funktionieren oder sind kaputt, letztere machen Fehler oder können sich gegen den Menschen richten.“
Die fühlende Beinprothese
Vor vier Jahren haben heimische Forscher eine Beinprothese entwickelt, die fühlen kann. Wer sie trägt, spürt den Boden, das verbessert Bewegungsabläufe und verringert Phantomschmerzen. Entwickelt wurde sie von plastischen Chirurgen in Innsbruck und Südtirol sowie dem Techniker Hubert Egger. Ein Sensor-Schuh trägt an seiner Sohle vier Sensoren an Ferse, Außen- und Innenrist sowie an der Fußspitze. Er wird über den Prothesenfuß gestülpt. In einem Schaft, welcher die mechanische Prothese umfasst, nimmt ein Bluetooth-Sender beim Gehen die Abrollreize des Fußes auf. Sie werden an vier Aktivatoren im Prothesenschaft gesendet. Die vier Aktivatoren produzieren Vibrationen je nach ihrem zugeordneten Fußsohlen-Sensor. Am natürlichen Beinstumpf müssen für die Aufnahme der Vibrationsreize via plastische Chirurgie vier dafür geeignete Aufnahmestellen durch umgeleitete oder verpflanzte Nerven geschaffen werden. Bereits nach einigen Tagen kann der Patient oder die Patientin mit einem Trainingsgerät beginnen, die verpflanzten oder umgeleiteten Nerven auf die zukünftige Funktion zu trainieren. Bisher wurden rund 15 Patienten im Rahmen von ersten Studien versorgt. Das System wird rund 8.000 bis 10.000 Euro kosten und ist laut den Entwicklern mit jeder herkömmlichen Beinprothese kombinierbar.
Keine Angst vor Robotern
Der digitale Wandel macht Arbeit nicht obsolet, erfordert aber einen neuen Umgang. Auch im Gesundheitsbereich. Dass Jobs durch Digitalisierung, durch Roboter und Computer verschwinden, wird befürchtet, ist eher nicht der Fall. Arbeit verändert sich derzeit in allen Bereichen, von der Landwirtschaft bis hin zur Bildung. Die Digitalisierung nimmt keine Arbeitsplätze, sondern nach der Statistik Austria steigt die Beschäftigung. Das Volumen an geleisteten Arbeitsstunden in Österreich war noch nie so hoch wie aktuell. Selbst wenn Jobs verlorengehen, weil sie von Computern erledigt werden, kommen andere hinzu. Der Bedarf an Pflegekräften, IT-Experten oder Bauarbeitern steigt. Dieser Wandel ist seit Jahren im Gang. Besonders gesucht werden IT-ExpertInnen, die Maschinen programmieren können. Wir stehen in einer umfassenden Transformation. Wie diese allerdings ausgehen wird, weiß niemand.
Der Arzt, Priester und Ethiker Matthias Beck. Foto: Ferdinand Kaineder
Es braucht eine Ontologie der Digitalisierung
Der Arzt, Priester und Ethiker Matthias Beck sieht als derzeit wichtigste Aufgabe in Hinblick auf die künstliche Intelli¬genz (KI), „eine Ontologie der Digitalisierung darzustellen, damit wir die Sprache der Ziffern hören und verstehen“. Beck weist darauf hin, dass beispielsweise Intelligenz von „inter legere“ = „zwischen den Zeilen lesen“ kommt. Das kann kein Roboter. Der in verschiedenen Ethikbeiräten sitzende Theologe, Arzt und Philosoph Beck fasst den Umgang mit KI und Robotern so zusammen: „Bitte keine Schwarz-Weiß-Malerei. Je mehr Daten wir sammeln, umso weniger wissen wir. Wer spielt welche Daten wohin? Stimmt das? Wo sind die Quellen dafür? Sind die Programmierungen nachvollziehbar, kontrollierbar? In jedem Fall kann ein Roboter eine Hilfe, eine Unterstützung sein. Eben ein Assistent. Mehr nicht. Die Letztentscheidung ist beim Menschen. Muss beim Menschen bleiben. Immer.“ Bei allen Maschinen, Robotern und Technik bleibt unbestritten: Beziehung heilt.
[hwinkler]